Olli Martini: „VLN steht für finanzierbaren Motorsport mit Erfolgsaussichten“

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Streckensprecher Olli Martini resümiert im Interview die vergangene Saison. Der Titelgewinn der Groneck-Brüder zeige, wofür die VLN steht: „finanzierbarer Motorsport mit Erfolgsaussichten.“ Zudem fordert er drakonischere Strafen für Gelbsünder und konstruktive Lösungsvorschläge für die Nürburgring-Misere.

Seine Stimme ist jedermann vertraut, der die VLN an der Nürburgring-Nordschleife verfolgt: Olli Martini bildet gemeinsam mit Lars Gutsche und Patrick Simon das Streckensprecher-Dreigestirn der Langstreckenmeisterschaft, das an Renntagen die Ereignisse an der Strecke kommentiert. Im Gespräch mit SportsCar-Info resümiert der Ring-Experte aus Adenau die zurückliegenden Saison in der Eifel.

SportsCar-Info: Olli, die Statistik der zurückliegenden VLN-Saison demonstriert, welch ausgewogenes Kräfteverhältnis auf der Nürburgring-Nordschleife herrscht – neun Rennen, neun verschiedene Sieger. Welches Fazit ziehst Du zum Jahresende? Was waren Deine persönlichen Hoch- und Tiefpunkte?

Olli Martini: Die Ausgeglichenheit bei den Gesamtsiegern ist sehr positiv zu bewerten. Es gibt bei jedem Rennen gut und gerne zehn Podiumskandidaten und zwanzig Top-Zehn-Kandidaten. Dies lockt natürlich viele Zuschauer an die Strecke. Dies lockt immer mehr Medien zur VLN, woraus auch alle sogenannten kleineren Teams profitieren. Denn je mehr Publicity die VLN hat, desto größer auch die Chancen, mögliche Sponsoren zu gewinnen.

Ich persönlich habe mich sehr über den Gesamtsieg der Busch-Brüder gefreut, weil dies zeigt, dass man auch als reines Privatteam ohne Werksfahrer einen Gesamtsieg einfahren kann, und es nicht immer nur die werksunterstützten Teams von Phoenix, Rowe, Schubert oder Manthey als Sieger gibt. Ebenfalls sehr positiv sehe ich die immer noch steigenden Zuschauerzahlen, die recht stabilen Teilnehmerzahlen sowie die tollen Kämpfe in den verschiedenen Klassen – insbesondere Cup 1, V6 und V5.

Traurig waren natürlich die Todesfälle von Wolf Silvester, Allan Simonsen, Sean Edwards – auch wenn die beiden Letztgenannten nur sporadisch in der VLN dabei waren – sowie Stephan Diekmann, der nicht nur einer der besten Fotografen, sondern auch einer der nettesten Typen überhaupt am Ring war.

SportsCar-Info: Mit den Brüdern Tim und Dirk Groneck hat sich abermals ein Fahrerduo aus einer der kleinen Divisionen zum VLN-Meister gekrönt. Ist das komplexe Punktesystem der Langstreckenmeisterschaft sinnvoll, um den Geist des Breitensports zu wahren? Insbesondere angesichts der gegenwärtigen Professionalisierung im Spitzenfeld.

Martini: Gerade wegen der Fokussierung der meisten Zuschauer auf die Gesamtsieger der einzelnen Rennen – was auch bei uns Streckensprechern bei den ersten zirka acht Läufen im Mittelpunkt steht, ist es umso schöner zu sehen, dass im Endeffekt ein „dickes“ Fahrzeug in Sachen Meisterschaft eher kleinere Chancen hat und die sogenannten „Kleinen“ dann in der Tabelle im Mittelpunkt stehen können.

Das Beispiel Groneck/Groneck zeigt doch perfekt, wofür die VLN eigentlich steht: nämlich finanzierbarer Motorsport mit sehr großen Erfolgsaussichten. Und das Beispiel Black Falcon zeigt sehr schön, wie sehr ein solcher Titelgewinn auch der Startpunkt für mögliche größere Aufgaben sein kann. Denn BF hat auch mit Serienwagen angefangen, sich Stück für Stück verbessert, bis hin zum Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen.

SportsCar-Info: Wie beurteilst Du die Entwicklung der VLN-Langstreckenmeisterschaft allgemein, wonach der Breitensport zunehmend dem professionellen Motorsport weichen muss? Schließlich bedarf es mittlerweile faktisch eines GT3-Fahrzeugs, damit ein Rennstall um Gesamtsiege fahren kann. Eigenkonstruktionen und Exoten werden rar.

Martini: Ich sehe die Entwicklung der VLN sogar sehr positiv. Natürlich muss man für Gesamtsiege ein relativ teures GT3-Fahrzeug einsetzen, aber das war vor zehn oder zwanzig Jahren auch nicht anders. Ich erinnere an den Tokai-Porsche von Oppermann/Oppermann/Altenbach im Jahr 1987, als diese alles in Grund und Boden gefahren haben mit deutlich überlegenem – und sicherlich auch teurerem – Material.

