GTE-Pro: Wiederholt Porsche den Erfolg aus dem Vorjahr?

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In Le Mans wetteifern vier GTE-Pro-Hersteller um die Krone des Langstreckensports. Im bisherigen Saisonverlauf duellierten sich Ferrari und Porsche auf Augenhöhe, während Aston Martin noch nicht konkurrenzfähig schien. Corvette bestreitet mit der C7.R erstmals ein Rennen in Europa. Gelingt es Manthey, den Erfolg aus dem Vorjahr zu wiederholen?

Porsche versus Ferrari: Dieses Duell bestimmte im bisherigen Saisonverlauf das Geschehen in der GTE-Pro-Kategorie. Während der Sieg beim Saisonauftakt nach Zuffenhausen wanderte, revanchierten sich die Italiener in den Ardennen mit dem Sieg bei der Generalprobe. Bei Aston Martin steht derzeit lediglich ein dritter Platz beim Heimspiel in England zu Buche. Die Große Unbekannte kommt jedoch aus dem Lager von Corvette. Bisher bestritt das neuste C7.R-Modell noch kein Rennen auf dem europäischen Kontinent, weshalb sich eine Leistungseinschätzung schwierig gestaltet.

Vor rund einer Woche beim traditionellen Test im Rahmen der 24 Stunden von Le Mans behielt Porsche vorerst die Oberhand und setzte sich gegenüber dem Ferrari-Lager in Vertretung von AF Corse und Ram Racing durch. Jedoch bescherte Jörg Bergmeister seiner Mannschaft in den Tagen vor Rennbeginn noch einiges an Arbeit.

Der Pilot des Neunfeler-Porsches musste nach seinem spektakulären Ausflug ins Kiesbett den Arbeitstag vorzeitig beenden. „Es hätte sich nicht gelohnt, die Reparatur hier noch in Angriff zu nehmen. Wir werden das in aller Ruhe zu Hause machen“, resümiert Motorsportchef Hartmut Kristen. Folglich konnten Patrick Pilet, Jörg Bergmeister und Nick Tandy den Tag an der Sarthe nicht so intensiv nutzen wie die Konkurrenten.

Die Stallgefährten Frédéric Makowiecki, Marco Holzer und Richard Lietz lieferten dagegen eine bessere Vorstellung ab. Dem Franzosen gelang es auf dem Rundkurs im Nordwesten von Frankreich eine Zeit von 3:57,260 Minuten in den Asphalt zu brennen. „Wir haben viele Dinge am Auto ausprobiert. Das war wegen der vielen Safety-Car-Phasen, die als Übung für das Rennen dienen sollten, nicht ganz einfach. Trotzdem war dieser Testtag eine gute Vorbereitung für das Rennen“, zieht Porsche-Schützling Makowiecki ein positives Fazit.

BoP-Korrekturen als Strafe für solide Leistungen?

Jedoch ist das Ergebnis der ersten Standortbestimmung an der Sarthe mit Vorsicht zu genießen. Schließlich rufen die Hersteller und Werke ihr ganzes Potential erst beim eigentlichen Höhepunkt der Saison ab. „Ich denke, dass heute noch nicht alle Hersteller die Karten auf den Tisch gelegt haben, um keine schlechtere Einstufung zu riskieren“, lässt Hartmut Kristen wissen. Gleichzeitig kritisiert der Motorsportchef aus dem Porsche-Lager aber auch die Regelungen seitens der Verantwortlichen im Sportwagen-Oberhaus.

„Es wäre sicherlich der bessere Weg, eine Regelung zu finden, bei der man nicht Angst haben muss, für eine gute Performance sofort bestraft zu werden, so wie das uns nach unserem Doppelsieg beim Saisonauftakt in Silverstone passiert ist. Der augenblickliche Zustand wird einem Saisonhöhepunkt wie den 24 Stunde von Le Mans nicht wirklich gerecht“, schickt Kristen einen kleinen Seitenhieb gen ACO. Nach dem Doppelerfolg in der Grafschaft Northamptonshire erhöhten die Kommissare das Fahrzeuggewicht des Zuffenhausener Sportwagens um 25 Kilogramm.

Der Fahrerkader von Porsche nutzte den Testtag auch dazu, um mit den Besonderen Charakteristika der Strecke anzufreunden. Immerhin führt das 13,62 Kilometer Asphaltband über eine permanente Rennstrecke sowie über öffentliche Landstraßen. „In erster Linie ging es darum, wie Reifen und Auto auf dieser Strecke zusammenpassen, die ja teilweise über ganz normale Landstraßen führt“, beschreibt Vorjahressieger Richard Lietz den Circuit de la Sarthe. Auch Nick Tandy betitelt den Rundkurs als „außergewöhnliche Strecke“.

Ferrari mit starken Leistungen

Die italienische Traditionsmarke Ferrari schickt gleich drei Rennpferde ins Gefecht beim Langstreckenklassiker in Le Mans. Dabei formieren sich zwei Besatzungen von AF Corse, der britische Rennstall Ram Racing hingegen setzt einen F458 Italia ein. Vor allem die Abordnung von AF Corse präsentierte sich bei der Generalprobe in den Ardennen in bestechender Verfassung.

