Die Ingolstädter Ingenieure haben einen signifikanten Beitrag zur aktiven Sicherheit im Audi R18 geleistet. Fortan ermöglicht modernste AMOLED-Technologie einen freien Blick in den Rückspiegel. Besagte Technologie findet erstmals in drei Wochen bei den 24 Stunden von Le Mans Anwendung.
Wenn die Audi-Werksfahrer die 24 Stunden von Le Mans in Angriff nehmen, erleichtert ihnen eine ganz besondere Technologie den Durchblick: Der digitale Rückspiegel ermöglicht zum ersten Mal bei geschlossenen LMP-Sportprototypen einen freien Blick nach hinten und verbessert damit die aktive Sicherheit maßgeblich.
„Unsere Fahrer vollbringen Schwerstarbeit im Cockpit“, lobt Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich den Kader seiner 13 Sportwagen-Piloten. Neben den physischen und mentalen Anstrengungen im Langstrecken-Rennsport erschwert den schnellen Rennfahrern ein besonderer Umstand das Leben im Vergleich zu ihren DTM-Kollegen: die ganz anderen Sichtverhältnisse. Die extrem niedrige, zentrale Sitzposition ist nur ein Grund dafür. Ein weiterer: Alle geschlossenen LMP-Sportwagen besitzen keine Heckscheibe – das ist im Audi A5 DTM anders.
Konzept und Aufbau des Monocoques sowie die Anordnung des Mittelmotors lassen beim Audi R18 keinen Raum für ein rückwärtiges Fenster. „Bislang waren unsere Fahrer beim Blick nach hinten also auf die seitlichen Außenspiegel angewiesen“, führt Dr. Ullrich aus. „Doch Heck und Heckflügel sowie die bei hohen Geschwindigkeiten auftretenden Vibrationen begrenzen das Sichtfeld dieser Spiegel deutlich.“ Audi hat eine Lösung erarbeitet, die dank modernster Technologie erstaunliche Wirkung zeigt: Der digitale Rückspiegel, der im Cockpit das rückwärtige Geschehen auf einem innovativen AMOLED-Display abbildet, ist besser als jeder konventionelle Spiegel.
Eine sehr leichte und nur wenige Millimeter große Kamera sitzt hinter den Antennen auf dem Dach des Audi R18. Sie filmt nach hinten und überträgt diese Daten digital ins Cockpit. Die Rennsituation hinter dem Fahrzeug wird auf einem Schirm abgebildet, der dort sitzt, wo üblicherweise ein Innenspiegel angebracht ist.
„Daraus ergeben sich für uns eine ganze Reihe von Vorteilen“, betont Dr. Wolfgang Ullrich. „Der Spiegel funktioniert wetterneutral. Bei herkömmlichen Außenspiegeln dagegen wird das Sichtfeld im Regen durch die starke Gischt beeinträchtigt. Für den neuen, digitalen Spiegel haben wir verschiedene Tag- und Nachtfahrmodi erarbeitet. Selbst bei aufgeblendeten Scheinwerfern eines Verfolgers ergibt sich ein hervorragendes Bild und nicht nur ein greller Lichtpunkt.“
Das ist erst durch die neueste Diodentechnik möglich. Anstelle konventioneller Leuchtdioden kommt ein Aktivmatrix-OLED-Schirm (AMOLED) zum Einsatz. Sein Name stammt von organischen Halbleitern. Der größte Vorteil: AMOLED-Schirme können wie Displays vielfarbige Bilder darstellen und besitzen dank besonders kleiner Pixel von nur rund 0,1 Millimeter Durchmesser eine hohe Auflösung. Hervorragende Bildqualität und kurze Reaktionszeiten sind weitere positive Eigenschaften der AMOLEDs.
„Selbst bei 330 km/h erreichen wir daher bei der Echtzeitübertragung einen absolut flüssigen Bildablauf“, freut sich Dr. Ullrich. Bei einer solchen Geschwindigkeit legt der Audi R18 innerhalb einer einzigen Sekunde 92 Meter zurück. Da die neuartigen Bildschirme frei programmierbar sind, nutzt Audi sie, um auch weitere Anzeigen darzustellen. Zusätzliche Informationen zum eingelegten Gang, dem Schlupfniveau der Reifen oder auch einzelne Warnleuchten sind in das zentrale Anzeigeinstrument integriert.
Mithilfe der R8-Straßenvariante erprobt
„Ich freue mich, dass uns mit dieser Technologie ein weiterer Beitrag zur aktiven Sicherheit gelungen ist“, unterstreicht Dr. Wolfgang Ullrich. „Schon in der Vergangenheit haben wir nicht nur mit Grundsatzkonzepten, sondern oft auch mit Detailinnovationen große Effekte erzielt. Erinnert sei hier nur an die Einführung eines Reifendruck-Warnsystems in der Saison 2001 im Audi R8. Den digitalen Rückspiegel haben unsere Fahrer schon bei seiner Premiere in Spa sehr schätzen gelernt.“ Beim zweiten Lauf zur FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) gelang Audi ein Vierfachsieg.
Einmal mehr ergibt sich eine enge Verzahnung zwischen Großserie und Motorsport. „Beim Bildschirm und der Programmierung haben wir sehr von der Arbeit unserer Kollegen aus der Technischen Entwicklung (TE) der AUDI AG profitiert“, so Dr. Ullrich. „Sie haben uns mit Komponenten und Wissen weitergeholfen.“ Im Versuchsstadium vertrauten die Rennfahrer zunächst sogar vollständig auf eine seriennahe Anwendung.
„Anfangs waren die Systeme in zwei Audi R8 verbaut. Damit haben wir Marcel Fässler und Marco Bonanomi zur Erprobung in den Straßenverkehr geschickt“, erinnert sich Dr. Ullrich. „Heute funktioniert das System perfekt im LMP-Rennwagen Audi R18. Ich bin mir sicher, dass wir unseren Kollegen in der TE wertvolle Erkenntnisse zurückgeben können. Wir haben das System auf engstem Raum ins Fahrzeug-Package integriert und die aerodynamischen Effekte der Kamera sowie den Stromverbrauch auf ein Minimum reduziert. Die Intensität der Belastung im Motorsport, etwa bei den 24 Stunden von Le Mans, wird ein solches System noch schneller reifen lassen. Wenn der digitale Rückspiegel einmal in Serie kommt, profitieren unsere Endverbraucher in Zukunft erneut von einem System, das unter anderem auch im Motorsport erfolgreich erprobt worden ist.“
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