Langstrecken-WM: Toyota wünscht sich neue Einstufung

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Toyota-Technikchef Pascal Vasselon ging letzte Woche mit der Mitteilung an die Öffentlichkeit, dass sich Toyota eine bessere Einstufung von den ACO-Regelmachern wünscht. Nach Meinung von Toyota ist die Einstufung am bislang mäßigen Abschneiden schuld.

Vergangenen Donnerstag veröffentlichte Toyota eine Pressemitteilung, aus der hervorging, dass sich Toyota aktuell verglichen mit Audi als zu schlecht eingestuft sieht. Teamchef Pascal Vasselon thematisiert, inwieweit Audi über den Winter deutliche Fortschritte in Sachen Motorleistung gemacht habe. Außerdem warf er Audi vor, die Regelhüter beim Rennen in Spa-Francorchamps gezielt über die wahre Leistungsfähigkeit ihres Fahrzeugs getäuscht zu haben beziehungsweise in der Qualifikation gegen die Regeln verstoßen zu haben.

Die Leistungsthematik

Nachdem Toyota im vergangenen Jahr die meisten Rennen nach Le Mans gewinnen konnte, rieben sich einige Leute schon verwundert die Augen, als der ACO bekannt gab, dass Audi noch einmal einige PS lassen muss. Zwar gab es damals schon von einigen Fans den Verdacht, Audi habe Toyota mit Absicht gewinnen lassen und seine Leistungsfähigkeit verschleiert.

In den ersten beiden Rennen dieses Jahres war Audi hingegen dominant. In Ingolstadt war über den Winter einiges entwickelt worden. Der R18 legte an Abtrieb und – entgegen der Intention des ACO – offenbar auch an Motorleistung etwas zu. Vor allem aber in der Leistungsentfaltung tat sich einiges. Kam der Toyota im vergangenen Jahr aufgrund des auf die Hinterräder wirkenden Hybridsystems besser aus den engen Kurven als der Audi, der erst ab 120 km/h seine elektrische Leistung einsetzen darf, hält Audi in diesem Jahr mit und kann Toyota zeitweilig gar ausbeschleunigen.

Gleichzeitig trat Toyota aber in Silverstone nur mit zwei Vorjahreswagen an. Auch in Spa-Francorchamps war nur ein 2013er-Fahrzeug am Start, welches nach vier Stunden ausfiel. Dieses schien in den Trainings chancenlos zu sein, im Rennen konnte die Truppe aber mit Audi mithalten, auch da das Gespann längere Stints fahren konnte. Die höhere Leistung des Audi-Prototyps macht sich nämlich auch deutlich im Kraftstoffverbrauch bemerkbar.

Der Vorwurf von Vasselon lautet nun, Audi habe in der Qualifikation ein wesentlich fetteres Gemisch für mehr Leistung gefahren und im Rennen einen Gang zurückgeschaltet, um einer Anpassungen der Einstufung zu entgehen. Als Indiz führt er einen möglichen Regelverstoß seitens Audi in der Qualifikation an. Laut Toyota zogen Audi in der Qualifikation beim Beschleunigen deutlich Rußfahnen hinter sich her, welche im Rennen nicht mehr da waren. Laut Regeln sind jedoch keine sichtbaren Abgasemissionen erlaubt.

Der Beweis dürfte jedoch schwer fallen. Schon in der Vergangenheit zeigten sich die Regelhüter in diesem Punkt sehr großzügig. Es existieren diverse Bilder des R18-Boliden unter der Dunlop-Brücke in Le Mans, auf der die Rußfahne deutlich zu erkennen ist, ohne dass der ACO einschritt. Außerdem mündet der Auspuff des R18 in diesem Jahr im Bereich des Unterbodens in den Radkästen. Es dürfte sehr schwierig sein, zwischen Ruß und Straßendreck zu unterscheiden.

Die etwas verlangsamte Geschwindigkeit von Audi im Rennen kann aber auch durch einfache Renntaktik bestimmt gewesen sein, nicht, wie Vasselon unterstellt, um einer schlechteren Einstufung zu entgehen. Anders als in anderen Serien darf in der Langstrecken-WM durchaus in der Qualifikation mit anderen Einstellungen gefahren werden als im Rennen. Es kann also durchaus Sinn ergeben, in der Qualifikation etwas mehr zu geben, um die Startposition zu verbessern und im Rennen dann zugunsten von Haltbarkeit und Kraftstoffverbrauch etwas weniger Leistung zu fahren.

Der von Vasselon ins Feld geführte, angebliche Leistungsvorteil der Audi von 80 bis 100 PS erscheint auch ziemlich hochgegriffen. In Silverstone betrug der Unterschied in der Höchstgeschwindigkeit zirka 10 km/h. Zwar fuhr Audi mit mehr Abtrieb, aber für einen Leistungsvorteil in dieser Größenordnung erscheint der Abstand dann doch zu gering.

Dürfen die Einstufungen geändert werden?

Laut den sportlichen Regularien behält sich der ACO das Recht vor, wenn ein Antriebskonzept zwei Rennen in Folge einen leistungsvorteil von mehr als zwei Prozent hat, die Einstufungen anzupassen. Im Falle des Silverstone-Rennens wäre dies ein Vorsprung von fast vier Runden. Dieser wurde jedoch deutlich verfehlt. Ebenso in den Ardennen.

Außerdem räumte sich der ACO vor zwei Jahren umfangreichen Zugang zu den Telemetriedaten der Fahrzeuge ein. Es ist also einsehbar, ob ein Hersteller seine Fahrzeuge bewusst zurückhält. Unter diesen Umständen erscheint ein Eingreifen des ACO doch eher unwahrscheinlich. Auch deshalb, weil Toyotas 2013er-Fahrzeug bei seinem Einsatz in Belgien durchaus mithalten konnte und man davon ausgehen muss, dass die Probleme mit dem Hybridsystem bis Le Mans ausgeräumt sind. Die genaue Leistungsfähigkeit des TS030 in diesem Jahr ist also noch gar nicht bekannt, auch da das eingesetzte Fahrzeug in Spa-Francorchamps schon eher mit einem aerodynamischen Setup für Le Mans als für Spa ausgerüstet war. Eine Anpassung würde also frühestens nach dem Vortest Anfang Juni Sinn haben.

Eine Anpassung der Einstufungen würde den Wert eines möglichen Toyota-Sieges in Le Mans deutlich schmälern. Die Herausforder aus Fernost würden sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, nur wegen der Anpassung der Regeln gewonnen zu haben.