Le-Mans-Zukunft: Konkurrenz für das LMP1-Herstellertrio?

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Gerüchte um Ferrari; Lotus und Perrin auf Kundensuche: Zieht das energieeffiziente Le-Mans-Reglement tatsächlich neue Hersteller und Konstrukteure ins Prototypen-Oberhaus? Wer bietet Audi, Toyota und Porsche zukünftig die Stirn? Eine Bestandsaufnahme zur Sommerpause.

Gewichtsreduzierung, regulierter Treibstoffverbrauch und Förderung von Hybridtechnologien: Der ACO garantiert mit einem originären Reglement ab der kommenden Saison Chancengleichheit. Kleine Hersteller mit begrenztem Budget seien in der Lage, künftig mit finanzstarken Werken zu konkurrenzieren. Diese Ankündigung regt bei zahlreichen Konstrukteuren die Hoffnung, bei den 24 Stunden von Le Mans einen Achtungserfolg erzielen zu können.

Darum bietet das 2014er-Regelwerk bereits Diskussionsstoff en masse, ehe die Neuerungen in Kraft getreten sind. Während einige Hersteller ihr Engagement offiziell prononciert haben, kursieren über andere diverse Gerüchte. Mittlerweile sind über zehn Kandidaten für ein Programm im Prototypen-Oberhaus im Gespräch. Die progressiven Regularien werfen aber zugleich die Frage nach dem passenden Motorenkonzept auf, worüber die Konstrukteure wiederum den Mantel des Schweigens hüllen.

Denn: In Zukunft schreiben die Regelhüter vor, welche Menge an Kraftstoff pro Runde verbraucht werden darf. Ergo profitieren diejenigen, welche sowohl schnell als auch sparsam sind. Um den Privatiers noch einen Bonus einzuräumen, müssen die Prototypen der Werksmannschaften mehr Gewicht auf die Waage bringen. Für welchen Antrieb entscheiden sich Audi, Toyota und Porsche also? Und wer leistet dem Trio in den nächsten Jahren tatsächlich Gesellschaft? 

Audi und Toyota setzen auf Kontinuität

Branchenprimus Audi bewahrt abermals Stillschweigen über sein Zukunftspläne. Bislang verlautbarte der Konstrukteur aus Ingolstadt keinerlei Eckdaten zu seinem Prototyp, welcher nach den künftigen Regularien entwickelt wird. Lediglich beim traditionellen Le-Mans-Test erprobte Audi mit Reifenpartner Michelin eine neue Pneugeneration, welche in der kommenden Saison zum Einsatz kommen soll. 

Verschiedenen Medienberichten zufolge sei das Motorenkonzept jedoch seit geraumer Zeit abgesegnet. Gegenüber den Kollegen von „Motorsport-Total.com“ verriet Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich gar: „Es geht nur um Details. 95 Prozent stehen fest.“ Demnach werde Audi neuerlich einen Selbstzünder konstruieren, wohingegen fraglich sei, ob der Dieselantrieb an ein Hybridsystem gekoppelt wird. 

Toyota hat derweil ebenfalls die Entwicklung seines neuen Prototyps intensiviert. Darum hat der japanisch-deutsche Rennstall sein Engagement in der Langstrecken-WM auf einen Boliden reduziert. In seinem Presseschreiben stellte Toyota allerdings bloß Nicolas Lapierre und Alexander Wurz als Entwicklungsfahrer auf und offenbarte keine technische Einzelheiten. Angeblich vertraut TMG aber erneut auf einen V8-Saugmotor.

Porsche mit Vier-Zylinder-Motor?

Rekordsieger Porsche kehrt im nächsten Jahr nach über einer Dekade Abstinenz zurück zu alter Wirkungsstätte, um sich im internen Wettstreit Konzernschwester Audi zu stellen. Zwar bemüht sich der Zuffenhausener Traditionshersteller um eine dramatische Inszenierung, doch technische Details von offizieller Seite sind bis dato rar. Daher präsentierte Porsche seinen Prototyp medienwirksam in der Woche vor den 24 Stunden von Le Mans auf seinem hauseigenen Testgelände, doch verschwieg in seinem Kommuniqué was sich unter der Motorhaube verbirgt. 

Nach den Informationen des Magazins „sport auto“ hat Porsche einen Vier-Zylinder-Turbomotor entwickelt, welcher vermutlich einen Vorteil gegenüber des Saugmotors genießt, auf den Konkurrent Toyota voraussichtlich zurückgreift. Denn die Regelhüter haben bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine neue Spezifikation der Kraftstoffe festgesetzt, wonach das Benzin ein deutlich höhere Klopffestigkeit aufweist, was dem Turbolader-Konzept nach Expertenmeinungen zupass komme. 

