Shanghai: Setzt Toyota seine Dominanz fort?

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Nach der Demonstration beim Heimspiel stellt sich in Shanghai die Frage: Setzt Toyota seine Dominanz in der Langstrecken-WM auch beim Viertelfinale fort? Audi befürchtet wiederum, erneut mit der Streckencharakteristik zu hadern. Ist Porsche daher in der Lage, sich als zweistärkste Kraft zu behaupten?

Ehe das finale Saisonviertel anbricht, verweilt die Langstrecken-WM zunächst in Ostasien und begibt sich ins Reich der Mitte. Nächstes Etappenziel: die Zwanzig-Millionen-Einwohner-Metropole Shanghai. Nachdem Tabellenführer Toyota beim Heimspiel am Fuji zuletzt geradezu eine Demontage der Konkurrenz von Audi und Porsche glückte, sind die Erwartungen zwar immens, aber keineswegs realitätsfern.

Schließlich war das TMG-Gespann trotz des dominanten Auftretens bei den bisherigen Läufen nicht imstande, die Spitzenposition im Wettstreit um die Titulatur des Sportwagen-Weltmeisters zu festigen. „Nach unserem Doppelsieg in Japan reisen wir mit maximaler Zuversicht nach Shanghai“, räumt Teamchef Yoshiaki Kinoshita ein. „Doch wir müssen uns ganz auf das bevorstehende Rennen fokussieren. Wir dürfen auf der Jagd auf den WM-Titel jetzt nicht nachlässig werden.“

In Zahlen ausgedrückt: Obwohl Toyota sowohl in der Fahrer- als auch der Konstrukteurwertung am Stirn des Klassements rangiert, sind die Abstände zu Konkurrent Audi marginal. Gegenwärtig führen Anthony Davidson und Sébastien Buemi mit achtundzwanzig Punkten Vorsprung auf die Ringträger André Lotterer, Benoît Tréluyer und Marcel Fässler. Die Differenz im Herstellerduell: lediglich acht Zähler.

Nicolas Lapierre fehlt erneut im Toyota-Kader

Daher wagt Toyota eine bedingt selbstbewusste Vorhersage. „Unser TS030 Hybrid zeigte in der Vergangenheit beeindruckende Leistungen in Shanghai“, erinnert sich Kinoshita an die vergangenen Begegnungen in China, weiß aber über die Stärken seiner Rivalen. „Wir hoffen, der TS040 Hybrid vermag, diese Tendenz fortzusetzen. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir erneut harte Konkurrenz durch Audi und Porsche zu erwarten haben.“ 

Zudem hat Toyota einen personellen Schnitt vorgenommen. Bereits beim Wertungslauf in Oyama verzichtete Nicolas Lapierre aus „privaten Gründen“ auf einen Star verzichtet. Mittlerweile hat der Hersteller aus Fernost den Franzosen für die verbleibenden Veranstaltungen der diesjährigen Saison beurlaubt, weil Davidson und Buemi das Restprogramm allein bestreiten sollen. Offiziell bezog TMG jedoch keine Stellung.

Und wie gedenkt Audi, sich indes für die Schmach am Fuji zu revanchieren? Am Fuße des heiligen Berges haderte der Titelverteidiger aus Ingolstadt bekanntermaßen mit der Streckencharakteristik, die leistungsstärkere Hybridsysteme begünstigt. Das Problem: Auch der Shanghai International Circuit umfasst zahlreiche sehr lange Geraden, welche für die Marke mit den vier Ringen einen offenkundigen Nachteil bergen.

Ralf Jüttner: „In der vergangenen Saison war Shanghai nicht einfach für uns“

Kann Audi den Verlust in den Geradeauspassagen also in den gekrümmten Abschnitten – Stichwort „Schneckenkurven“ – kompensieren? „Schon in der vergangenen Saison war Shanghai nicht einfach für uns, trotzdem haben wir gewonnen“, meint Teamdirektor Ralf Jüttner. „Wir konnten in der zweiten Rennhälfte mit den sich ändernden Streckenbedingungen und cleverem Reifenmanagement das Blatt zu unseren Gunsten wenden. Das war ein sensationeller Erfolg, der für uns in diesem Jahr ein großer Ansporn ist.“ 

Zumal Audi unentwegt hervorkehrt, inwieweit China einen der „wichtigsten Märkte“ für den Automobilbauer aus Bayern darstellt. „Das WEC-Rennen in Shanghai hat für uns einen besonderen Stellenwert“, erklärt Chris Reinke als Technischer Leiter. „China ist als Markt längst eine Art zweite Heimat von Audi geworden. Weil wir stets offen empfangen werden, kommen wir mit viel Begeisterung dorthin. Auch wenn die Voraussetzungen alles andere als einfach sind, wollen wir, wie schon vor einem Jahr, um die Spitze kämpfen.“

Porsche trachtet derweil danach, sich im Konzert der Hersteller als zweistärkste Kraft zu etablieren. „Jede Strecke ist eine neue Herausforderung für unser junges Team mit dem Porsche 919 Hybrid“, merkt Einsatzleiter Fritz Enzinger nichtsdestoweniger an. „In Fuji haben wir das sehr gut gemeistert, die Lernkurve von den ersten Runden bis zum Rennen war extrem steil. Wir hoffen, dass uns das auf dem völlig andersartigen Kurs in Shanghai auch gelingt.“

Wer setzt sich im Duell der VW-Schwestern durch?

Ambitionen in der Meisterschaft hegt Porsche wiederum keine mehr. Beim Viertelfinale in der Debütsaison des Rückkehrers aus Stuttgart-Zuffenhausen verbucht die Werksabordnung bereits vierundsiebzig Punkte Rückstand auf Klassenprimus TMG aus Köln. In der Fahrerwertung belegen Marc Lieb, Neel Jani und Romain Dumas wiederum den sechsten Platz – der Unterschied zu den Spitzenreitern: fünfundvierzig Punkte. 

Nach der desaströsen Darbietung seitens Audi stellt sich in Shanghai dennoch die Frage: Wer setzt sich im Duell der Volkswagen-Schwestern durch? Audi oder Porsche? „Für den 919 ist in diesem Jahr jede Rennstrecke neu, und entsprechend viel Zeit müssen wir zu Beginn des Wochenendes in die Abstimmungsarbeit investieren“, urteilt Timo Bernhard nüchtern. „Angesichts der Leistungsdichte in der LMP1 ist das kostbare Zeit, die wir jedes Mal aufholen müssen.“

Ferner betreten Brendon Hartley und Romain Dumas in der chinesischen Großstadt Neuland. „Ich bin noch nie in Shanghai gefahren, aber Mark sprach sehr positiv über die Strecke“, äußert sich Hartley daher im Vorfeld, bleibt aber zuversichtlich. „Fuji kannte ich auch nicht, ehe wir dort ankamen und habe mich durch den Simulator recht gut vorbereitet gefühlt. Das wird auch diesmal nützlich sein.“