Chaos in Spa: Sind GT3-Sportwagen zu gefährlich für Amateure?

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Die Abendstunden in Spa-Francorchamps hatten einen ungeliebten Hauptdarsteller: das Safety-Car. Fast die Hälfte der ersten vier Stunden des Rennens verbrachte das Feld hinter den beiden Führungsfahrzeugen, bevor ein schwerer Unfall zwischen zwei Ferrari für den traurigen Höhepunkt der Unfallserie sorgte und zum Rennabbruch führte.

Die gute Nachricht vorweg: In einer offiziellen Meldung hat der Veranstalter SRO mitgeteilt, Marcus Mahy habe im Krankenhaus von Lüttich eine Operation gut überstanden und sei auf dem Wege der Genesung. Mahy war in jenen schweren Unfall im Bereich der Stavelot-Kurven in den frühen Abendstunden bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps verwickelt und musste schwer verletzt aus dem Wrack des Kessel-Racing-Ferraris geborgen werden. Nachdem er an der Strecke versorgt und in einen stabilen Zustand versetzt werden konnte, wurde er mit dem Helikopter in die Klinik des nahegelegenen Lüttich geflogen.

Auch GT-Corse-Teamchef Danny Pfeil meldet, sein Fahrer Vadim Kogay, der ebenfalls an dem Unfall beteiligt war und aus dem Wrack seines brennenden Ferrari geborgen wurde, habe inzwischen das Aachener Krankenhaus wieder verlassen. Der Unfall in Stavelot, dessen Hergang bislang nicht abschließend geklärt wurde, war der Höhepunkt einer Reihe von teils spektakulären Zwischenfällen in der Anfangsphase des Langstreckenklassikers.

Eine Stunde und 51 Minuten verbrachte das Feld bei insgesamt vier Safety-Car-Phasen hinter den beiden Führungsfahrzeugen. Dreimal ging der Neustart schief und jedes Mal mussten die Wagen mit den gelben Lampen zurück auf die Strecke, weil havarierte GT-Rennwagen und Trümmerteile im Weg lagen. Besonders heftig wurde es beim dritten Versuch, als gleich fünf Wagen in der berühmten Eau-Rouge-Passage zerstört wurden.

Zuvor schaffte Karim Ojjeh im McLaren die Durchfahrt der Eau Rouge nicht, während der BMW-Profi Jörg Müller beim Anbremsen der La-Source-Haarnadel einen wehrlosen Ferrari aus dem Weg räumte. Beim ersten Versuch eines Neustarts erwischte es den McLaren-Piloten Tim Mullen im Hochgeschwindigkeitsabschnitt Blanchimont so schwer, dass auch er zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht wurde. Gottlob wurde der Brite am Abend dort wieder ohne schlimme Verletzungen entlassen.

Kritik an der GT3 und den Herrenfahrern  

Nach dem Rennen wurde Stimmen laut, die teils die GT3-Klasse an sich aber auch die Kompetenz vor allem der Amateurfahrer in Frage stellten. In der Tat kam ein großer Teil der an den Unfällen beteiligten Personen aus dem Lager der sogenannten Herrenfahrer. Die einhellige Meinung in vielen Foren und sozialen Netzwerken: Die Amateure sind mit den hochentwickelten GT3-Boliden überfordert.

Fakt ist: Die meisten von uns haben noch einen GT3 im Renntempo bewegt und werden dies sicherlich auch nie tun. Von außen ist es also schwer zu beurteilen, wo genau die Problematik liegt. Es scheint aber, dass ein gewisser Anteil des Feldes zumindest mit bestimmten Situationen im Rennwagen überfordert ist. Die GT3-Wagen sind inzwischen aerodynamisch hoch Effizient. Mit hohem Anpressdruck werden Kurvengeschwindigkeiten erreicht, die bei „normalen“ Wagen die Reifen hoffnungslos überfordern würden.