Indes versetzte eine weitere Nachricht die Sportwagen-Szene in Aufruhr: Zunächst kursierte die Meldung durchs weltweite Netz, die russische Equipe SMP Racing kokettierte damit, ein privates Ferrari-Projekt in der LMP2-Riege auf die Beine zu stellen. Sodann kolportierte „auto motor und sport“ die Nachricht, Ferrari plane gar werksseitig ein Engagement bei den 24 Stunden von Le Mans – allerdings erst im übernächsten Jahr.

Bewegen Ferrari politische Gründe zu einem LMP-Einstieg?

Demzufolge trieben Ferrari gar politische Beweggründe an, in die Le-Mans-Branche umzusteigen. Die Rennwagen-Manufaktur aus Maranello wolle die Formel-1-Verantwortlichen unter Druck setzten, was die derzeitigen Zustände in der vermeintlichen Königsklasse betreffe – Austragungsorte ohne Tradition und finanzielle Schieflage zahlreicher Teilnehmer. Andererseits ermöglicht das neue F1-Motorenkonzept, eine erschwingliche Umrüstung zu einem LMP1-Antrieb. Nichtsdestotrotz erscheint diese Ankündigung zweifelhaft – allein angesichts des Zeitplans, wonach die definitive Entscheidung erst Ende diesen Jahres fallen solle. 

Überdies liebäugeln offensichtlich rund zehn weitere Hersteller mit einem Programm im Prototypen-Oberhaus. Wie viele der potenziellen Kandidaten tatsächlich beim Klassiker an der Sarthe antreten, lässt sich derzeit nur schwierig beantworten. Realistische Chancen hat allerdings der Zusammenschluss von Rebellion und Oreca. Das eidgenössische Gespann und der französische Rennfahrzeughersteller proklamierten Anfang Juni ein Gemeinschaftsprojekt: den Rebellion R-One.

Einen fertigen Fahrzeugentwurf hat wiederum Perrinn, sucht aber noch einen Kunden. „Der Markt ist klein, aber wir glauben, es gibt einen Markt“, gibt sich Unternehmensgründer Nicolas Perrin gegenüber „Autosport.com“ dennoch zuversichtlich. „Wir sind überzeugt, einen Käufer zu finden; wir sind mit den richtigen Leuten im Gespräch.“ Dem LMP1-Renner könne sowohl ein herkömmlicher Verbrennungsmotor als auch ein zwittriger Hybridantrieb verpflanzt werden.

Dome tendiert zur LMP2, Pescarolo bleibt hartnäckig

Die britische Traditionsmarke Lotus und der Münchner Konstrukteur Adess sind ebenfalls noch auf der Suche nach einem Käufer. Nach dem Eklat in der Le-Mans-Woche dürfte es sich allerdings schwierig gestalten, einen Abnehmer zu finden. Adess-Vorsitzender Stéphane Chosse unterstellte seinen Geschäftspartnern von Lotus-Praga, Rechnungen nicht beglichen zu haben und ließ durch einen Gerichtsvollzieher Fahrzeugteile beschlagnahmen. Der Zivilgericht entschied schlussendlich zugunsten von Lotus.

Im Rahmen der 24 Stunden von Le Mans kursierte zudem das Gerücht durchs Fahrerlager, BMW habe ein Auge auf das LMP-Geschäft geworfen, was Nährboden für Spekulationen bot. Weitaus weniger spekulativ sind die Informationen von „Dailysportscar“ über Oak Racing, dessen Entwicklungen im Windkanal zu vierzig Prozent abgeschlossen hätten. Allerdings suchten die Eichen ebenfalls noch Partner für ihr Vorhaben. Unterdessen tendierte Dome dazu, ein Fahrzeug für die LMP2-Kategorie zu entwerfen.

Darüber hinaus wagt Henri Pescarolo einen abermaligen Anlauf, beim Langstreckenrennen im Département Sarthe anzutreten. Gemäß „Autosport.com“ plane der Franzose einen Prototyp in Eigenregie zu entwickeln. Die Frage der Finanzierung solle bis September diesen Jahres geklärt werden – vier Millionen Pfund benötige die Le-Mans-Ikone, um das LMP1-Programm zu bewerkstelligen.

Zu guter Letzt sind die Pläne zweier Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne noch mit einem Fragezeichen zu versehen: Honda und Nissan. Letzterer hat augenscheinlich mit dem ACO vereinbart, einen Prototyp für die Saison 2015 auf Kiel zu legen, sofern der Le-Mans-Veranstalter die 56. Garage für Nissan im nächsten Jahr reserviere. Den Prototyp, welchen Nissan schließlich in Le Mans präsentierte, basiert auf dem DeltaWing. Honda wolle wiederum lediglich als Motorenlieferant fungieren.