Gianmaria Bruni, Toni Vilander und der ehemalige Formel-1-Pilot Giancarlo Fisichella teilen sich die Lenkarbeit am Sportwagen mit der Bezifferung 51. Im Schwesternauto, welchem die Startnummer 71 zugewiesen wurde, hantieren Davide Rigon, James Calado und der Monegasse Olivier Beretta.

Bruni und Vilander obsiegten in Spa-Francorchamps gegenüber dem Porsche-Lager. Vor allem auf der Kemel-Geraden galoppierten die roten Rennpferde den Zuffenhausenern davon. Fraglich ist jedoch, inwiefern das Gespann in Le Mans den Erfolg der Generalprobe wiederholen kann. Denn auch Porsche sollte trotz des zusätzlichen Gewichts eine solide Höchstgeschwindigkeit vorweisen können.

Matt Griffin, Álvaro Parente und Federico Leo stellen den Fahrerkader für Ram Racing. Vor einer Woche ließ das Gespann mit dem drittschnellsten Zeit im Test bereits aufhorchen und stellte bereits erste Ansprüche auf eine Platzierung im vorderem Klassement der GTE-Pro-Kategorie. Dabei verpasste Griffin die Bestmarke von Makowiecki um 0,733 Sekunden.

„Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist das größte Rennen auf der Welt. Zugleich ist es auch das Rennen mit der höchsten Herausforderung. Wir hatten einen sehr guten Test am letzten Sonntag. Wir waren den ganzen Tag schnell unterwegs und haben zugleich an unserer Strategie für das Rennen arbeiten können“, beschreibt Griffin den Testerfolg des Ferrari Rennstalls. Auch die Fahrerkollegen Parente und Leo beschreiben die Sitzung „als durchweg positiv“.

Quo vadis, Aston Martin?

Indes kommt der Vantage V8 von Aston Martin nicht richtig in Fahrt. Zwar belegte der Traditionshersteller aus dem Vereinigten Königreich beim Heimspiel in Silverstone den Bronzerang, doch auf der Ardennen-Achterbahn zeigten Briten einen glücklosen Auftritt. Auf der Geraden fuhr der Sportwagen rund einen Stundenkilometer langsamer als Ferrari. Jedoch betonte Werksfahrer Stefan Mücke im Interview, dass eine missglückte Strategie letztendlich einen Podiumserfolg kostete.

In Le Mans pilotiert der Berliner gemeinsam mit Darren Turner und dem Brasilianer Bruno Senna einen Sportwagen. Alex MacDowall, Darryl O’Young und Fernando Rees komplettierten im zweiten Vantage V8 den Fahrerkader von Aston Martin. Für Stefan Mücke ist Le Mans „der absolute Höhepunkt, weil es weltweit das bekannteste Langstreckenrennen ist“.

Europa-Premiere für Corvette

Derweil gesellt sich mit Corvette ein zusätzlicher Hersteller in die GTE-Pro-Wertung. Die Amerikaner bestreiten mit ihrem bulligen C7.R die aktuelle Saison in der USCC und gastieren beim Saisonhöhepunkt in Le Mans im Oberhaus der Sportwagen.

Gleich zwei Fahrzeuge schicken die Amerikaner zum ersten Rennen des neuen Modells nach Europa. Somit fällt eine erste Leistungseinschätzung schwer, da der Bolide bisher nur in den Vereinigten Staaten unterwegs war. Jan Magnussen, Antonio Garcia und Jordan Taylor greifen ans Volant der Startnummer 73. Der Sportwagen mit der Bezifferung 74 wird angeführt vom viermaligen Le-Mans-Sieger Oliver Gavin. Dabei unterstützen Tommy Milner und Richard Westbrook den Briten bei der Lenkarbeit.

Vor rund einer Woche markierte Gavin den viertschnellsten Umlauf an der Sarthe. „Die Strecke war zu Beginn sehr dreckig, und es hat eine Weile gedauert bis es sich gebessert hat. Jeder hat darauf gewartet das die Strecke endlich sauberer wird. In der zweiten Hälfte in der Morgensitzung konnte endlich jeder vernünftige Ergebnisse erzielen. Letztendlich war es ein guter Test mit dem C7.R in Le Mans. Das Auto fühlt sich gut an und es reagiert auf uns“, beschreibt Gavin den ersten Eindruck mit dem neuen Sportwagen auf dem französischen Kurs.

Derweil gab der ACO die Einstufung der Balance of Performance für den Wettstreit an der Sarthe bekannt. Neben der üblichen Benzinkapazität erteilen die Verantwortlichen dem Sportwagen von Aston Martin einen zusätzlichen Puffer von fünf Litern. Der Porsche Neunelf besitzt in Le Mans ein Tankvolumen von neunzig Litern, während die Boliden von Ferrari und Corvette mit 85 Litern zugelassen wurden. In Le Mans behält also nicht nur der schnellste die Oberhand, sondern auch derjenige, der die BoP-Einstufung am geschicktesten umsetzen kann. Doch wem gelingt letztendlich der Erfolg im Traditionsrennen? In ein paar Tagen wissen wir mehr …