Le-Mans-Test: Toyotas umstrittene Favoritenstellung

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Selbst nach der Tagesbestzeit beim Le-Mans-Test bleibt Toyotas Favoritenrolle umstritten. Skeptiker hegen weiterhin Zweifel an der Dominanz des japanischen Konstrukteurs. Audi formuliert wiederum das Ziel, den Titel an der Sarthe zu verteidigen. Derweil relativiert Porsche die Bedeutung der Resultate bei der Probefahrt.

Experten und fachkundige Sportwagen-Kenner sind sich uneins. Einige hieven Toyota in die Position des Favoriten für die 24 Stunden von Le Mans. Andere hegen auch nach dem traditionellen Testtag noch Zweifel. Schließlich stellt sich nach einer Einstellfahrt stets die Frage, inwieweit sich aus den Resultaten das Kräfteverhältnis ableiten lässt. Das tatsächliche Potenzial offenbaren die Hersteller de facto frühstens in der Qualifikation.

Dennoch wurden durch die traditionelle Probefahrt auf dem Circuit de la Sarthe neue Erkenntnisse gewonnen. Beispielsweise unter dem Gesichtspunkt der Höchstgeschwindigkeiten auf der Hunaudières-Geraden: Sowohl Porsche als auch Toyota und Audi erreichen ein Tempo zwischen 330 und 340 Kilometer pro Stunde. Und: Trotz der diametralen Antriebskonzepte und Hybridklassen gelingt allen Herstellern mit einer Tankfüllung eine Distanz von dreizehn Runden. 

Obwohl das TMG-Ensemble nach den WM-Erfolgen in Silverstone und Spa-Francorchamps auch die Tagesbestzeit in Le Mans erzielte, herrscht daher offenbar ein austariertes Kräfteverhältnis zwischen dem Dreigestirn. Also bezieht Toyota doch nicht die Favoritenstellung? Die Führungsriege des fernöstlichen Lager relativiert zwar das Resultat, zieht allerdings ebenso Rückschlüsse auf die Konstellation zwischen den Konstrukteuren.

Chris Reinke: „Wir wollen in zwei Wochen um den Sieg kämpfen“

Toyota ziehe eine positive Bilanz. „Es war nur eine Testfahrt, zeigt also keineswegs das Gesamtbild auf, gab aber Anhaltspunkte, was jeder der Kontrahenten in etwa kann“, urteilt Team-Präsident Yoshiaki Kinoshita. „Wir kamen gut vorbereitet hierher und das Team leistete abermals großartige Arbeit. Wir können gut gelaunt abreisen, und es wächst die Entschlossenheit, bis zum Ende des 24-Stunden-Rennens weiter so gute Arbeit abzuliefern.“ 

Titelverteidiger Audi kommuniziert derweil in Worthülsen. „Unsere Fahrer, das Audi Sport Team Joest und alle Mitarbeiter von Audi Sport haben heute ein ehrgeiziges Programm vollständig umgesetzt und damit wertvolle Arbeit geleistet“, kommentierte Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich die Prüffahrt an der Sarthe. „Damit hat die Mannschaft unsere Erwartungen erfüllt. In der verbleibenden Woche bis zur Veranstaltung werden wir diese Daten nun auswerten, um für alle drei Rennwagen eine optimale Abstimmung zu finden.“ 

Dessen Kollege und LMP-Leiter Chris Reinke ergänzt zudem: „Wir haben mit dem Testtag ein langes und ausführliches Erprobungsprogramm abgeschlossen. Wir gehen mit dem Gefühl in die Rennwoche, gründlich vorbereitet zu sein. Wir wissen, wie hart Le Mans in diesem Jahr wird.“ Erwähnt aber auch: „Wir alle richten unsere gemeinsame Arbeit nun auf einziges großes Ziel aus – wir wollen in zwei Wochen um den Sieg kämpfen.“

Andreas Seidl: „Platzierungen spielten für uns heute keine Rolle“

Porsche äußert sich von offizieller Seite wiederum gar nicht zur Favoritenfrage. Stattdessen untermauert Teamchef Andreas Seidl den planmäßigen Verlauf der Generalprobe. „Wir sind mit einer langen Liste an offenen Punkten nach Le Mans gekommen und konnten sie komplett abarbeiten, ohne Überraschungen zu erleben“, resümiert er den Testtag. „Beide Autos liefen ohne Probleme. Alle Fahrer kamen zum Einsatz.“

Überdies hat Porsche zwei verschiedene Programme bewältigt. „Mit dem Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 14 haben wir bereits am Vormittag erste Reifenvergleiche angestellt, die Nummer 20 widmete sich Fahrwerks- und Aerodynamik-Set-ups“, erläutert Seidl. „Am Nachmittag war es genau anders herum. Die Platzierungen spielten für uns heute keine Rolle. Fahrer, Ingenieure Mechaniker: Das ganze Team konnte sich auf das bevorstehende Rennen gut vorbereiten.“

Das Fazit der alljährlichen Vorbereitungsfahrt im Nordwesten Frankreichs: Die Akteure werfen weiterhin mit Nebelkerzen. Toyotas Favoritenstellung bleibt trotz der bisherigen Achtungserfolge umstritten. Aber: Die Ergebnisse untermaueren die enormen Leistungsdichte und das Kräftegleichgewicht, welches im Sportwagen-Oberhaus herrscht. Es wird fraglos unterhaltsam.