Vor zirka zehn Jahren war es der Alzen-Turbo, der allen anderen deutlich überlegen war, und preislich gesehen weit, sehr weit über dem lag, was ein heutiges GT3-Fahrzeug kostet. Auch die Preise für zum Beispiel den Raeder-Lambo lagen deutlich über dem heutigen Standard. Sicherlich wären Fahrzeuge wie der Eifelblitz, der V8-Star, der Getrag-BMW immer noch schön anzusehen, aber man muss auch mit der Zeit gehen.

Die jetzige oben bereits angesprochene Ausgeglichenheit sorgt für hochspannende Rennen mit reichlich Abwechslung. Die Kleineren stehen damit nicht mehr oder weniger im Mittelpunkt als früher. So sind zum Beispiel die oben genannten Klassen bei jedem Rennen sehr spannend und der echte Fan sieht dies auch und weiß es entsprechend zu schätzen. Von unserer Seite aus, sprich Streckensprecher, werden wir auch in 2014 die kleineren Klassen immer wieder mit im Fokus haben. Darauf legen wir selber großen Wert.

SportsCar-Info: Mit der Professionalisierung einher gehen die steigenden Geschwindigkeiten auf der Nordschleife. Die Acht-Minuten-Marke war dieses Jahr ein kontrovers diskutiertes Thema. Rowe Racing begründete seinen Protest beim Reinoldus-Langstreckenrennen gar mit Sicherheitsbedenken. Wie schätzt Du das Risiko ein?

Martini: Uwe Alzen hat es in einem Interview sehr deutlich ausgedrückt: Die heutigen Rundenzeiten von knapp über acht Minuten seien mit den aktuellen Autos – Stichworte „Abtrieb“ und „Reifen“ – weit weniger gefährlich als zum Beispiel seine 08:06 Minuten im Turbinchen vor einigen Jahren. Natürlich ist das Miteinander zwischen den Schnellsten und den weniger schnellen Fahrzeugen wichtig. Da sind der nötige Respekt und die nötige Vernunft erforderlich.

SportsCar-Info: Ein weiteres Argument, welches Rowe Racing anführte, war die Balance of Performance. Demzufolge seien Porsche und Audi durch die Fahrzeugeinstufung begünstigt. Die Liste der diesjährigen Sieger zeigt allerdings ein weitgehend ausbalanciertes Kräftegleichgewicht. Wobei primär die vier großen Hersteller Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche profitieren. Funktioniert die BoP dennoch? 

Martini: Der Protest von Rowe war meiner Meinung nach etwas überzogen. Auf eine schnelle Runde gesehen waren die SLS vielleicht drei oder vier Sekunden langsamer als ein Alzen-BMW Z4, hatte aber doch im Rennverlauf doch deutlich andere Vorteile. So ist der SLS durch das höhere Drehmoment doch deutlich einfacher schnell zu fahren, was dann ab Runde drei, wenn es um das Überrunden geht, von ganz großem Vorteil ist. Dies sollte dann auch beachtet werden.

Ein BMW Z4 hat seine Stärken im hohen Abtrieb, ist aber zu langsam beim Überholen. Ein Audi R8 ist schnell, aber sehr diffizil zu fahren. Ein Porsche hat seine Stärken im Bereich Traktion. So hat jedes der Topfahrzeuge Vor- und Nachteile, die sich aber nicht nur auf die Rundenzeit einer einzelnen Runde beschränken lassen.

Im Endeffekt gewinnt das Team, welches mit zwei respektive drei gleich starken Fahrern ohne Fehler durchkommt. Rowe hatte selber viel zu viele Fehler drin, sei es technischer Natur oder aber auch durch Fahrfehler. Selbiges gilt zum Beispiel auch für den Uwe-Alzen-BMW, den Jürgen-Alzen-Ford oder den Manthey-Porsche – der Dicke, Stichwort „Antriebswelle“.

Ich finde die BoP passt sehr gut, das einzige was mich richtig stört, ist dieses Bluffen vor dem 24-Stunden-Rennen. Beim 24-Stunden-Rennen und in den Rennen danach werden doch deutlich schnellere Zeiten gefahren als vorher.

SportsCar-Info: Ein Novum stellte in diesem Jahr die Doppelgelb-Regelung „Code 60“ dar, adaptiert von der niederländischen Creventic-Organisation. Eine zielführende Maßnahme, um das Sicherheitsrisiko zu minimieren?

Martini: Sicherlich ist das System noch nicht optimal umgesetzt, aber das Prinzip ist schon mal das richtige. Es führte kein Weg mehr vorbei an einer anderen Lösung in Sachen Doppelgelb-Regelung. Wenn das System stabiler läuft und die beobachteten Vergehen auch eindeutig sind, sollte man meiner Meinung auch die Strafen für die entsprechenden Fahrer erhöhen.

