Das größte Gesprächsthema beim ADC GT Masters war in letzter Zeit ein gewisser BoP. Dieser BoP ist aber mitnichten ein Reggae-Künstler der siebzieger Jahre. Vielmehr ist BoP eine hochkomplexe technische Angelegenheit, die seinerzeit mit der Gründung der GT3-Klasse salonfähig wurde.
Als Stéphane Ratel vor einigen Jahren die Idee kam, eine weitere GT-Rennklasse als Unterbau für seine FIA-GT-Serie ins Leben zu rufen, dachte er an kostengünstigen Motorsport für Amateure und Einsteiger. Der Cup-Porsche sollte als Basis für das Leistungsniveau herhalten, das Reglement einfach und somit attraktiv für Tuner und Hersteller sein.
Die Idee ging auf. Die GT3-Klasse ist heute ein Kassenschlager. Die Renner fahren in vielen Ländern in nationalen Meisterschaften und sogar die GT-WM hat die GT3 übernommen. Die Blancpain Endurance Series und das ADAC GT Masters boomen mit Starterfeldern von bis zu 50 und mehr Startern. Neben Bentley, die in Kürze den Continental GT3 vorstellen werden, sollen drei weitere Hersteller an GT3-Rennwagen arbeiten, sodass in absehbarer Zeit bis zu 16 unterschiedliche Hersteller bei den Rennen zu sehen sein könnten.
Diese vielen verschiedenen Wagen wollen aber nun alle unter einen Hut gebracht werden. Unterschiedliche Antriebskonzepte mit Sechs-, Acht-, Zehn- oder Zwölf-Zylinder-Motoren in Front-, Mittel- oder Heckmotor-Bauweise mit und ohne Turbo-Aufladung stellen sich dem Wettbewerb. Zu allem Übel haben die Renner auch noch spezifische Stärken und Schwächen, die auf unterschiedlichen Strecken jeweils Vor- oder Nachteile bedeuten. Ganz zu schweigen von völlig unterschiedlichen Grundkonzepten der Serienmodelle. Beispielsweise stammt ein BMW Z4 aus einer ganz anderen Fahrzeugkategorie und vor allem auch Preisklasse, als ein McLaren MP4-12. Gegen den aerodynamisch ausgereiften, britischen Hightech-Boliden wirkt der Serien-Bayer fast plump.
Da es aber kein technisches Reglement gibt, welches genau vorschreibt, was für den Rennwagen genau verändert werden darf, wie dies in den älteren GT-Klassen der Fall war, können die Hersteller diese spezifischen Nachteile schon bei der Konstruktion der Renner ausmerzen. Anschießend werden alle Wagen durch die Balance of Performance mittels der Stellschrauben Gewicht, Luftmengenbegrenzer, auch Restriktoren genannt, und Ladedruck bei den Turbos auf ein einheitliches Leistungsniveau gebracht.
Als Basis zum Austarieren dient ein Vergleichstest am Anfang der Saison, bei dem ein Fahrer alle Wagen auf einer Strecke fährt und danach die Rundenzeiten ausgewertet werden. Die Technik-Kommission erhält weiterhin Zugang zur kompletten Datenaufzeichnung, sodass grobe Ausreißer in der Balance auch während der Saison behoben werden können. Das hat in der Anfangszeit der GT3-Kategorie auch wunderbar funktioniert. Die größte Spielwiese der Klasse war damals die GT3-Europameisterschaft.
Hier waren fast ausschließlich Amateurfahrer am Start. Diese konnten sich im bestehenden Rennwagenangebot frei bedienen. Schließlich konnte man theoretisch mit jedem Fabrikat um den Sieg fahren. In der Zwischenzeit haben die großen Hersteller die Klasse als Geschäftsfeld entdeckt und wollen natürlich ihre Interessen gewahrt sehen. Das GT Masters mit seinem TV-Paket und der für GT-Verhältnisse guten Vermarktung hat sich zur Spielwiese der besten Profis aus der GT-Szene gemausert.
Anders als die Amateure bringen diese hochtalentierten Rennfahrer ihr Renngerät regelmäßig an die Grenzen der Leistungsfähigkeit und kleine Fehler bei der Einstufung, zum Beispiel ein zu hohes Gewicht, werden schonungslos aufgedeckt. Nun ist es aber nicht die Aufgabe der Balance of Performance starke und schwache Fahrer anzugleichen. Vielmehr sollten alle mit den gleichen Grundvoraussetzungen an den Start gehen. Naturgemäß führt dies immer wieder zu Streit und unendlichen Diskussionen.
GT-Masters-Mercedes-Fahrer Kenneth Heyer hat die Problematik im Interview mit SportsCar-Info auf den Punkt gebracht: „Die Gefahr ist, dass zum Beispiel 40 Fahrzeuge für im Schnitt 250.000 Euro im Parc-Fermé des ADAC GT Masters stehen, dazu die selbe Summe an Aufliegern und Teamhardware, plus Einsatzkosten. Das machen mal eben so schlappe 35 Millionen Euro, die da gedreht werden. Das Problem: Mindestens 20 Autos fahren nach jedem Wochenende unzufrieden nach Hause.“
Was bei den Amateuren bestens funktioniert hat, stößt bei den Profis an seine Grenzen. Aktuell fühlen sich die Lamborghini-Teams ungerecht behandelt. Hans Reiter und Gottfried Grasser zogen ihre italienischen Stiere für den Rest der Saison zurück. Beide gaben als Grund unter Anderem eine falsche Einstufung an. Aber auch der Yokohama-Einheitsreifen macht den Sportwagen aus Sant’Agata Bolognese Probleme.
