GTE-Pro: Das „Who’s Who“ der GT-Szene

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Der längste Tag des Jahres steht an, und die Elite des GT-Zirkus gibt sich die Ehre an der Sarthe, um die Krone der Gran Turismos zu vergeben. Neun Fahrzeuge von vier namhaften Herstellern haben sich angekündigt.

Die Gran Turismo, oder einfach GT, können ihre Abstammung von Straßenwagen nicht verbergen – wollen sie auch gar nicht. Das tun sie aus gutem Grund. Schon seit der ersten Ausgabe im Jahr 1923 sind von der Straße stammende Fahrzeuge in Le Mans willkommen. Mit dieser Tradition wurde bis heute nicht gebrochen. Allerdings hat die Klassenstruktur seitdem einige Veränderungen mitgemacht.

Eine richtige GT-Klasse gibt es seit 1993 wieder beim 24-Stunden-Klassiker in Westfrankreich. Diese überzeugt seitdem durch hochklassigen Motorsport und konnte für einige Überraschungen sorgen, wie 1995, als ein McLaren F1 aus der GT-Klasse den Gesamtsieg einfuhr.

Seit 2011 hat die GT-Klasse den Namenszusatz „E“, welcher für Endurance (engl.: Ausdauer) steht. Um in dieser Klasse zugelassen zu werden, müssen von der Straßenversion mindestens hundert Wagen gebaut worden sein. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Diese betreffen kleine Hersteller, welche nur 25 Wagen gebaut haben, müssen Autos aus Karbon, welche bereits 300 Mal als Straßenversion gefertigt sein müssen.

Bevor die GTE eingeführt wurde, gab es die Klassen GT1 und GT2. Da allerdings die SRO die GT1 für die GT-Weltmeisterschaft reservierte, riss sich der ACO die GT2 unter den Nagel und nannte sie, wie bereits erklärt, GTE. Doch auch diese Klasse wurde noch einmal unterteilt: In GTE-Pro und GTE-Am.

„Pro“ steht dabei für professionell. Diese Klasse ist für Wagen vorbehalten, die oftmals von Werken unterstützt werden oder die das Werk selbst einsetzt. Das bedeutet auch keine Beschränkungen bei der Fahrerwahl, so können alle drei Kutscher den FIA-Status „Platin“ haben, welches die höchste Kategorie ist. Diese sind nicht wenige – ganze 19 von 27 Piloten. Um diese Kategorie soll es sich in diesem Bericht drehen.

Neun Wagen – Vier Hersteller – Prestige pur

Ferrari, Corvette, Porsche und Aston Martin – jede dieser Marken klingt wie Musik in den Ohren jedes Autoliebhabers. Anders ist es nicht bei den Motorsportfans, die sich bei jeder Vorbeifahrt am V8-Donnern der Corvette, der den Boden beben lässt, dem unverkennbaren Sound eines Boxer-Motors im Porsche, dem typischen Ferrari-Klang oder einfach dem Dienstwagen von James Bond erfreuen.

Auch in diesem Jahr steht dies wieder den Zuschauern an der Strecke und zu Hause am Fernseher bevor – einen Tag und eine Nacht lang; einmal rund um die Uhr. Einzig müssen vor allem die deutschen Fans den Weggang von BMW verschmerzen, die zwei Jahre an der Sarthe mit um die GT-Krone kämpften, ebenso bleibt Farnbacher Racing dem Event fern, die noch 2010 überraschend Zweite wurden. Auch Lotus wird in diesem Jahr nicht mehr mit am Start sein, die ihren Fokus in der Saison 2012 auf die ALMS gelegt haben. Übrig bleiben die bereits genannten Konstrukteure. Diese Vier wurden einem kleinen Check unterzogen:

Der Titelverteidiger

Nach 314 Runden war für die Fahrer Olivier Beretta, Tommy Milner und Antonio García die Hatz an der Sarthe vorbei und der Feiermarathon konnte beginnen. Bis auf Gesamtrang elf hatte es das amerikanische Team im vergangenen Jahr geschafft und dabei so manchen schnelleren Prototypen hinter sich gelassen, der mit der Technik und Anderem zu kämpfen hatte.

Auch in diesem Jahr scheint Corvette Racing in einer ausgezeichneten Form zu sein. In zwei von drei ALMS-Läufen gewann die Mannschaft, in Laguna Seca wurde es sogar ein Doppelsieg. Zu Saisonbeginn in Sebring hielten sich die US-Boys durchgängig in der Spitzengruppe auf und wurden am Ende Zweite, hinter der BMW-Truppe. Dass sie nicht nur in den Vereinigten Staaten schnell sein können, bewiesen die Corvette-Kutscher beim Le-Mans-Testtag, als sie mit 3:58,971 Minuten die schnellste GT-Zeit fuhren, das andere Auto wurde Vierter.

Nun hängt es vom Team ab, das gute Boxenstopps machen muss und von den Fahrern – das Auto ist nachweislich eines der Schnellsten. Bei den Fahrern gibt es im Gegensatz zu den vergangenen Jahren eine Veränderung. Auto #74 werden sich Oliver Gavin (Großbritannien), Tommy Milner (USA) und Richard Westbrook (Großbritannien) teilen. Den zweiten Wagen steuern Antonio García (Spanien), Jan Magnussen (Dänemark) und Youngster Jordan Taylor (USA). Olivier Beretta hat das Team in Richtung Ferrari verlassen.

