Elektroantrieb im Motorsport: Eine lösbare Herausforderung

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Nissan hat angekündigt, im kommenden Jahr mit einem emissionsfreien Fahrzeug in der 56. Garage antreten zu wollen. Doch welche Alternativen stehen dem japanischem Hersteller zur Verfügung? Und welche Vor- und Nachteile hat solch ein Elektrofahrzeug? Eine Analyse der Funktionsweise und möglicher Probleme.

Die Ankündigung und vor allem die Bestätigung durch den ACO kamen ein halbes Jahr früher als bisher: Nissan wagt sich im Jahr 2014 erneut mit einem Prototypen nach Le Mans. Angekündigt wurde ein Fahrzeug für die 56. Garage, welches emmisionsfrei unterwegs sein soll. Mit anderen Worten: Es soll wohl ein Elektrofahrzeug werden.

Unser Bild von Elektrofahrzeugen ist geprägt von langsamen Fahrzeugen, die eher Krankenfahrstühlen ähneln auf der einen, und Superfahrzeugen wie dem Tesla Roadster oder dem Fisker Karma auf der anderen Seite. Wobei Letzerer über einen Motor zur Reichweitenverlängerung verfügt.

In Deutschland kaum bekannt ist hingegen, dass der Renault-Nissan-Konzern schon mit mehreren Elektrofahrzeugen auf dem globalen Markt unterwegs ist. So fahren der Renault Zoe, eine Limousine in der Größe des Laguna, und der Nissan Leaf, ein Kompaktfahrzeug der Golfklasse, schon einige Jahre geräusch- und (lokal) emmisioslos durch die Lande. Somit wäre die erste Frage, ob Nissan das nötige Know-how hat, schon einmal mit einem Ja zu beantworten.

Elektrofahrzeuge schon im Renneinsatz

Tatsächlich traute sich Nissan beziehungsweise deren Ableger Nismo schon mit einem elektrisch angetriebenen Rennfahrzeug auf die Strecke: dem Nissan Leaf Nismo RC. Das Fahrzeug, das auf dem Antriebsstrang des Serien-LEAF basiert und auch dessen Namen und Teile des Aussehens übernahm durfte zwar nicht gegen Gegner antreten, sehr wohl aber von einigen Journalisten mittlerweile probegefahren werden. Außerdem fuhr das Fahrzeug in Le Mans bereits 2011 Demorunden. Rundenzeiten wurden dabei zwar keine gennant, aber alle Journalisten beschrieben das Fahrgefühl als „einzigartig“ und die Performance als „beeindruckend“. Man kann also davon ausgehen, dass das Fahrzeug nicht unbedingt langsam ist.

Auch beim traditionellen Bergrennen am Pikes Peak treten seit einigen Jahren Elektrofahrzeuge an und erreichen dabei beeindruckende Zeiten. Sogar die FIA will eine Elektroserie auf die Beine stellen, dabei aber mit einem Sprintformat. Die Idee scheint also nicht komplett aus der Luft gegriffen.

Funktionsweise

Wie funktioniert aber ein Elektroantrieb? Nun im Prinzip ähnlich wie der Lüfter eines Computers. Es wird Strom in Bewegung umgewandelt. Für moderne Fahrzeuge bietet sich dabei aufgrund der kompakten Bauweise der Synchronmotor an. Dabei handelt es sich um einen drehenden Teil, welcher aus Magneten besteht und einem stehenden Teil, welcher von Spulen gebildet wird, die wiederum ein Magnetfeld erzeugen.

Der Trick beim Synchronmotor besteht nun darin, die Spulen zeitlich hintereinander so anzusteuern, dass der drehende Teil zusammen mit dem Drehfeld hochbeschleunigt werden kann. Aus diesem Grunde muss der Motor zusätzlich mit einem Rotorlagesensor versehen sein, um die richtige Ansteuerung zu gewährleisten. Es ist demnach eine umfangreiche Steuerelektronik zur Erzeugung des Drehfeldes und der Leistung notwendig. Allerdings sind Synchronmotoren auch in Fahrzeuganwendungen heute Stand der Technik, sodass hier lediglich die Adaption auf das Fahrzeug und die gegebenenfalls geforderten hohen Leistungen interessant sind.

Alternativ könnte auch ein Asynchronmotor zum Einsatz kommen. Hierbei werden ebenfalls im stehenden Teil Spulen angeordnet, die Bewegung erfolgt jedoch durch im drehenden Teil induzierte Drehströme. Im Prinzip muss man dieser Motorart nur Wechselstrom mit fester Frequenz vorgeben, die Geschwindigkeit stellt sich dann abhängig von der Belastung von alleine ein. Für den Motorsport sind diese jedoch eher ungeeignet, da sie deutlich schwerer sind als Synchronmotoren, wenn auch billiger und einfacher aufgebaut. Auch ist die Ansteuerung etwas weniger aufwendig. Um die für Fahrzeuganwendungen nötige Feinfühligkeit beispielsweise beim Beschleunigen zu gewährleisten, muss nämlich doch wieder eine Steuerung verwendet werden, welche es ermöglicht, das Drehfeld auch in seiner Geschwindigkeit zu steuern.

Vorteile

Ein Elektroantrieb hat tatsächlich gewisse Vorteile. Das beginnt mit dem Energieverbrauch. Da E-Motoren über große Kennfeldbereiche einen deutlich besseren Wirkungsgrad haben als Verbrennungsmotoren muss weniger Energie mitgenommen werden. Außerdem wird weniger Energie in Wärme gewandelt, was wiederum ein kleineres Kühlsystem erlaubt.

