GT-WM in der Krise: Muss „der Stecker gezogen“ werden?

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Vorweg: Die GT-Weltmeisterschaft bietet auch im Jahr 2012 engen, spannenden und überwiegend hochwertigen Motorsport. Doch die Krisensymptome auf organisatorischer Seite sind derzeit nicht zu übersehen. Kann es eine vierte Saison GT-WM geben?

Zu den „hard facts“: Wenn sich bis zum 30. August 2012 nicht zehn Teams für die GT-WM eingeschrieben haben, dann wird die Fédération Internationale de l’Automobile (FIA), der Serie den Status entziehen, so hat es der Automobilweltrat am 15. Juni entschieden. Serienorganisator Stéphane Ratel begrüßte öffentlich gegenüber der englischen Fachzeitschrift Autosport diese Frist, um Planungssicherheit garantieren zu können. Gerade an jener hat es in dieser Saison gemangelt. Ist das Problem lösbar, oder handelt es sich um ein strukturelles Problem, für das es nur einen Lösung gibt: „den Stecker ziehen“, wie im Fahrerlager in Portimão gemunkelt wurde.

Was einst GT1 war …

Bei den Fahrzeugen hatte die GT-WM noch kein ruhiges Jahr: 2010 duften die GT1 noch in Le Mans und der Le Mans Series antreten (es gewann beide Male der Saleen S7R, der in der WM nicht startberechtigt war), 2011 fuhren GT1 nur noch in der WM (Ratel betonte den positiven Faktor der „Exklusivität“ für das Marketing der Serie) und 2012 wurden die Regularien der GT3 für die WM eingeführt, die Klasse GT1 existierte damit nicht mehr. 

An der Frage der Fahrzeuge schieden und scheiden sich die Geister: die sehr teuren (in Anschaffung und Unterhalt), aber höchst spektakulären GT1 vom Schlage eines Maserati MC 12 oder eines Lamborghini Murciélago oder die in Kosten und Auftritt moderateren GT3, wie sie aktuell fast jeder Sportwagenhersteller anbietet? Schon 2011 waren sich die WM-Teams uneins, welches technische Reglement kommen sollte. Die GT3 setzten sich durch – die Vernunft schien gesiegt zu haben. 

… ist jetzt GT3. Oder, etwa nicht?

Allerdings hatte die Serie nun ihr Alleinstellungsmerkmal verloren. Sie nennt sich zwar noch GT1, ist aber technisch GT3. Das ist selbst Motorsportinteressierten schwierig zu vermitteln. Der Plan aus den aktuellen WM-GT3 über mehrere Jahre GT3+ mit mehr Aerodynamik und mehr Leistung zu machen, ist aus Kostengründen auch wieder verworfen worden. Es wird also vermutlich bei GT3 von der Stange bleiben. 

Genau dies ist aber auch ein Vorteil, da weltweit quantitativ ausreichend GT3-Fahrzeuge verfügbar sind, die an einem Wochenende GT-WM und an einem anderen nationale Meisterschaften fahren könnten. Darüber hinaus sind sie optisch und akustisch durchaus akzeptabel. Außerdem hatten kritische Stimmen, die über eine „Altwagen-WM“ spotteten, nicht ganz Unrecht: Die Homologationen der GT1-Fahrzeuge war teilweise noch aus den ersten Jahren nach dem Millenium. An den Fahrzeugen wird es aber wohl nicht scheitern. 

Zehn Marken mit GT3-Fahrzeugen: möglich

Zehn Teams mit zehn verschiedenen GT3-Fabrikaten für eine ganze Saison, die auf drei Kontinenten stattfinden muss, um das Prädikat eine FIA-Weltmeisterschaft zu erlangen, wäre mit GT1-Fahrzeugen nicht zu machen gewesen. Zehn GT-Teams zu versammeln scheint aber fast ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Mit den Ausnahmen des GT Masters (über 40 Wagen) und der Blancpain Endurance Series (über 50 Wagen) sind Gran-Turismo-Starterfelder mit einer einheitlichen Klassenstruktur sehr selten. Auch die „alte“ FIA-GT-Serie hatte selbst zu besten Zeiten (von 1997 abgesehen) bei regulären Rennen keine 20 Fahrzeuge einer identischen Klasse zu bieten. Nur die GT3-EM vermochte dies in den letzten Jahren. 

Unterschiedliche Fahrzeuge und Hersteller sind genug vorhanden: neben den neuen bereits in der GT-WM präsenten gibt es noch den Nissan GT-R (Nissan zog sich nach dem Ende der GT1 komplett aus der GT-WM zurück), die Callaway Corvette Z06R (ein Privatprojekt) und den Alpina-BMW B6 (der „zweite“ BMW neben dem Z4) oder die etwas abwegigeren Jaguar XKR, Morgan Aero Super Sport oder die Viper. Es müssen sich nur Fahrer und Teams finden, die bereit sind, Geld zu investieren – daran wird es wohl scheitern.

Zehn Teams mit 20 Fahrzeugen und 40 Fahrern: schwierig

Ein Blick auf die Entwicklung der Teams in der WM lässt aber nichts Gutes vermuten: Nur Hexis Racing und Münnich Motorsport waren in allen drei Jahren dabei. Von aktuellen Mannschaften sind drei (Sunred Engineering mit Ford, Mühlner Motorsport mit Porsche und LMP Motorsport mit Aston Martin) nur wegen der Finanzierung durch Serienorganisator Ratel dabei. 

Auch dies funktioniert nicht sonderlich gut: Seit dem Slovakiaring-Wochenende fährt kein Aston mehr in der GT-WM (weder DBRS9, noch neuer Vantage, der für Portimão angekündigt war), Sunred reist stets nur mit einem Ford GT an und Mühlner machte technisch in der Slowakei und in Portugal keinen guten Eindruck, da jeweils ein Fahrzeug mit scheinbar schwerwiegenden Motorenproblemen nicht an den Rennen teilnehmen konnte. Lediglich 14 Fahrzeuge bestritten folgerichtig die Wertungsläufe im Autódromo do Algarve.

Aktuell sind es nur fünf solide finanzierte Teams und durch die unruhige Vorbereitung fehlen dem aktuellen Feld der GT-WM bereits einige namhafte Fahrer der letzten Jahre. 20 Fahrzeuge mit 40 Fahrern zu bestücken wird in keinem Falls leicht; schon gar nicht, wenn es mehr kostet als die nationalen GT-Serien oder die GT3-EM – auch wenn deren Zukunft mit dem analogen System von zwei Wagen eines Herstellers pro Team noch finsterer zu sein scheint. Ratel muss also mehr oder minder darauf hoffen, dass enttäuschte Teams und zahlwillige Fahrer aus den aktuell „überbesetzten“ Meisterschaften in die GT-WM wechseln, da sie hoffen, dort ihre Erfolgschancen zu erhöhen.

Saison 2012: wohl gesichert

Münnich-Motorsport-Teammanager Marc Basseng hatte in Portimão keinen Zweifel: „Die Teamchefs ziehen an einem Strang.“ Genau dies – und das Geld der Serienorganisation – hat die GT-Weltmeisterschaft überhaupt in eine dritte Saison gehen lassen. Den GT4-Europacup gibt es seit diesem Jahr nicht mehr, von GT-EM und GT-WM wird wohl maximal eine noch im Jahr 2013 ausgetragen werden. Der FIA sind fünf Mannschaften für die GT-WM zu wenig und selbst Ratel verfügt nicht über unbegrenztes Kapital. Vermutlich wird sich selbst sein Wille den finanziellen Umständen einer krisenhaften Zeit beugen müssen.