Die Herausforderer

Ferrari: Die „Roten“ stellen mit vier Wagen vom Typ 458 Italia die größte Abordnung. Diese sind aufgeteilt auf die Teams AF Corse zwei Fahrzeuge), Luxury Racing und JMW Motorsport. Drei dieser Wagen starten auch im World Endurance Championship und bekommen daher Punkte, einzig das JMW-Gespann kommt aus der ELMS.

Am stärksten zeigte sich bislang die AF-Corse-Truppe, die im vergangenen Jahr Zweite in Le Mans wurden. Für das Ferrari-Werksteam stehen bislang ein dritter Platz in Sebring und ein zweiter in Spa zu Buche. Da allerdings die ersten beiden Wagen beim Saisonauftakt in den USA aus der ALMS kamen, wurde das AF-Corse-Rennpferd als Sieger des WEC-Feldes gewertet. Somit führen sie zu Zeit die Punktwertung an. Die Fahrerpaarung ist folgendermaßen: Auf der Nummer 51 starten Giancarlo Fisichella, Gianmaria Bruni und Toni Vilander. Alle drei sind ausgewiesene GT-Experten, auch Fisichella, der erst 2010 aus der Formel 1 kam, sich aber sehr schnell mit den GT-Wagen aus dem Hause Ferrari anfreundete. Den zweiten Wagen steuern Andrea Bertolini, der als Co-Pilot von Michael Bartels in der FIA-GT-Meisterschaft bekannt wurde, Olivier Beretta und Marco Cioci.

Verhaltener war da schon der Saisonstart für Luxury Racing. Das einzige GT-Team, das unter der Leitung einer Frau steht, erzielte nur in Spa mit dem dritten Rang Zählbares, obwohl der Speed der Spitze nur anfangs mitgegangen werden konnte. In Sebring fiel der Wagen hingegen aus. „La Madame“, wie die Teamchefin intern heißt, setzt auf die Stammfahrerpaarung Frédéric Makowiecki, Jaime Melo und Neuzugang Dominik Farnbacher. Beim Le-Mans-Testtag legte die Mannschaft die zweitbeste Zeit hin, noch vor den Markenkollegen von AF Corse.

Der dritte im Bunde ist JMW Motorsport von der Insel. In dieser Saison bestritten sie erst einen Meisterschaftslauf in der ELMS in Le Castellet, da der zweite Auflauf in Zolder wegen Startermangels abgesagt wurde. Dieses eine Rennen wurde allerdings gewonnen. Am Volant werden sich James Walker, Jonny Cocker und Roger Wills abwechseln.

Porsche: Für die Zuffenhausener stürzen sich nur noch zwei Mannschaften ins Geschehen an der Sarthe. Diese sind Flying Lizard Motorsports und Felbermayr-Proton, mit je einem Porsche 997 GT3 RSR. Noch im vergangenen Jahr war es mit Prospeed und IMSA Performance die doppelte Anzahl.

Im Gegensatz zum amerikanischen Team verläuft die Saison für Felbermayr-Proton bislang zufriedenstellend. In Sebring wurde man als Zweiter der WEC-GT-Starter gewertet und in Spa konnte der erste Saisonsieg eingefahren werden. Damit liegt der Le-Mans-Sieger von 2010 punktgleich mit AF Corse an der Tabellenspitze. Beim Testtag sprang der sechste Rang heraus. Am Steuer werden die Stammfahrer Richard Lietz, Marc Lieb und Wolf Henzler sitzen.

Beim Team um Seth Neiman läuft hingegen noch nicht so viel Rund. In der ALMS fährt man so manchem Konkurrenten hinterher – noch keine Podiumsankunft steht zu Buche. So muss die Mannschaft auf eine Trendwende an der Sarthe hoffen. Die Vorgabe sieht mit Platz fünf am Testtag nicht ganz so schlecht aus. Auch das zweite Porsche-Team vertraut hinter dem Lenkrad auf bekannte Kräfte: Jörg Bergmeister, Marco Holzer und Patrick Long.

Aston Martin: Abschließend der zweite Bewerber von der Insel, die Hüter von James Bonds Dienstwagen. Dieser wurde für den Le-Mans-Einsatz etwas modifiziert. Dennoch ist der neue Aston Martin Vantage GTE mehr eine Unbekannte. In den USA kam der Sportler aus Großbritannien ganz gut zurecht, in Europa sieht das anders aus.

Beim Debüt in Sebring sprang ein dritter Platz bei den WEC-Teilnehmern heraus. Danach absolvierte das Team zwei weitere ALMS-Rennen, bevor es zurück nach Europa ging. Long Beach verlief mit einer soliden Leistung und Rang fünf ganz zufriedenstellend, in Laguna Seca sprang nach der Poleposition lediglich ein siebter Rang für die Startnummer 007 heraus.

Der zweite Auftritt im WEC verlief in Spa dagegen enttäuschend. Das Auto fiel schon früh im Rennen aus. Auch beim Testtag lag der Wagen am Ende auf dem achten und letzten Rang. Dennoch ist die Zeit nicht weit von der der Konkurrenz entfernt. Steuern werden den Renner mit Geheimdienstvorfahren Stefan Mücke, Darren Turner und Adrián Fernández.

Wer am Ende ganz oben steht, wird wohl wie so oft bei den GT erst auf der letzten Runde entschieden sein – im vergangenen Jahr lagen die ersten beiden unter eine Runde entfernt voneinander, nach 24 Stunden sehr selten. Es bleibt dem Fan also nur abzuwarten, ob einer der favorisierten Corvette, Ferrari oder Porsche gewinnt, oder ob doch Aston Martin alle überraschen kann. Spannend wird es auf jeden Fall.