Reißt dieser Anpressdruck aus irgendeinem Grund ab, wird es gefährlich. Hier ist am Steuer eine erfahrene Hand gefragt, die es vorzugsweise gar nicht erst zu einer solchen Situation kommen lässt. In Spa kam hinzu, dass die Pirelli-Einheitsreifen während der langsamen Runden hinter den Führungsfahrzeugen massiv an Temperatur und somit an Grip verloren hatten. Auch hier ist Erfahrung gefragt. Zum einen in dem Wissen, wie man die Reifen im richtigen Moment wieder in ihr Arbeitsfenster bringt, zum anderen im Gefühl dafür, ob sie dieses schon erreicht haben oder ein zunächst reduziertes Tempo die klügere Option sein könnte.

Spa hat aber gezeigt, dass auch Profis nicht vor solchen Fehlern gefeit sind. Müller rauschte nach einem der Neustarts in das Heck eines vor ihm fahrenden Ferrari. Da die Bremsleuchten an Müllers BMW hell leuchteten, sollte ihm kein Sekundenschlaf unterstellt werden. Vielmehr scheint es, dass weder Reifen noch Bremsen ihre optimale Temperatur erreicht hatten.

Zudem sind solche Neustarts von Natur aus kritisch. Die Fahrzeuge liegen eng beieinander und so mancher Versuch, auf den ersten Metern gleich mehrere Plätze zu gewinnen. Diesen Ansatz griff Joe Osborne von MP Racing bei den Kollegen von Radio Le Mans auf: „Ich denke, wir sollten über die Einführung von Code 60 nachdenken. In Dubai passieren solche Vorfälle nicht.“

Die Herrenfahrer und der GT-Sport

Viele Außenstehende fordern aber nun die Hürden, um an solchen Rennen teilnehmen zu dürfen, für Amateure höher zu legen. Die Herrenfahrer gehören jedoch seit jeher zum GT-Sport dazu und sind Teil seines Erfolges. Sicher auch, was den wirtschaftlichen Aspekt angeht. Der Ausschluss der Amateure würde vielen Teams die Existenzgrundlage entziehen. Auch Stéphane Ratel hebt in seinen Pressekonferenzen immer wieder hervor, dass die Klassenstruktur mit reinen Profibesatzungen, gemischten Mannschaften und reinen Amateur-Teams ein wichtiger Teil der GT3-Kultur ist.

Auch eine Art Ligasystem wird immer wieder gefordert. Hier hat die Entwicklung der GT3 ihre einstige Bestimmung im Tiefflug überrollt. Ursprünglich sollte die GT3-Klasse den Einstieg in den GT-Sport darstellen und den Fahrern ermöglichen, sich für höhere Aufgaben in der GT1- oder GT2-Klasse zu qualifizieren.

Mit dem Wegfall der GT1, der Entwicklung der GT2/GTE zum fast reinrassigen Werkssport und nicht zuletzt der mittlerweile fast grenzenlosen Auswahl an GT3-Fahrzeugen flogen diese Pläne komplett in die Tonne. Eine Lösung könnte in der Wiederbelebung der GT4-Klasse liegen. Aber hier fühlt sich seit Jahren niemand ernsthaft berufen, diese Klasse auf eine solide Basis zu stellen.

Am Ende liegt es aber an den Teamchefs. Diese müssen entscheiden, ob ein Rennwagen-Lenker außer dem erforderlichen Budget auch die entsprechenden Fähigkeiten mitbringt, in einem Rennen wie in Spa zu bestehen. Und wir können sicher sein, dass dies auch im Interesse der Teams ist. Denn auch wenn Versicherungen oder die prall gefüllte Kasse der Fahrer die Schäden zunächst begleichen. Der Ruf, ein Crash-Team zu sein und Fahrer, die unzufrieden sind, weil sie durch die Unfälle der Kollegen nicht zum Einsatz kommen, haben selten zu dauerhaft wirtschaftlichem Erfolg geführt.