Die Erwartungen an die DTM 2012 sind hoch: Mit BMW zurück an Bord steht Europas populärste Tourenwagen-Rennserie scheinbar vor einer Neublüte ihres Daseins. Nach sechs Jahren Tristesse muss sich das Championat jedoch erst wieder beweisen – neue Regeln, neuer Hersteller – alter Glanz?
Audi, BMW, Mercedes – in diesem Jahr werden endlich wieder drei statt zwei Automobilhersteller in der DTM an den Start gehen. Für alle Fans der Serie geht damit ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung, war diese in den letzten 63 Rennen doch nicht mehr als ein berechenbarer wie zäher Zweikampf zwischen den Teams von Audi und Mercedes-Benz. Dass ausgerechnet BMW die durch den Ausstieg von Opel entstandene Lücke füllt, wird mancherorts gar als Wink des Rennsport-Himmels verstanden.
Kraft des Hinzukommens der Weiß-Blauen sind 2012 nämlich alle drei großen Premium-Autobauer aus Deutschland in der DTM vertreten. Insgesamt teilen diese sich bis dato 20 Fahrertitel in der ursprünglichen Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (1984–1994), der darauf folgenden International Touring Car Championship (kurz: ITC; 1995–1996) und der neuen, seit 2000 ausgetragenen Deutschen Tourenwagen-Masters, die aktuell nur noch unter dem Markennamen „DTM“ steht.
Mit neun Meisterschaftspokalen für seine Fahrer ist Mercedes-Benz die Nummer eins in der DTM. Ganze 14 Mal glänzte der Stern sogar in der Jahreswertung der Hersteller an oberster Position – doppelt so häufig wie das Emblem von BMW. Die „Herren der Ringe“ tüteten den Markentitel bis heute nur dreimal ein, doch sie sind die erfolgreichsten DTM-Wettbewerber der jüngeren Vergangenheit.
Gebrauchtwagen-Profi Tomczyk
Unter anderem dank Martin Tomczyk: Zusammen mit Audi Sport Team Phoenix raste der Rosenheimer 2011 zu seinem ersten Gesamtsieg in der DTM. Über eine Dekade gelang ihm dieses Kunststück nicht; erst als er von seinen Chefs in ein älteres Model des Audi A4 DTM degradiert wurde, kam der große Erfolg – für die Marke der vierte binnen der letzten sechs Jahre. Heuer wird Tomczyk jedoch nicht mehr für Ingolstadt, sondern für München ins Lenkrad greifen.
Damit ist er einer der sechs Piloten von BMW, zu denen nebst dem dreimaligen Tourenwagen-Weltmeister Andy Priaulx auch Ex-DTM-Vize-Champ Bruno Spengler gehört. Der GT-erfahrene US-Amerikaner Joey Hand sowie Augusto Farfus, der ebenfalls ein ehemaliger Teilnehmer der World Touring Car Championship (kurz: WTTC) ist, lassen noch einen Platz im Team der DTM-Rückkehrer frei. Wer diesen besetzen wird, ist noch nicht geklärt.
Zuweilen wurde gar der Name Nick Heidfeld mit dem Programm von BMW in Verbindung gebracht, doch auch mit dem von Mercedes-Benz; schließlich arbeitete der 34-Jährige bereits für beide Parteien in der Formel 1. Er selber sei der DTM nicht abgeneigt, verriet der 34-Jährige in einigen Interviews. Bei den Schwaben gelten zumindest noch zwei ihrer acht Cockpits als frei: Gary Paffett, Jamie Green, Ralf Schumacher, Susie Wolff, Christian Vietoris und David Coulthard sind bereits gesetzt.
Auch bei Audi zählt man auf die Namen der letzten Jahre: Den DTM-Doppelmeistern Mattias Ekström und Timo Scheider ist ihr Arbeitsplatz längst sicher; für Jungstern Filipe Albuquerque dürfte Gleiches gelten. Darüber hinaus haben wohl auch Edoardo Mortara und Mike Rockenfeller zwei Cockpits für 2012 gebucht – bei den weiteren der neun zu besetzenden Audi-Plätze scheinen jedoch noch keine endgültigen Entscheidungen gefallen zu sein.
Flacher, breiter, härter – die DTM 2012
Auch bei den neuen Autos für die anstehende DTM-Saison, die ihren Aufgalopp am 29. April wie gewohnt auf dem Hockenheimring zelebrieren wird, sind die To-do-Listen der drei Hersteller noch lang. Die wichtigste aller Aufgaben bezieht sich – bedingt durch zahlreiche neue Regularien – auf die Pneus der rund 460 PS bolzenden, reinrassigen Prototypen, die nun von Hankook und nicht mehr von Dunlop geliefert werden.
So darf während eines Rennens fortan nicht mehr Nachgetankt werden – die Chassis der Wagen, die indes um zirka zehn Zentimeter in die Breite und um gut 20 in die Länge gewachsen sind, müssen demzufolge vom Start weg bis zu 120 Liter Benzin umherchauffieren. Die Reifen werden obendrein mit weniger Abtrieb in schnellen Kurven zu kämpfen haben, da man die Aerodynamik der Boliden zugunsten besserer und härterer Überhol-Action weniger sensibel als noch in den Vorjahren gestaltet hat.
Um den Downforce-Verlust auf der Hinterachse jedoch in Grenzen zu halten, tragen die Renner der neuen DTM-Generation besonders wuchtige Heckflügel, die nahezu doppelt so groß wie diejenigen ihrer Vorgänger sind. Sie stellen jeweils eines von 50 vorgeschriebenen Einheitsteilen an den Fahrzeugen dar, die zur Kostenreduktion in der Entwicklung und im Bau derselbigen eingeführt worden sind. Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich erklärte erst kürzlich, dass man eine Ersparnis von 40 Prozent erreicht habe – ohne dabei Kompromisse bei der Sicherheit für die Piloten eingegangen zu sein.
Damit hat die von dem Internationale Tourenwagen-Rennen e. V. (kurz: ITR) veranstaltete Meisterschaft bereits einen Erfolg in ihrer vermeintlich neuen Ära erreicht, doch wie sehr sich alles Neue in spannenden und unterhaltsamen Rennsport zusammenfügen wird, bleibt abzuwarten. 2012 hat die DTM insgesamt elf Wochenenden Zeit, um an den Glanz alter Tage anzuknüpfen.