Beim ersten Mal Rundenabzug, beim zweiten klaren Vergehen zum Beispiel die Verpflichtung, bei einem VLN- oder RCN-Rennen als Sportwart mit am Posten zu stehen, um das Geschehen mal von der anderen Seite der Leitplanke zu sehen. Alleine die abschreckende Wirkung dürfte sich sehr positiv auswirken. Ich erinnere zum Beispiel an die Autobahn A3 am Elzer Berg. Jeder Autofahrer weiß, dass dort ein fester Blitzer installiert ist und fährt entsprechend nur Tempo hundert, weil er weiß, dass sonst der Führerschein weg ist.

Mir persönlich geht es nämlich ziemlich auf die Eier, bei jedem Rennen zirka dreißigmal irgendwelche Teamchefs in die Rennleitung rufen zu müssen, weil wieder mal ein Vergehen diskutiert werden muss. Die Fahrer sollten sich selber mal ein paar Gedanken machen, ob sie so weitermachen wollen.

SportsCar-Info: In dieser Saison brachte das Eifel-Wetter die Veranstaltergemeinschaft zu Jahresbeginn in Bredouille. Wegen der Wetterlage – Stichwort „Schnee“ – musste die Veranstaltergemeinschaft den VLN-Auftakt absagen und die Einstellfahrten verschieben. Ist unter Umständen eine Komprimierung des Kalenders nötig? Im Sommer sind schließlich einige freie Wochen.

Martini: Natürlich war es für alle Beteiligten mehr als schade, dass VLN 10 in 2012 sowie VLN 1 in 2013 wegen des Wetters abgesagt werden musste. Aber die zirka zehn Jahre zuvor gab es diesbezüglich keine Absagen. Es war einfach Pech mit dem Wetter, der Kalender von Ende März bis Ende Oktober ist schon okay so mit vernünftigen Pausen zwischendurch.

SportsCar-Info: Ein Thema, welches in jedem Fall Erwähnung finden sollte, ist die Nürburgring-Insolvenz. Nach aktuellen Medienberichten erwägt der ADAC, beim großen Ausverkauf im Schatten der Nürburg ebenfalls ein Gebot abzugeben. Bislang plädierte einzig die Bürgerinitiative „Save the Ring“ dafür, den Nürburgring aus dem Verkauf der gesamten Anlage herauszunehmen, damit die Strecke als natürliches Monopol in staatlicher Hand bleibt. Von wessen Seite hättest Du Dir in den letzten Wochen und Monaten mehr Engagement zur Rettung des Rings gewünscht?

Martini: Ich denke mal, wir sind uns alle einig, dass die Nürburgring-Misere einzig und allein dem Größenwahn der Herren Beck und Kafitz zu verdanken ist. So traurig das Ganze auch ist, aber es müssen endlich mal Ideen kommen, wie es denn überhaupt weiter gehen könnte.

„Den ganzen Scheiß abreißen“ wäre zwar die beste Lösung, ist aber doch wohl unrealistisch. Das Thema „Bloß nicht verkaufen, sondern in Landeshand halten“ wäre zwar schön, aber wie soll das denn funktionieren? Bislang gibt es doch so gut wie keine Ideen, wie das Ganze dann weiter betrieben werden kann.

Hier würde ich mir von allen Beteiligten, egal ob mögliche Käufer wie der ADAC oder die deutsche Autoindustrie oder womöglich Red Bull oder wer weiß wer, aber auch seitens „Save the ring“ beziehungsweise „Ja zum Nürburgring“ mal Ideen wünschen, was man denn mit der vorhandenen Situation machen könnte.

Ich unterstütze Otto Flimm und seine Initiative ja wirklich sehr gerne, aber ich würde gerne auch mal wissen, was denn eigentlich deren Ziele sind. Dieses ständige Nachkarten und sogar Schlechtreden der aktuellen Situation ist zwar auch wichtig, aber hilft doch nicht weiter. Es müssen Ideen auf den Tisch. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich auch keine Idee habe, was man mit dem Schrott dort oben anfangen kann.

SportsCar-Info: Welche Erwartungen hast Du an die kommende Saison der VLN-Langstreckenmeisterschaft?

Martini: Meine Erwartungen setze ich mal bewusst ganz niedrig an, indem ich sage, wenn es so weiter läuft wie gehabt, wäre ich sehr zufrieden. Beständige Zuschauer- und Teilnehmerzahlen, spannende Rennen in allen Klassen, spannende Titelentscheidung, wenige Unfälle sowie ein gutes Miteinander aller Beteiligten – Fahrer, Organisation, Fans, Sportwarte et cetera. Dies alles war in 2013 gut! Meine Wünsche wären gar keine Unfälle, steigende Zuschauer – und Teilnehmerzahlen, keine Rennabsagen und eine gute Lösung, was das Thema Nürburgring-Zukunft angeht.