Weltmeister Toyota: Triumph der Außenseiter

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Wer hätte Toyota zu Saisonbeginn eine Favoritenstellung eingeräumt? Lediglich eine Minderheit. Dennoch begegnete TMG der Skepsis ob der unkonventionellen Herangehensweise mit einer souveränen Darbietung. Letzten Endes krönte sich der fernöstliche Hersteller in Fahrer- und Markenwertung zum Langstrecken-Weltmeister.

Manchmal bedarf es lediglich eines cleveren Einfalls und einer couragierten Vorgehensweise, damit ein Unternehmen Erfolg zeitigt. Im David-gegen-Goliath-Kräftemessen zwischen Toyota und dem Volkswagenkonzern entschied sich die TMG-Abteilung zu Jahresbeginn für einen unkonventionellen Ansatz. Und reüssierte. Letzten Endes ertrotzte der Hersteller aus Fernost sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurtitel der Langstrecken-WM.

Die Bilanz nach der vergangenen Saison: Toyota errang bei fünf der acht Begegnungen die Siegertrophäe. „Beide Weltmeisterschaften zu gewinnen, das ist eines unserer größten Errungenschaften im Motorsport“, honorierte Teamchef Yoshiaki Kinoshita die Leistung seiner Mannschaft. „Danke an alle, die uns unterstützt und mit uns zusammen auf diesen unglaublichen Erfolg hingearbeitet haben.“

Der diesjährigen Saisonbeginn markierte gleichsam eine Zäsur in der Sportwagen-Königsdisziplin. Ein fortschrittliches Reglement begünstigt hinfort Prototypen, die sowohl energieeffizient als auch schnell sind. Im Unterschied zur Konkurrenz von Audi und Porsche war Toyota allerdings nicht gewillt, auf Leistung zu verzichten. Im März präsentierte TMG zur allgemeinen Verblüffung einen Tausend-PS-Hybridprototyp mit V8-Saugmotor.

Le Mans: Toyota spürt Fallhöhe eines Favoriten

Der anfänglichen Skepsis begegnete Toyota jedoch mit eindrucksvollen Ergebnissen. Entwickelt bei TMG in Köln und eingesetzt von der französischen Oreca-Equipe, untermauerte das multinationale Projekt umgehend seine Ambitionen. Infolge der Kantersiege bei den WM-Begegnungen in Silverstone und Spa-Francorchamps avancierte Toyota zum Hauptfavoriten bei den 24 Stunden von Le Mans. 

Aber Toyota spürte beim Gipfeltreffen im Département Sarthe die Fallhöhe eines Favoriten. Trotz einer dominanten Darbietung scheiterte die Truppe um Yoshiaki Kinoshita aufgrund technischer Ungereimtheiten. Obendrein verlor Toyota ebenso die Revanche in Austin. Beim Heimspiel am Fuji kehrte das pazifische Gespann hingegen zurück auf die Siegerstraße – und verließ diese nicht. Dank weitere Erfolge in Shanghai und Manama manövrierte sich Toyota in eine komfortable Lage für das Finale in São Paulo.

Eigentlich musste die TMG-Abordnung im Autódromo José Carlos Pace bloß mit beiden Besatzungen die Ziellinie überqueren. Dies gelang einwandfrei. Allerdings waren Anthony Davidson und Sébastien Buemi als Fahrerweltmeister in spe schlussendlich nicht imstande, ihren Triumph mit einem weiteren Sieg zu küren – obgleich die Überflieger der letzten Monate ebendiese Aspiration hatten. 

Kein finaler Zweikampf zwischen Porsche und Toyota 

Denn die Verantwortliche fassten den Entschluss, das Sechs-Stunden-Rennen von São Paulo hinter dem Sicherheitsfahrzeug zu beenden. Der Grund: Porsche-Werksfahrer Mark Webber kollidierte beim Einbiegen auf die Start-Ziel-Gerade mit Ferrari-Mitstreiter Matteo Cressoni, woraufhin deren Sportwagen vehement in die Betonmauer einschlugen. Die anschließende Bergung sowie die Aufarbeiten nahmen jedoch fast eine halbe Stunde in Anspruch. 

Die Rennleitung entschied sich allerdings gegen eine Unterbrechung mit der roten Flagge, winkte den Wettstreit stattdessen unter gelber Fahne ab. Somit verhinderten die Vorkommnisse einen finalen Zweikampf zwischen Porsche und Toyota. Zumal das Weissacher Gespann einen Doppelstint riskierte, um die Führung zu verteidigen, wohingegen die TMG-Mechaniker beim letzten Tankstopp frische Pneus montierten. 

Folglich gewannen Neel Jani, Romain Dumas und Marc Lieb die WM-Endrunde in Brasilien, während Davidson und Buemi mit der Silbermedaille vorliebnahmen. „So wollten wir die Hersteller-Weltmeisterschaft eigentlich nicht holen“, räumt Davidson daher ein. „Aber es hat Spaß gemacht, nach dem Sieg zu greifen. Wir hatten gar nicht erwartet, um den Sieg kämpfen zu können. Also war das in gewisser Weise ein Bonus.“ 

Davidson: „Das zeigte, warum wir Weltmeister geworden sind“ 

Aber dies sei ebenjene Attitüde, welche die Titulatur des Weltmeisters rechtfertige. „Das zeigte heute auch, warum wir Weltmeister geworden sind. Denn wir geben uns nie geschlagen“, kehrt Davidson hervor. „Wir machten Porsche bis zuletzt Druck. Auch wenn wir um die Chance gebracht wurden, bis zur Zielflagge zu kämpfen, so hat es doch Spaß gemacht. Glückwunsch an Porsche, die das ganze Wochenende über gute Arbeit leisteten.“ 

Die Stallgefährten Stéphane Sarrazin, Alexander Wurz und Reservefahrer Mike Conway erreichten das Ziel wiederum an vierter Stelle. „Eine gute Saison für Toyota und für mich. Wir sind Hersteller-Weltmeister. Einfach irre“, resümiert Sarrazin abschließend. „Das ganze Team hat so unglaublich hart gearbeitet – nicht nur dieses Jahr, sondern seit Beginn dieses Projekts. Und dies ist nun der verdiente Lohn.“ 

Selbst die Toyota-Chefetage bejubelte den triumphanten Auftritt in der zurückliegenden Saison. „Nach gerade einmal drei Jahren in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft freue ich mich sehr, dass Toyota Racing mit dem TS040 Hybrid sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurtitel erringen konnte“, würdigte Toyota-Präsident Akio Toyoda den Triumph der Außenseiter. „Ich muss meinen aufrichtigen Dank aussprechen: Den Fans für ihren Ansporn und unseren Partnern für ihre Unterstützung.“