Le-Mans-Oberhaus: Glückt Audi der Hattrick erneut?

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Bis dato überflügelte Audi seine Rivalen von Toyota in der Langstrecken-WM. Zudem schicken sich die Ingolstädter an, neuerlich einen Rekord bei den 24 Stunden von Le Mans aufzustellen: den zweiten Hattrick. Doch worin besteht die Chance des pazifischen Autobauers? Die Tankstopp-Strategie könnte kriegsentscheidend sein.

Bereits einmal glückte Audi das Meisterstück: Nachdem der sieggewohnte Konstrukteur aus Ingolstadt zum Millenium eine Siegesserie par excellence einleitete, feierte das Trio Tom Kristensen, Frank Biela und Emanuele Pirro im Jahr 2002 schließlich als erste Besatzung in der Le-Mans-Historie einen Hattrick – drei Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen in der selben Hersteller-Fahrer-Konstellation in Folge.

In dieser Saison schielt Audi bereits auf den zwölften Triumph beim Klassiker an der Sarthe. Obendrein sind die amtierenden Sportwagen-Weltmeister Marcel Fässler, Benoît Tréluyer und André Lotterer in der Lage, den Coup der Altmeister zu wiederholen. „Die beiden Siege in den vergangenen Jahren sind schön und geben uns Selbstvertrauen, und natürlich treten wir an um zu gewinnen“, schildert Lotterer die Ausgangssituation.

Doch die Konkurrenten aus Fernost sind willens, dem Seriensieger aus Bayern die Vormachtstellung auf der Via Regia des Langstrecken-Sports abspenstig zu machen. Wenngleich Toyota nach dem bisherigen Saisonverlauf als Außenseiter in Le Mans antritt, hat der deutsch-japanische Rennstall die Hoffnung noch nicht begraben, sich selbst die französische Krone des Motorsports aufzusetzen.

„Für mich ist Le Mans ein Traum, der Traum vom Siegen“, umschreibt Toyota-Werksfahrer Stéphane Sarrazin den Klassiker an der Sarthe. Zumal sich die Titelverteidiger von Audi ungleich siegesgewiss geben. „Aber man sollte die beiden Erfolge einfach ausblenden und sich auf dieses Jahr konzentrieren“, fügt Lotterer hinzu. „Ins Ziel zu kommen – möglichst ohne Probleme – muss unser erstes Anliegen sein.“ 

Kann Toyota den Nachteil an der Box ausgleichen?

Bis dato konnte Audi seine Führungsrolle in der Langstrecken-WM nichtsdestoweniger unanfgefochten zementieren. Schon beim Auftakt in Silverstone feierten die Herren der Ringe einen triumphalen Doppelsieg; bei der Generalprobe in Spa-Francorchamps bejubelten die Ingolstädter Delegation gar einen Dreifacherfolg. Bei den traditionellen Einstellfahrten auf dem Circuit de la Sarthe rundete der bayrische Konstrukteur seine dominante Vorbereitung letztlich ab. 

Im Endklassement distanzierte sich Audi-Schützling Loïc Duval als Tagesschnellster um sieben Sekunden von der Toyota-Fraktion. Zugleich unterbot der Franzose die schnellste Rundenzeit aus der letztjährige Qualifikation um mehr als eine Sekunde. Ein Fanal. Allerdings ergab sich nach dem Testsonntag ein verzerrtes Bild, da entweder auf nassem Asphalt oder auf abtrocknender Piste gefahren wurde. Erst während der finalen Umläufe zogen die Akteure profillose Reifen auf. 

Überdies mangelt es den Resultaten grundsätzlich an Aussagekraft, da die konkurrierenden Hersteller verschiedene Konfigurationen und Programme erprobten. Ferner greift eine Maßnahme der ACO-Regelhüter im Zuge Fahrzeugeinstufungen frühstens im Rennen: Nachdem Toyota den Automobilklub des Westens aufforderte, das unausgewogene Kräfteverhältnis auszutarieren, genehmigten die Organisatoren dem Autobauer aus Fernost ein größeres Tankvolumen. 

