Le-Mans-Oberhaus: Toyota fordert Rekordsieger Audi heraus

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Das Département Sarthe ist seit einem Dezennium Audi-Terrain. Doch im Wettstreit der Hybridtechnologien zeigt sich Toyota gewillt, die Ingolstädter Dominanz bei der Jubiläumsauflage der 24 Stunden von Le Mans zu brechen. Wer erkämpft die französische Krone des Motorsports?

Vorhang auf für das neue Duell der Langstrecken-Bühne: Audi versus Toyota. Die 24 Stunden von Le Mans werden ihrem avantgardistischen Renommee abermals gerecht. Seit nunmehr fast einem Jahrhundert erproben Hersteller ihre originären und fortschrittlichen Konzepte am längsten Tag des Jahres für den profanen Straßengebrauch. Heuer haben die technischen Entwicklungen das nächste Stadium erreicht.

Die Titelverteidiger von Audi schicken erstmals einen Hybrid-Rennwagen auf die Landstraßen im Nordwesten Frankreichs. Die Mission des zwittrigen Selbstzünders lautet, einen weiteren Meilenstein im Département Sarthe zu markieren. Jedoch sind die Ingenieure aus Fernost willens, den Audianern ihre Vormachtstellung in Le Mans abspenstig zu machen. Denn Antagonist Toyota schickt ein entsprechendes Benzin-Pendant in die Schlacht um die französische Krone des Rennsports.

Zehnmal wanderte der Pokal während der vergangenen zwölf Jahre nach Bayern. Einzig die Konzernschwester Bentley und Erzrivale Peugeot entthronten die Herren der Ringe jeweils für ein Jahr. Damit gewannen lediglich die Landsmänner von Porsche das 24-Stunden-Rennen von Le Mans häufiger als die Audianer – in Summe feierten die Stuttgarter nicht weniger als 16 Triumphe in Le Mans. 

Langstrecken-Asse in beiden Lagern 

Beim Zusammentreffen der Sportwagen-Elite rekrutieren die beiden Kontrahenten ihre Besatzungen logischerweise aus hochkarätigen Fahrern. Die Audi-Speerspitze – der e-tron-Renner mit der Startnummer eins – wird von dem im letzten Jahr siegreichen Dreigestirn André Lotterer, Marcel Fässler und Benoît Tréluyer pilotiert. Das zweite Elektrovehikel bewegt wiederum Le-Mans-Connaisseur Tom Kristensen mit dem Audi-Urgestein Rinaldo Capello und dem schottischen Hasardeur Allan McNish. 

Obendrein werden die Ingolstädter Hybrid-Flundern von zwei konventionellen R18-Heizölrennern flankiert. Die überarbeitete Version des herkömmlichen Dieselrenners wird von dem Trio Marc Gené, Romain Dumas und Loïc Duval einerseits und dem dreiköpfigen Gespann Marco Bonanomi, Mike Rockenfeller und Oliver Jarvis andererseits gesteuert. Die Aufstockung auf eine Flotte von vier Boliden verdankt Audi unter anderem der Absage von Peugeot. 

Die Konkurrenz aus dem Pazifikraum bediente sich indes an dem ehemaligen Kader der Löwen. Im Cockpit des TS030 mit der Kennziffer sieben wechselt sich Alexander Wurz mit Nicolas Lapierre und Kazuki Nakajima ab. Die Schichten im zweiten Wagen teilen sich Anthony Davidson, Alexander Wurz und Stéphane Sarrazin. Letzterer ist in letzter Sekunde bei Starworks abgesprungen, um bei den Japanern anzuheuern.

Spritverbrauch als Zünglein an der Waage? 

Da die Karten angesichts der innovativen Motorenkonzepte neu gemischt wurden, erweisen sich jedwede Bemühungen seitens des ACO, das Kräfteverhältnis zwischen Selbstzündern und Ottomotoren auszutarieren, als Makulatur. Lediglich das Rendezvous der Hybrid-Pioniere während der Le-Mans-Testfahrten gibt erste Aufschlüsse über die Befähigung der konkurrierenden Antriebssysteme. 

Insbesondere ein Blick auf die Boxenstopp-Rhytmen verblüfft manchen Analytiker. Obwohl die Tankvolumina von 65 auf 60 respektive 58 Liter reduziert wurden, waren sowohl der konventionelle als auch der zwittrige R18-Renner in der Lage, im Schnitt zwölf Umläufe mit einer Füllung zu drehen. Das bedeutet eine Runde mehr als noch in der letzten Saison. Die Toyota-Flitzer schafften im Mittel bloß elf Umrundungen. Somit dürften die Asiaten in puncto Spritverbrauchen bereits einen enormen Nachteil haben.

