LMP1-Primus Audi hat, wie erwartet, das Sechs-Stunden-Rennen von Silverstone gewonnen. Toyota hat den Kampf beim vierten Lauf der Langstrecken-WM allerdings über lange Zeit offen gehalten, der am Ende über den Spritverbrauch entschieden wurde. Ferrari triumphiert bei den GT.
Die Premierensaison der Langstrecken-WM hat die Saisonhälfte erreicht und wird nach diesem Rennen Europa verlassen. Was wir aber aus dem Aufgalopp im „Home of British Motor Racing“ mitnehmen können ist, dass die LMP1-Kategorie nicht im Ansatz so einseitig ist, wie nach dem Ausstieg von Peugeot vermutet wurde. Schon in Le Mans zeigte Toyota über die Distanz eines WEC-Rennens, dass sie Audi das Feld nicht überlassen – auch wenn sie dann das Pech verfolgte. Dies bestätigten die Japaner in Silverstone, wenngleich Audi das Rennen gewann.
Denn an der Vorgabe, den Ingolstädtern das Leben so schwer wie möglich zu machen, ließen Toyota Motorsport und das Einsatzteam Oreca auch in Silverstone keinen Zweifel. Zwar startete Alexander Wurz von Rang drei in das Rennen, allerdings ließ er schon auf den ersten Metern Tom Kristensen im konservativen Audi R18 ultra hinter sich.
Im Folgenden begab sich der Österreicher auf die Jagd nach Polesitter André Lotterer, welchen er im Verkehr überrumpeln sollte. Danach begann der Strategiekrieg zwischen den beiden Herstellern. Der Toyota TS030 war zwar über eine Runde gesehen schneller als beide Audi R18, konnte aber mit einer Tankfüllung nur 23 bis 24 Runden fahren. Begründen kann man dies durch mehr Abtrieb am Renner aus Fernost. Das Le-Mans-Siegerfahrzeug mit der Startnummer eins – ein R18 e-tron – schaffte 27 Runden, der herkömmliche Diesel-R18 sogar 28.
Allerdings beschränkten sich die Führungswechsel mit zunehmender Renndauer, je nach Boxenstoppzyklus, zwischen Lotterer, Benoît Tréluyer und Marcel Fässler im R18 e-tron sowie Wurz, Kazuki Nakajima und Nicolas Lapierre im Toyota, da Kristensen und Allan McNish mit ihrem Wagen zu viel Zeit verloren.
Zwischenzeitlich schaffte es das Team um Pascal Vasselon den deutschen Kontrahenten in Fehler zu zwingen. Tréluyer touchierte beim Überrunden den Ferrari von Krohn Racing und bekam dafür eine Stop-and-Go-Strafe. Kristensen legte einen zusätzlichen Stopp ein, weil die Telemetrie einen schleichenden Plattfuß meldete. Am Ende konnten die Mannen aus Japan ihren Geschwindigkeitsvorteil aber nicht nutzen, da sie einmal öfter an die Box mussten.
Damit gewinnen Lotterer, Tréluyer und Fässler vor Wurz, Nakajima und Lapierre sowie Kristensen und McNish. Somit übernehmen die Sieger auch die Führung in der Fahrerwertung. In der Herstellerwertung kann Audi nach vier Rennen schon nicht mehr vom Thron gestoßen werden. Die Wertung der privaten LMP1-Teams konnte Rebellion Racing einmal mehr für sich entscheiden, obwohl Danny Watts im Strakka-HPD am Ende bis auf 0,627 Sekunden aufschloss.
LMP2: ADR-Delta hält Meisterschaft offen
Die zahlenmäßig stärkste Klasse waren in Silverstone die LMP2. Dennoch schaffte es niemand so richtig, die beiden Tabellenführer Starworks Motorsports und ADR-Delta in die Bredouille zu bringen. Le-Mans-Sieger Starworks schaffte es schon am Samstag seine gute Performance auch auf der britischen Insel umzusetzen und sicherte sich mit der Pole die beste Ausgangslage auf den nächsten Sieg.