Womit wir beim nächsten Dilemma wären. In den unterschiedlichen Rennserien werden verschiedene Reifenfabrikate eingesetzt. Es kann also durchaus vorkommen, dass ein Wagen in der einen Serie der Konkurrenz um die Ohren fährt, während dasselbe Modell in einer anderen Serie ohne Chancen bleibt, weil der Reifen einfach nicht zur Charakteristik des Wagens passt. Ein direkter Vergleich zwischen zwei verschiedenen Rennserien ist deshalb kaum möglich. Es macht also keinen Sinn zum Beispiel die Blancpain-Serie als Referenz in seine Argumentation einzubeziehen, weil dort völlig andere Reifen gefahren werden. Für das GT Masters bedeutet das, wer mit den Yokohama-Pneus nicht klar kommt, hat zunächst einmal ein Problem.
Die Diskussion über BoP ist schon ein alter Hut
Nach dem Motto „Alle Jahre wieder“ wird die Dikussion über die Einstufung immer wieder aufgekocht. Freilich werden mitunter die Rollen vertauscht. Anfang der 2011er Saison war der heute anscheinend chancenlose Gallardo so überlegen, dass die Teamchefs der Konkurrenz beim Lauf in Zolder geschlossen bei der Rennleitung vorsprachen und damit drohten, das Sonntagsrennen zu boykottieren, falls sich an der Einstufung des Lamborghinis nichts ändere. Die Streitfrage ist also nicht ganz neu.
Ab der Saison 2012 hat der DMSB die Verantwortung für die Balance of Performance im ADAC GT Masters übernommen. Zuvor war die SRO mit dem Segen der FIA bei dem Thema tonangebend. Der Wechsel zur deutschen Motorsportbehörde war nicht ganz unumstritten, macht aber bei genauerer Betrachtung durchaus Sinn. In keiner anderen GT3-Serie sind die Leistungsdichte und das Niveau der Teilnehmer so hoch wie in der deutschen GT3-Meisterschaft. Außerdem fungiert Yokohama als exklusiver Lieferant der Einheitsreifen. Die Anforderungen an die BoP sind also etwas spezieller, als auch in der Blancpain-Serie oder der GT-WM.
Betrachtet man die Sache von außen ohne Emotionen, so muss man der Technikkommission eine gute Arbeit attestieren. Auch wenn es sicherlich noch Potential für Verbesserungen gibt. Unter den besten zehn des GT-Masters finden sich sechs verschiedene Hersteller. Die ersten Vier der Tabelle haben vor dem letzten Lauf auf dem Hockenheimring noch theoretische Chancen auf den Titel. Zumindest bei den ersten Drei ist diese Hoffnung durchaus berechtigt und nicht nur mathematischer Natur.
Ein Blick in die Balance of Performance im Verlauf der Saison zeigt, dass fast ständig an den Stellschrauben Gewicht und Restriktorgröße gedreht wird, um das Feld auf ein Niveau zu bringen. Auch dem Lamborghini wurde im Laufe der Saison mehrere Zugeständnisse gemacht. Für die Runde am Ring wurde nochmals der Restriktor vergrößert, was aber bekanntermaßen für Reiter und Grasser nicht mehr zum Tragen kam. In der folgenden Tabelle sind zum besseren Verständnis alle Änderungen der Balance of Performance zwischen zwei GT-Masters-Rennveranstaltungen rot markiert (ein Klick auf die Tabelle zeigt die vergrößerte Ansicht).
Geht es auch ohne BoP?
Immer wieder werden speziell in den Fan-Foren des World Wide Web Stimmen laut, die eine Abschaffung der Balance of Performance fordern. Frei nach dem Motto „der Bessere möge gewinnen“. Klar ist aber, dass dann der Großteil der jetzigen GT3-Boliden verschwinden würde. Die so beliebte Markenvielfalt wäre Geschichte und die Rennen würden jenen aus der Endphase der GT1-Kategorie ähneln. Da die Hersteller nicht mehr gewillt waren, neue teure Renn-Boliden auf Kiel zu legen, mit denen zudem kein Geld zu verdienen war, starb die Königsklasse des GT-Rennsports einen langsamen, zähen Tod, begleitet von Häme und Spott ob des Alteisens, welches dort bewegt wurde.
Die GT3 allerdings boomt weiter. Auch dank der Balance of Performance, die es eben jedem Hersteller erlaubt, sein Topmodell einzubringen. Seien es Supersportwagen wie der McLaren MP4-12 oder eher hochbeinige Sport-Limousinen vom Schlage eines Nissan GT-R. Auch für Tuner ist die Klasse weiter interessant. Reiter und Callaway sind GT3-Akteure der ersten Stunde und dieses Jahr debütierte die schweizer Emil-Frey-Truppe mit ihrem Jaguar.
Speziell im GT Masters werden sich die Teamchefs im Winter ihre Gedanken machen, ob die Unzufriedenheit über die Einstufung wirklich so groß ist, dass es besser wäre in eine andere Serie zu wechseln. Allerdings durfte dann auch ins Kalkül fallen, dass es in Europa wohl keine bessere Plattform gibt, sich im GT-Bereich zu präsentieren. Mit TV-Paket und allem, was dazu gehört.
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