Ergo wird die Anzahl der Boxenbesuche womöglich zu den Determinanten zählen, welche über den Ausgang das Rennens bestimmen. Falls es Toyota gelingt, über den Verbrauch und die Spritmenge, einen Tankstopp einzusparen, kann die TMG-Equipe den Rückstand auf der Strecke gegebenenfalls kompensieren. Seit den offiziellen Probefahrten in Le Mans kursieren etliche Rechenspiele zu dieser Gegebenheit, welche allerdings allein durch einen außerplanmäßigen Stopp oder eine Gelbphase gegenstandslos werden. 

„WEC-Rennen waren nicht repräsentativ“

Die gestählte Audi-Mannschaft vergegenwärtigt sich diese Tatsache Jahr für Jahr. „Es geht um einhundert Prozent perfekte Arbeit“, untermauert Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich. „Wir müssen die Standzeiten in den Boxen auf ein Minimum reduzieren und so versuchen, die Restriktionen auszugleichen, die das Reglement uns auferlegt.“ Zudem betont LMP-Leiter Chris Reinke: „Am Testtag vor einer Woche haben wir über die Kräfteverhältnisse in diesem Jahr noch nicht viel gelernt. Auch die ersten beiden WEC-Rennen waren nicht repräsentativ.“ 

Ferner offenbarte Toyota bei seinem Le-Mans-Debüt in der vergangenen Saison sein tatsächliches Potenzial erst im Rennen. Daher fügen sich die TMG-Schützlinge ihrer Außenseiterrolle. „Das Team ist auf allen Ebenen besser vorbereitet, wir kennen die Herausforderung in allen Belangen, und wir sind bereit dafür“, fasst Toyota-Autler Anthony Davidson zusammen. „Wir werden den bestmöglichen Job machen und so viel Druck wie möglich ausüben, um das bestmögliche Resultat zu erzielen.“

Auch Kollege Kazuki Nakajima verweist auf die akribische Vorbereitung, ist sich des Mankos gegenüber Audi aber bewusst. „Im Vergleich zum Vorjahr sind wir viel besser vorbereitet, doch ich finde, wir müssen noch immer etwas mehr Speed finden und im Rennen Glück haben, um hier siegen zu können“, erklärt der Japaner. De facto ist der Ausgang des Hybrid-Wettstreits im Le-Mans-Oberhaus also offen.

Rebellion visiert Gesamtpodium an

Im Schatten der Werke tragen Rebellion-Toyota und das Honda-Gespann Strakka Racing einmal mehr ihr Gefecht um die Trophäe der Privatiers aus. Obendrein fahren die kleinen Rennställe seit der zurückliegenden Saison nicht mehr bloß um die goldene Ananas, da das 24-Stunden-Rennen von Le Mans als Lauf zur Langstrecken-WM gewertet wird. Deshalb werden auch im Département Sarthe Punkte für die Wertung der privaten Teams vergeben. 

In die Rolle des Favoriten schlüpft fraglos das eidgenössische Rebellion-Ensemble. Die Toyota-Kunden obsiegten sowohl beim Saisonstart in der Grafschaft Northamptonshire als auch beim zweiten Durchgang im Ardenner Wald, wohingegen die britische Strakka-Truppe nach einem Ausfall lediglich als zweiter Sieger vom Platz ging. Damit hat Rebellion Racing auch in der Tabelle eindeutig die Oberhand.

Dementsprechend herrscht Optimismus bei den Schweizern. „Wir reisen mit großer Zuversicht nach Le Mans“, bestätigt Team-Manager Bart Hayden. „Die bisherigen Rennen haben uns bei der Vorbereitung auf die 24 Stunden geholfen. Wir verfolgen das Ziel, unsere maximale Leistung abzurufen und mit ein wenig Glück können wir auf dem Podium landen. Wir betrachten die Resultate in den Jahren 2011 und 2012 (Gesamtrang sechs und vier, Anm. d. Red.) als Minimalziel.“