Allerdings verloren sie im Rennen mehr Zeit, als ihnen lieb war und mussten deshalb die Führungsarbeit noch vor der Rennhalbzeit an ADR-Delta abgeben. In der Folge fanden sich die US-Amerikaner im vorderen Mittelfeld der LMP2 wieder. Das Ergebnis korrigierten allerdings die beiden professionellen Fahrer Ryan Dalziel und Stéphane Sarrazin. Am Ende hatten sie noch einen Rückstand von 5,653 Sekunden auf Jan Charouz, Tor Graves und John Martin.
Dennoch gewannen die Tabellenzweiten im Oreca-Nissan aus der Kooperation von Alan Docking Racing und Delta Motorsport. Dalziel, Sarrazin und Vicente Potolicchio mussten sich mit dem zweiten Platz begnügen, was aber die Verteidigung der Tabellenführung bedeutete. Dritter wurde ein Signatech-Oreca-Nissan, der allerdings – im Gegensatz zu seinem Schwesterwagen – keine Punkte sammeln darf. Das heißt, Pierre Ragues, Roman Rusinov und Nelson Panciatici dürfen sich zwar einen Pokal in die Vitrine stellen, helfen ihrem Team aber nicht von Tabellenplatz sechs nach vorn zu kommen.
GTE: Ferrari mit Traumwochenende
Die Roten aus Maranello holten die Klassensiege in gleich beiden GTE-Divisionen und kommen auf diese Weise der Herstellermeisterschaft unaufhaltsam näher.
Im Rennen der GTE-Pro waren zudem klare Parallelen zum LMP1-Kampf zwischen Peugeot und Audi erkennbar. Allerdings war erst einmal ein anderer vorne: Es war der Nummer-77-Porsche des Teams Felbermayr-Proton, der sich in der gestrigen Qualifikation die Poleposition sicherte. Diese konnte er auch anfänglich in die Führung ummünzen, allerdings verloren Marc Lieb und Richard Lietz noch vor der Drei-Stunden-Marke bei einem Reparaturstopp wegen einer gebrochenen Hinterradaufhängung viel Zeit.
Damit übernahm Aston Martin Racing das Zepter, die zuvor Gimi Bruni und Giancarlo Fisichella von Platz zwei vertrieben hatten. Der Vantage V8 war bei seinem Heimspiel zwar schnell, aber auch genauso durstig, was ihm am Ende zum Verhängnis wurde. AF Corse konnte hingegen mit langen Stints einen großen Vorsprung herausfahren, was ihnen letztlich zum Sieg verhalf. Den Doppelsieg der Ferraristi komplettierten die Gaststarter von JMW Motorsport, die ebenfalls vom Zusatzstopp des Aston Martin profitierten.
In einem spannenden Schlussprint schloss Stefan Mücke noch einmal auf Andrea Bertolini auf, der bis dato im zweiten AF-Corse-Ferrari Dritter war. Die Anfahrt zu „Vale“ wurde beiden allerdings zum Verhängnis, als Mücke sich auf der Außenseite neben Bertolini setzte und sich dann beide berührten. Dabei verlor der Ferrari-Mann seinen Wagen und landete im Kiesbett – er beendete das Rennen nicht. Den letzten Podiumsplatz erbten Stefan Mücke, Darren Turner und Adrián Fernández.
Auch die GTE-Am-Klasse war nach einer Aston-Martin-Pole über weite Strecken des Rennens in Ferrari-Hand. Marco Cioci übernahm noch vor der Halbzeit den Platz an der Sonne und behauptete diesen mit den Teamkollegen Piergiuseppe Perazzini und Matt Griffin bis zum Fallen der Zielflagge. Zwar versuchte die Larbre-Mannschaft um Julien Canal, Fernando Rees und Patrick Bornhauser den Anschluss zu halten, allerdings mussten sich die französischen Corvette-Kutscher um fast eine Minute geschlagen geben. Dritte wurden Christian Ried, Gianluca Roda und Paolo Ruberti, die in der letzten Stunde noch einen Angriff auf Larbre starteten, aber dann eine halbe Minute verloren.
Den nächsten Auftritt hat die Sportwagen-Weltmeisterschaft am 15. September in São Paulo auf der Formel-1-Rennstrecke Autódromo José Carlos Pace. Dies ist zugleich das erste Gastspiel einer Le-Mans-Serie in Südamerika, seit die LMS in der Saison 2007 dort ihr Finale bestritt.
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