Alexander Kraß: „Nordschleife und GT3 können zusammenpassen“

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Seit dem schweren Unfall des Nissan-Fahrers Jann Mardenborough, bei dem am Streckenabschnitt Flugplatz ein Zuschauer ums Leben gekommen ist und weitere verletzt wurden, ist am Nürburgring eine Sicherheitsdiskussion entbrannt. Diese dreht sich vor allem um die GT3-Fahrzeuge und das momentan bei Rennveranstaltungen geltende Tempolimit an bestimmten Abschnitten der Nordschleife. Ein Kommentar.

Alexander Kraß betreibt die Historie-Webseite www.nordschleifologie.de und war selbst Augenzeuge des Unfalls. Auf SportsCar-Info äußert er seine Gedanken zur aktuellen Situation.

Am 25. April fand mit dem zweiten VLN-Lauf 2015 das erste Rennen auf der Nordschleife mit Tempolimit statt. Motorsport und Tempolimit – ein krasser Widerspruch. Immer wieder hört man von Fans, dass sie nicht zum 24-Stunden-Rennen fahren werden, da sie dieses Tempolimit als Farce sehen. Betrachtet man jedoch die Alternativen wie beispielsweise ein Verbot der Topklassen, wird schnell klar, dass das Tempolimit die einzige Möglichkeit ist, in der kurzen Zeit am Beginn der Saison Bestandssicherung zu betreiben und Motorsport auf der Nordschleife weiterhin möglich zu machen.

Mit dieser Sicherheitsdiskussion befinden wir uns an einem sensiblen Punkt, der in der Tragweite nicht unterschätzt werden darf. Jegliche Entscheidungen, die in den nächsten Wochen und Monaten getroffen werden, können massive Auswirkungen auf den Motorsport am Nürburgring haben. Vor allem die oft geforderten Entschärfungsmaßnahmen an der Strecke, wie beispielsweise das Abtragen von Sprungkuppen, bergen Gefahrenpotential für den Nürburgring.

Diese würden Wesen und Seele der Nordschleife als „schönste und schwierigste Rennstrecke der Welt“ verwässern: Die besonderen Gegebenheiten der Nordschleife mit ihren Sprungkuppen, uneinsehbaren Kurven und vielen anderen einzigartigen Merkmalen sind Markenzeichen und Identität des Nürburgrings. Diese Identität darf nicht angerührt werden, damit der besondere Reiz und das Alleinstellungsmerkmal als wahrhaft schwierigste Rennstrecke der Welt gewahrt bleiben. Hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen wie Position von FIA-Zäunen, Reifenstapeln, Leitplanken und so weiter gibt es auch an der Nordschleife noch genug Potential, die Sicherheit zu erhöhen, ohne den Asphalt anzurühren und damit die Streckencharakteristik zu verändern.

GT3 modifizieren statt verbieten

Die GT3-Renner auf der Nordschleife zu verbieten, halte ich für ebensowenig zielführend. Ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des Langstreckensports würde damit wegfallen, zudem würde auf lange Sicht die Weiterentwicklung der Rennfahrzeuge aus den anderen Fahrzeugklassen dazu führen, dass wir in einigen Jahren nochmals vor der gleichen Problematik stehen wie heute – Rennwagen werden schließlich nicht langsamer. Eine Lösung der Sicherheitsproblematik sehe ich in einer Modifikation des Langstreckenreglements.

Die GT3- und andere Fahrzeugklassen mittels Begrenzung der Leistung und der Aerodynamik einzubremsen, würde die Rennen nicht nur sicherer machen, sondern auch für eine Annäherung der „kleinen“ und „großen“ Rennfahrzeuge sorgen, was das Renngeschehen an sich noch spannender machen würde. Ob als absolute Rundenzeit am Ende eine 7:58 oder eine 8:30 Minuten auf der Uhr steht, wird dem einzelnen Fan an der Strecke in der Performance der Fahrzeuge nicht auffallen – die Sicherheit an der Strecke würde es jedoch deutlich erhöhen.

Immer wieder in seiner Geschichte stand der Nürburgring vor schwierigen Entscheidungen, um Motorsport auf der Nordschleife weiterhin ermöglichen können – keine dieser Entscheidungen wurde über Nacht getroffen. Ein Tempolimit auf einer Rennstrecke mag irritieren, ist aber gleichzeitig angesichts der Kürze der Zeit vor dem 24-Stunden-Rennen die einzige Möglichkeit, dieses großartige Event und auch weitere Rennen im bekannten Ausmaß stattfinden zu lassen. Der Verpflichtung, einerseits angesichts der Ereignisse vom 28. März zu handeln und andererseits eine ausgewogene, durchdachte Lösung zu finden, kann sich der Motorsport am Nürburgring nicht entziehen – ein gesundes Reduzieren der Performance an der Spitze des VLN-Feldes ist eine veränderbare Entscheidung, eine Änderung der Strecke wäre endgültig.

Im Hinblick auf das bevorstehende 24-Stunden-Rennen sei gesagt: In der aktuellen Situation geht es um mehr als nur ein Tempolimit in bestimmten Abschnitten, nämlich um die Zukunft des Langstreckensports auf der Nordschleife. Dessen Attraktivität zu erhalten und gleichzeitig die Identität des Nürburgrings zu bewahren, ist eine Gratwanderung – mit überlegten Entscheidungen und der Unterstützung der Fans aber eine durchaus lösbare Aufgabe.