Honda und Rebellion im Benzinsektor federführend

Im Schatten der Werke fahren neuerlich die Privatiers ihr Rennen im Rennen. Ambitionen, den Primat der Konstrukteure anzufechten, wären im Grunde illusorisch. Deshalb tragen Rebellion-Toyota, die Honda-Delegationen Strakka und JRM, Oak Racing und die Pescarolo-Mannschaft ihren eigenen Wettstreit im internen Duell der konservativen Ottomotoren aus. Im bisherigen Saisonverlauf setzten insbesondere die Rebellen und die Honda-Akteure einige Ausrufezeichen. 

Das britische Strakka-Trio Jonny Kane, Nick Levntis und Danny Watts zementierte bei den Le-Mans-Testfahrten neuerliche seine Favoritenrolle, indem die Inselsportler die schnellste Rundenzeit im Benzinsektor erzielten. Dabei fehlte den Honda-Kutschern allerdings fünfeinhalb Sekunden auf das Audi-Schlusslicht, was die Kluft zu den Werksmannschaften verdeutlicht. Bei der Generalprobe in den Ardennen hat wiederum die eidgenössischen Gegenspieler die Nase vorne, während in Sebring beide Rennställe noch mit der Zuverlässigkeit haderten. 

Die Fahrerbesetzungen der Rebellion-Lola-Renner formieren sich aus Nicolas Prost, Neel Jani und Nick Heidfeld (Startnummer zwölf) respektive Andrea Belicchi, Harold Primat und Jeroen Bleekemolen (Startnummer 13). Dieses Sextett sollte überdies das JRM-Gespann auf der Rechnung haben. Das zweite Honda-Ensemble David Brabham, Karun Chandhok und Peter Dumbreck leistete sich in Spa-Francorchamps bereits auf dem Weg zur Startaufstellung ein Malheur, weshalb die Truppe aus der Boxengasse starten musste. Dieser Rückstand konnte im Laufe des Rennens nicht aufgeholt werden, jedoch zeigte die JRM-Mannschaft bei den Probefahrten ihr Potenzial. 

Erste Eskapaden bei Pescarolo 

Ein gewaltiges Fragezeichen schwebt derzeit noch über der Pescarolo-Equipe. Zudem erlebte die Traditionsmannschaft rundum Le-Mans-Legende Henri Pescarolo bereits vor einer Woche eine erste Aventüre. Nachdem Roald Goethe, der Besitzer des Pescarolo-03-Prototyps, Stammfahrer Julien Jousse durch Stuart Hall ersetzt hatte, klagte der Franzose gegen seinen Rennstall. Infolgedessen wurden beide Fahrzeuge von der Justiz konfisziert. 

Obgleich die beiden Automobile noch am selben Abend freigegeben wurden, kann dieses Intermezzo als Menetekel gedeutet werden. Der neue Pescarolo-Bolide, welcher folglich von Hall, Emmanuel Collard und Jean-Christophe Boullion kutschiert wird, wurde nämlich mit Ach und Krach rechtzeitig zum Le-Mans-Test fertig und hastete den restlichen Benzinfahrzeugen noch ungefähr drei Sekunden hinterher. 

Pescarolos Geheimwaffe, das Dome-Judd-Coupé, gab bisweilen eine weitaus bessere Figur ab. Seji Ara und Nicolas Minassian mogelten sich beim Vortest noch vor JRM und hielten den Anschluss an die Rebellen. Am nächsten Wochenende wird das Duo von Sébastien Bourdais ergänzt. Beim Debüt in Belgien kämpfte die Ingenieure dagegen noch mit Kinderkrankheiten. Ferner verlor das Team wichtige Testzeit, da der Prototyp bei einer seiner ersten Ausfahrten heftig verunfallte. 

Zu guter Letzt wird die Runde der LMP1-Mannschaften von Oak Racing komplettiert. Die erste Hiobsbotschaft mussten die Eichen bereits vergangene Woche verkünden: Da sich Guillaume Moreau bei seinem Testunfall schwerwiegend verletzte, kann der Langstrecken-Routinier nicht an der Hatz teilnehmen. Stattdessen wird der Stammpilot von Franck Montagny vertreten. 

Bis dato konnten die Kollegen Betrand Baguette und Dominik Kraihamer allerdings noch nicht überzeugen. In Spa-Francorchamps und in Le Mans hielten die Oak-Chauffeure nur bedingt mit der Konkurrenz Schritt. Letztendlich musste der Pescarolo-Judd beim zweiten Lauf der Sportwagen-WM gar mit einem Aufhängungsschaden die Segel streichen. In Sebring sorgte ein Motorschaden für das vorzeitige Aus.