Nürburgring: Bleibt der Verkauf trotz Viktor Charitonin gefährdet?

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Obwohl Viktor Charitonin die Finanzierung abgesichert hat, bleibt der Verkauf des insolventen Nürburgrings offenbar gefährdet. Denn Gläubigerausschuss und EU-Kommission sind imstande, in die Vorgänge einzuschreiten. Recherchen der „WirtschaftsWoche“ enthüllen außerdem eine fragwürdige Vorgehensweise der Insolvenzverwalter.

Scheitert der Nürburgring-Verkauf trotz der Investition des russischen Pharmaunternehmers Viktor Charitonins? Einem Bericht der „WirtschaftsWoche“ zufolge sind sowohl der Gläubigerausschuss als auch die EU-Kommission in der Lage, die Vorgänge in der Eifel anzufechten. Denn deren Recherche offenbart: Als Capricorn-Chef Robertino Wild die zweite Ratenzahlung nicht leistete, wählten die Insolvenzverwalter Jens Lieser und Thomas Schmidt eine suspekte Vorgehensweise.

Demnach vollzogen die Nürburgring-Sanierer den Verkauf der Anteile an die NR Holding AG, der wiederum Charitonin angehört, ohne die Zustimmung des Gläubigerausschusses. Die Begründung: Es änderten sich lediglich die Besitzverhältnisse, aber die Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG) bleibe dennoch der Käufer der insolventen Rennstrecke. Somit bleibe der Kaufvertrag unberührt.

Als Capricorn im Frühjahr den Zuschlag erhielt, war Unternehmenschef Wild allerdings verpflichtet, Sicherheiten zu stellen. Diese müssen wiederum durch die Sicherheiten des künftigen Anteilseigners ausgetauscht werden. Über die entsprechende Freigabe verfügt dagegen der Gläubigerausschuss, der sich aus fünf Mitgliedern formiert – darunter die Bürgermeister von Nürburg und Müllenbach. Die nächste Tagung findet morgen statt.

Sofern die unterlegenen Bieter HIG Capital und Nexovation überdies wegen der illegalen Beihilfen klagen sollten, ist außerdem die EU-Kommission imstande, in den Verkauf einzuschreiten. In diesem Fall solle ein Pachtvertrag zwischen Capricorn und einem Treuhänder in Kraft treten. Mithilfe dieser Interimslösung beabsichtigt die EU-Kommission, einen direkten Zugriff auf die Vermögenswerte zu verhindern.

Insolvenzverwalter setzten Wild mit Anwälten unter Druck

Ferner gilt für den Gläubigerausschuss zu untersuchen: Inwieweit beeinflussten die Insolvenzverwalter Lieser und Schmidt die Wahl Charitonin als Investor? Zumal die EU-Kommission das Bieterverfahren zwar als europarechtskonform beurteilte, die Prüfung jedoch unter der Annahme durchführte, die Deutsche Bank zahle die notwendigen Krediten. Tatsächlich war Lieser und Schmit aber bekannt: Die Finanzierungsbestätigung besaß keine Gültigkeit mehr.

Die Konsequenz: Capricorn-Boss Wild konnte folglich die Finanzierung nicht stemmen, woraufhin die Insolvenzverwalter ihrerseits mit Anwälten massiv Druck ausübten. Gemäß der „WirtschaftsWoche“ musste Wild eine Stundungsvereinbarung sowie eine Sicherungsvereinbarung unterschreiben. Diese Dokumente waren streng geheim – allein deren Existenz habe nicht publik werden dürfen.

Schließich übertrug Wild seine Anteile an einen Treuhänder, der bis dato ebenso unbekannt ist, wie das Konsortium um Charitonin, das sich hinter der NR Holding AG verbirgt. Es stellt sich außerdem die Frage, inwieweit die Insolvenzverwalter involviert waren, als der Kontakt zu den Investoren hergestellt wurde. Denn Wild selbst verfügte nicht mehr über die Vermögensanteile an der Capricorn-Besitzgesellschaft, sondern der Treuhänder.

Obwohl die Insolvenzverwalter besagten Treuhänder weiterhin nicht nennen, hat die „WirtschaftsWoche“ auch diesen in Erfahrung gebracht: die W Special Situations GmbH aus Frankfurt. Brisant: Im selben Büro sitzt die Kanzlei Weil, Gotshal & Manges, deren Anwälte Lieser und Schmidt angeheuert haben. Und: die Muttergesellschaft Special Opportunities Services GmbH aus München gehört wiederum Partnern der erwähnten Anwaltsfirma.