Da der Motor auch als Generator arbeiten kann, kann beim Bremsen zumindest ein Teil der Bewegungsenergie zurückgewonnen werden, vorausgesetzt es befindet sich ein entsprechender Zwischenspeicher an Bord. Ob dies allerdings in Le Mans einen großen Vorteil darstellt, darf bezweifelt werden, da dort nur an wenigen Stellen gebremst werden muss. Trotzdem dürfte es reichen, um den Energiebedarf des Fahrzeugs noch einmal spürbar zu drücken.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Motoren selbst in hohen Leistungsklassen vergleichsweise kompakt, wenn auch schwer sind. Man kann sie also wesentlich freier im Fahrzeug platzieren, auch wenn zumindest Radnabenantriebe im Rennfahrzeug keine gute Idee sein dürften.

Angesichts der Tatsache, dass bereits eine elektronische Steuerung zur Verfügung steht, welche über eine Begrenzung des Stroms oder der Drehfeldgeschwindigkeit direkt Einfluss auf das Verhalten des Motors nehmen kann, lassen sich auch Assistenzsysteme wie der Geschwindigkeitsbegrenzer für die Boxengasse oder eine Traktionskontrolle vergleichsweise einfach installieren. Insbesondere Letztere kann dann auch direkt im Motor realisiert werden und nicht wie heute häufig über einen Bremseingriff. Die Energie wird also wieder besser genutzt.

Nachteile

Der größte Nachteil des Elektrokonzepts ist die Speicherung der Energie. Daher haben selbst modernste Lithium-Ionen-Akkus nur etwa ein Zehntel der Energiedichte herkömmlicher, flüssiger Kraftstoffe. Außerdem reagieren sie sehr empfindlich darauf, wenn die Energie schnell herausgesogen oder hineingebracht werden soll, sie werden dann schnell heiß.

Für das schnelle Speichern und abgeben von Energie sind eigentlich Superkondensatoren, wie sie von Toyota im TS030 eingesetzt werden prädestiniert. Allerdings können diese bei gleichem Gewicht nur rund einen Zehntel der Energiemenge von Lithium-Ionen-Akkus aufnehmen.

Eine sinnvolle Lösung wäre wohl eine Kombination aus beiden Systemen. Superkondensatoren, um Beispielsweise die Bremsenergie aufzunehmen und für schnelle Beschleunigung aus der Kurve und Batterien, um diese zu speisen und den Strom für Konstantfahrten zur Verfügung zu stellen.

Allerdings gibt es dann immer noch das Problem des Gewichts. Ein LMP1 darf heute etwa 60 Liter Diesel mitführen, dies entspricht einem Gewicht von etwa 48 Kilogramm. Nehmen wir an, dass die Energie des Fahrzeugs am Anfang rein in den Batterien gespeichert wäre. So ergibt sich, wenn man davon ausgeht, dass der Wirkungsgrad etwa doppelt so hoch ist wie der des Diesels, ein Batteriegewicht von zirka 240 Kilogramm. Rechnet man noch heraus, dass das Elektrofahrzeug mehr und öfters Energie zurückgewinnen darf als ein LMP1 Diesel, dann benötigt man, um dieselbe Strecke zurückzulegen immer noch eine gut 200 Kilogramm schwere Batterie.

Auch das Laden der Batterie während eines Boxenstopps dürfte wohl nicht möglich sein. Es bleibt also nur eine Batteriewechsel, was wiederum bedeutet, dass die Batterie auf eine Weise im Fahrzeug untergebracht sein muss, dass sie schnell elektrisch, wie auch mechanisch vom Fahrzeug getrennt werden kann. Dabei muss sie aber dermaßen fest in die Struktur des Fahrzeugs eingebunden werden können, dass sie nicht während der Fahrt oder bei einem Unfall verloren geht.

Eine weitere Herausforderung dürfte es sein, derart viel elektrische Energie gegenüber der Außenwelt (Boxentruppe, Streckenposten) abzusichern, um sowohl beim Boxenstopp als auch nach einem Unfall, das Leben der Helfer und des Fahrers nicht zu gefährden. Schon die heutigen Hybridfahrzeuge, deren Energiespeicher wesentlich kleiner sind als das, was Nissan wohl einsetzen wird, erfordern spezielles Handling.

Mutige Entscheidung, aber nicht unlösbar

Alles in Allem erscheint die Entscheidung von Nissan zwar mutig, aber die Probleme, welche auftreten könnten, sind alle lösbar. Bereits heute fahren auch Hybridfahrzeuge immer noch mit Ballastgewichten durch die Gegend, sodass es denkbar wäre, dass eine elektrischer LMP das Mindestgewicht von 900 Kilogramm vielleicht nicht ganz erreicht. Aber auch nicht so deutlich darüber kommt, dass er komplett chancenlos wird. Der Leaf Nismo RC erreicht jedenfalls ein Gewicht von 925 Kilogramm – abseits der Regeln.

Die Erfahrung, welche Nissan bereits auf dem Gebiet von Elektrofahrzeugen hat, ist beträchtlich. Man demzufolge sagen, wenn es jemand glückt, dann in jedem Fall Nissan. Man darf jedenfalls gespannt sein auf die Präsentation des Fahrzeugs und seine Leistung in Le Mans.