LMP2 in Le Mans: Die dritte Liga

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22 Prototypen der Kategorie LMP2 werden heuer das berühmteste Langstreckenrennen der Welt unter die Räder nehmen. Gut versteckt hinter dem Blitzlichtgewitter der Profiklassen, LMP1 und GTE-Pro, verspricht die kleine Bande ein spannendes Rennen mit veritabler deutscher Beteiligung.

Die LMP2-Klasse ist vergleichbar mit dem Schauspieler Christoph Waltz in den letzten Tarantino-Filmen. Eigentlich belegen beide eine Nebenrolle. Doch wie Waltz im Film, setzen sich die kleinen Prototypen in das beste Licht und bieten eine Vorstellung, mit der sie den Hauptdarstellern phasenweise den Rang ablaufen. Zudem stellen die Kleinen mit 22 Startern quantitativ das größte Kontingent aller Klassen und somit fast vierzig Prozent des gesamten Feldes.

Einen klaren Favoriten auszumachen fällt indes schwer. Die Siege bei den beiden bisherigen Läufen der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC gingen an ADR-Delta in Silverstone und Pecom Racing in Spa-Francorchamps, die auch als Tabellenführer an die Sarthe reisen. Beide Teams setzen auf ein Oreca-03-Chassis und einen Antrieb aus dem Hause Nissan. Nach wie vor erweist sich diese Kombination in der LMP2 als äußerst konkurrenzfähig.

Während ADR-Delta auf der Fahrerseite den Top-Wagen für die 24 Stunden quasi neu besetzt, setzt Pecom-Chef Luís Pérez-Companc auf Kontinuität. Allerdings wäre es wohl auch töricht, sich von Fahrern des Kalibers Nicolas Minassian und Pierre Kaffer, die zusammen mit dem Teamchef am Steuer des Renners hantieren, zu trennen. Nach dem Sieg in Spa gibt sich Kaffer angriffslustig: „Die LMP2-Klasse ist erstklassig besetzt, es gibt viele hochklassig besetzte Fahrzeuge. Umso wichtiger war unser Erfolg in Spa-Francorchamps. Wir haben gezeigt: Wir sind da! Mit uns muss man rechnen.“

Als zweitbeste Truppe im WEC-Klassement reist Oak Racing an. Im Morgan-Nissan rannten Olivier Pla, David Heinemeier Hansson und Alex Brundle zweimal auf den Silberrang. Beim Testtag an der Sarthe in der vergangenen Woche brannte das Trio die schnellsten Rundenzeiten in den Asphalt der französischen Landstraße. Mit einer schnellsten Runde in 3:38,801 Minuten lag die Truppe auf dem Niveau der schnellsten Vorjahreszeiten. Die Wertigkeit der Test-Zeiten ist aber kaum sinnvoll einzuordnen. Zum Einen fanden sämtliche Sessions unter extrem wechselhaften Bedingungen statt, zum anderen war der Großteil des Feldes mit Abstimmungsarbeiten beschäftigt und schnelle Zeiten standen da kaum auf der Agenda.

Signatech war mit zwei Alpine-Nissan-Prototypen beim Test angereist und gleich die zweit- und drittbeste Zeit gefahren. In der kommenden Woche werden die Franzosen allerdings lediglich einen Wagen in der Besetzung Nelson Panciatici, Pierre Ragues und Tristan Gommendy an den Start rollen. Die Kollegen von Daylisportscar haben die Durchnittszeiten der Protagonisten ermittelt, um allen Wetterbedingungen gerecht zu werden. In dieser Wertung war Alpine am Vormittag am schnellsten.

Lucas Luhr hat sich nach seiner Zeit als Werksfahrer für Porsche und Audi zum Tausendsassa der Sportwagen-Szene entwickelt: Meister der ALMS, im Regen am Ring einer der Besten im Manthey-Porsche und in Le Mans in einem der bestbesetzten LMP2-Boliden. Zusammen mit Oliver Turvey und Simon Dolan startet Luhr im Nissan befeuerten Greaves-Motorsport-Zytek ZN11SN. Ein dritter Platz in Spa und eine solide Vorstellung beim Testtag untermauern die Ambitionen des Teams.

Ebenfalls auf ein Nissan-angetriebenes Zytek-Chassis vertraut Greaves Motosport. Nissan-Werksfahrer Michael Krumm teilt sich das Steuer mit den beiden GT-Acadamy-Absolventen Lucas Ordoñez und Jann Mardenborough. Während Ordoñez in der Vergangenheit schon LMP-Erfahrung sammeln konnte, wurde Mardenborough als Sieger des Konsolen-Wettstreits 2011 nach einem Jahr in der britischen GT-Meisterschaft seit Anfang der Saison in der Formel-3-Europa-Meisterschaft an die Eigenheiten von Groundeffekt-Rennwagen herangeführt.

Ringkämpfer Maxime Martin kommt als Tabellenführer der European Le Mans Series nach Le Mans. Der fahrbare Untersatz des Belgiers ist ein Oreca-03-Nissan des Teams TDS-Racing. Somit sind sicher wieder Glanzpunkte im Bereich des Möglichen. Mit seinen Mitstreitern Pierre Thiriet und Ludovic Badey ist in dem straken Feld aus eigener Kraft aber wohl kein Blumentopf zu gewinnen.

Wie Anfangs schon erwähnt, ist ein klarer Favorit in der Klasse kaum auszumachen. Aus den Bastelbuden vergangener Tage sind unter dem Einfluss der Werke als Motorenlieferanten hochprofessionelle Spitzenteams entstanden. Kleinserienhersteller wie Lotus und Morgan haben die Bühne für sich entdeckt und schicken sich an, die Lorbeeren der kleinen Klasse zu ernten. Die etablierten Chassis-Hersteller wie Oreca und Zytek werden sich aber nicht kampflos die Butter vom Brot nehmen lassen.

Wer sich darauf einlässt, die kleine Klasse intensiv zu verfolgen, wird mit sehenswerten Positionskämpfen und einem Rennverlauf, der Spannung bis zum Ende der 24 Stunden verspricht, belohnt werden.