Manama: Pflichtaufgabe für Porsche?

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Beim WM-Finale in Manama rückt die Entscheidung um den Fahrertitel in den Fokus der Aufmerksamkeit. Muss Porsche nach der bisherigen Erfolgsserie bloß noch eine Pflichtaufgabe erledigen? Oder nutzt Audi – in der Hoffnung der Konzernschwester unterläuft noch ein Fehler  seine Minimalchance?

Einen Trend in die Zukunft fortzuschreiben, fördert zumeist eine unbestreitbare Fehleranfälligkeit solcher Prognosen zutage. Gleichwohl gelang Porsche zuletzt eine beispiellose Erfolgsserie in der Langstrecken-WM. Seit dem Zweifachtriumph bei der Machtprobe in Le Mans okkupierte der Traditionshersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen gleichsam die Siegerstraße – fünfmal erklomm die Werksmannschaft die höchste Podiumsstufe, viermal mit maximaler Punkteausbeute.

Obendrein beanspruchte Porsche bei sämtlichen WM-Läufen die erste Startreihe. Konkurrierte Audi zu Saisonbeginn mitunter auf Augenhöhe, agierte der einstige Branchenprimus nach der Sommerpause faktisch chancenlos. Die marginalen Fortschritte am Fuji, manifestieren sich mitnichten im Ergebnis. Die Konsequenz: Beim Halbfinale in Shanghai erfolgte schließlich die Kür. Erstmals seit zwanzig Jahren wurde Porsche Markenweltmeister.

Im Umkehrschluss: Muss Porsche am nächsten Wochenende lediglich eine Pflichtaufgabe erfüllen, wenn der Wettstreit um den Fahrertitel in den Brennpunkt rückt? Eigentlich schon – obgleich die Akteure obligatorisch tiefstapeln. Denn Fakt ist: Zuletzt witterte Audi ausschließlich auf regennasser Fahrbahn seine Chance, düpierte Porsche geradezu. Sobald es abtrocknete, fuhren die beiden Konzernbrüder aber in unterschiedlichen Ligen.

Unter welchen Vorzeichen steht also die Endrunde auf dem Bahrain International Circuit nahe der Kapitale Manama? Fürwahr, Regen in der Arabischen Wüste stellt tendenziell eine Seltenheit dar – wenngleich an dieser Stelle auf das turbulente 24-Stunden-Regenenrennen im Nachbaremirat Dubai in der Saison 2008 hingewiesen sei. Der Wettbericht entwarnt allerdings: Beim Schlussakt am Persischen Golf sind Sonnenschein und Temperatur um die fünfundzwanzig Grad Celsius angekündigt.

Audi hofft auf das „Quäntchen Glück“

Welche Auskunft geben aber die Zahlen? Auch im Gesamtklassement verbucht Porsche einen Vorteil. Schließlich führen Brendon Hartley, Timo Bernhard und Mark Webber die Tabelle mit zwölf Punkten Vorsprung auf Marcel Fässler, André Lotterer und Benoît Tréluyer an. „Das Ziel in Bahrain ist, jetzt auch noch den Fahrertitel zu holen und das Jahr mit einem weiteren Sieg abzuschließen“, formuliert Teamchef Andreas Seidl die Maßgabe. 

Und wie schätzt Spitzenreiter und Dauersieger Porsche seinen Gegner ein? „Bezüglich der Performance erwarte ich, dass Audi aufgrund der Streckencharakteristik wieder näher an uns dran sein wird“, urteilt Alexander Hitzinger, welcher die Position des Technischen Direktors bekleidet. Die Vorhersage für das letzte Kräftemessen in diesem Jahr: „Wir können uns also auf ein spannendes Rennen freuen.“

Widersacher Audi demonstriert indes sportliche Moral, obwohl dessen Besatzung nur eine Minimalchance gewahrt hat. „Wir werden alles geben und auch auf das Quäntchen Glück hoffen, um die Meisterschaft noch zu gewinnen“, betont LMP1-Leiter Chris Reinke. „Aufgeben kommt für uns nicht infrage – im Gegenteil. Solange eine Chance besteht, kämpfen wir um den Titel. Bei harten Bedingungen wie in Bahrain ist einiges möglich.“

Audi verzeichnet die meisten Podiumsränge

Besagtes „Quäntchen Glück“ bedeutet ausbuchstabiert: Falls Audi in Sakhir die Plätze eins und zwei belegte – mit einem bessere Ausgang für die Titelaspiranten –, dürften die Porsche-Kontrahenten lediglich an vierter Stelle die Ziellinie kreuzen. Verglichen mit den bisherigen Rennverläufen, müsste das Audi-Trio folglich auf einen Zwischenfall, gar ein Desaster bei Porsche hoffen, um die Partie noch einmal zu verwenden. 

Aber: Audi kehrte in einer Pressemitteilung noch einmal einen anderen Aspekt des Meisterschaftskampfes hervor. Die Routiniers Fässler, Lotterer und Tréluyer, welche bereits in der Saison 2012 den Titel davontrugen, hängten sich in der diesjährigen Saison zweimal die Gold-, einmal die Silber- und viermal die Bronzemedaille um. Damit stand des Dreigestirn häufiger als die Konkurrenz auf dem Stockerl.

Was meint darum die Chefetage in Neuburg an der Donau? „Das ist die bisher wohl spannendste Saison der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft. Die Entscheidung wird erst im letzten Rennen fallen“, äußert sich Audi-Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich. „Mein Dank dafür gilt einer unermüdlichen Mannschaft, die nie aufgegeben, den Audi R18 e-tron quattro ständig weiterentwickelt und harte Arbeit geleistet hat.“

Vorbereitungen für die nächste Saison haben bereits begonnen

Derweil verhehlen die Werksabordnung keineswegs, auf der Hinterbühne bereits die Entwicklung für die nächstjährige Saison zu forcieren. Für Toyota markiert das Sechs-Stunden-Rennen in Manama daher in zweierlei Hinsicht eine Abschiedsvorstellung, ehe künftig der TS050-Prototyp als Einsatzwagen in der Langstrecken-WM fungiert. Ein weiterer Fortgang: TMG-Werksfahrer Alexander Wurz verlässt die Truppe, an seine Stelle tritt höchstwahrscheinlich Kamui Kobayashi. 

Teamchef Toshio Sato nutzt die Gelegenheit, um Wurzens Leistungen bei Toyota zu honorieren. „Seit dem Beginn 2011 war Alex ein fundamentaler Teil unseres Teams“, merkt der Leiter des Gespanns an. „Ich möchte ihm meinen aufrichtigen Dank sagen für seine Beteiligung an unserem Langstrecken-WM-Projekt. Sein technischer Input, seine Motivation und Fähigkeiten waren von unschätzbarem Wert für uns.“

Der Ansporn im Hinblick auf den Generationswechsel ist währenddes groß. „Es ist traurig, dass nun das letzte Rennen für den TS040 Hybrid ansteht“, räumt Sato ein. „Denn wir hatten ein fantastisches Jahr 2014 mit dem Auto. Aber das Ende dieser Ära markiert zugleich den Beginn einer neuen, da wir in Köln und Higashi-Fuji bereits hart an der Entwicklung unseres nächsten Herausforderers arbeiten.“