Le Mans: Fünfkampf um den GT-Thron

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Infolge der bislang dominanten Auftritte bezieht Aston Martin die GTE-Pro-Favoritenstellung in Le Mans. Doch Titelverteidiger Ferrari bietet der Vantage-Armada die Stirn. Ebenso hegt Herausforderer Porsche Siegeshoffnung, während die Routiniers von Corvette und Wiederkehrer Viper nicht chancenlos sind.

Im Januar zelebrierte Aston Martin sein hundertjähriges Bestehen. Auf dem Wunschzettel zum dreistelligen Geburtstag hat der Traditionshersteller aus dem britischen Gaydon offensichtlich einen Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans notiert. Denn die Werksdelegation rüstet sich zur Großoffensive im Département Sarthe. Doch vier weitere Konstrukteure greifen ebenfalls nach der GT-Krone. 

Bei der diesjährigen Auflage des Langstrecken-Klassikers wetteifert Aston Martins Drei-Wagen-Flotte mit Titelverteidiger Ferrari sowie Porsche, Corvette und Viper um den GTE-Pro-Triumph im Nordwesten Frankreichs. Nichtsdestotrotz hat sich Aston Martin bereits im Vorfeld als haushoher Favorit positioniert. Bereits beim Auftakt der Langstrecken-WM in Silverstone reüssierte die britische Werksmannschaft in allen Belangen: Startreihe eins und Doppelsieg beim Heimspiel.

Nachdem das Fahrertrio Bruno Senna, Robert Bell und Frédéric Makowiecki in Spa-Francorchamps lediglich den Silberrang erstritt, formierte Aston Martin bei den traditionellen Einstellfahrten auf dem Circuit de la Sarthe wiederum eine Doppelspitze. Angesichts der Vorrangstellung der Jubilaren aus dem Vereinigten Königreich fühlten sich die ACO-Regelmacher letztlich bemüßigt, in den GTE-Pro-Wettstreit zu intervenieren. Abermals.

Ferrari strebt Titelverteidigung an

Schon vor dem Testsonntag in Le Mans erlegten die Regelhüter der Aston-Martin-Fraktion ein Zusatzgewicht von zehn Kilogramm auf. Zum 24-Stunden-Rennen müssen die Dominatoren und GTE-Tabellenführer nochmals eine zusätzliche Masse von zehn Kilogramm mit an Bord nehmen. Inwieweit diese Maßnahme den Aston-Martin-Siegeszug bremst, wird sich im freien Training am Mittwochabend zeigen. 

Obwohl die Vorjahressieger bei den Probefahrten noch im Hintergrund agierten, nehmen Ferrari und AF Corse gleichermaßen eine Favoritenstellung ein. Einerseits krönten sich die Roten vergangene Saison zum Doppelsieger des Sarthe-Schlagers; andererseits focht das springende Pferd aus Maranello den Aston-Martin-Primat bereits in der Langstrecken-WM bei beiden Sechs-Stunden-Rennen an. 

Die Fahrerpaarung Gianmaria Bruni und Giancarlo Fisichella gewann den Wertungslauf in den Ardennen und belegt als ärgster Verfolger Rang zwei in der Punktewertung. Überdies wird das Stammduo in Le Mans seitens Matteo Malucelli verstärkt. Indes errangen die Stallgefährten Kamui Kobayashi und Toni Vilander beim belgischen Gastspiel die Bronzemedaille und rangieren in der Tabelle an dritter Stelle.

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Porsche hegt Siegeshoffnung

Eine neuer Herausforderer stammt aus den Reihen der Stuttgarter Erzrivalen: Porsche setzt bekanntlich zwei seiner Neunelfer der neuesten Generation ein. Anfangs haderte die Zuffenhausener Equipe in der Langstrecken-WM noch und rang um den Anschluss an Aston Martin und Ferrari. Doch im Zuge der Fahrzeugeinstufen machte der Automobilklub des Westens dem Porsche-Sektor Zugeständnisse. 

Der Luftmengenbegrenzer des Porsche 911 RSR durfte um drei Millimeter vergrößert werden. Die Maßnahme entfaltete umgehend ihre Wirkung: Beim Testtag ordneten sich die beiden Besatzungen auf Position drei und vier hinter Spitzenreiter Aston Martin ein. Wiewohl die Weissacher Ingenieure aufgrund der regnerischen Verhältnisse nicht sämtliche Konfigurationen erproben konnten, herrscht im Porsche-Lager Zuversicht, ein Wörtchen um den Sieg in der GTE-Pro-Division mitzureden.

Werksfahrer Romain Dumas aus Frankreich, der bei seinem Heimspiel zum 13. Mal an den Start rollt, unterstreicht: „Jetzt will ich dieses Rennen unbedingt auch mit einem GT-Auto gewinnen. Das ist in diesem Jahr mein großes Ziel.“ Kollege Jörg Bergmeister, welcher das Schwesterauto pilotiert, stapelt dagegen tief: „Wir haben uns gut vorbereitet, und ich hoffe, dass wir das Potenzial unseres Autos voll ausschöpfen können. Dann sollte ein Podium möglich sein.“ 

Konkurrenz aus Übersee: Corvette

Zweifelsohne zum Kreis der Favoriten zählt Corvette. Der US-amerikanische Hersteller engagiert sich seit dem Millenium ununterbrochen in der GT-Sparte der 24 Stunden von Le Mans und errang zahllose Erfolge. Seitdem erkämpfte Corvette sieben Siege in der entsprechenden GT-Klasse, dreimal den Silberrang und einmal den letzten Podestplatz. Lediglich im Jahr 2010 erlitt die Abordnung aus den Vereinigten Staaten einen Totalausfall. 

Selbst als den Corvette-Boliden letztes Jahr das Pech an den Reifen haftete, ertrotzten die Routiniers aus Übersee noch den fünften Rang. Beim Testtag, dem ersten Kräftemessen mit den Kontrahenten vom alten Kontinent, postierte sich das GM-Ensemble in Lauerstellung hinter Aston Martin und Porsche, wofür die ACO-Regelmacher den Männern in Gelb im Rahmen der Balance of Performance ein Zusatzgewicht von zehn Kilogramm aufs Auge drückten.

Bis dato manövrierte sich Corvette auch im bisherigen ALMS-Saisonverlauf pflichtgemäß in die Erfolgsspur. Sowohl beim Zwölf-Stunden-Rennen in Sebring als auch in Laguna Seca erklommen die Corvette-Piloten Jan Magnussen und Antonio García die oberste Podeststufe – in Florida durch Richard Westbrook unterstützt. In Le Mans greift wiederum Jordan Taylor dem Stammduo unter die Arme, während Westbrook die Kumpanen Oliver Gavin und Tommy Milner ergänzt.

Wiederkehr der Giftschlange

Derweil bringt SRT Motorsports eine weitere Ikone zurück zu alter Wirkungsstätte. Nach einer Dekade tritt mit der neuesten Version der Viper GTS-R wieder eine Giftschlange bei den 24 Stunden von Le Mans an. Zuletzt debütierte der Chrysler-Renner im Jahr 1996 unter der Ägide der Rennställe Canaska South Wind und Oreca in Le Mans. Letzterer Equipe feierte hinfort etliche Erfolge mit der Viper. 

Die Liebhaber der Giftschlange bewegt nun die Frage, ob SRT Motorsport an diese Erfolge anknüpfen kann. Während der ersten ALMS-Renneinsätze erzielten Dominik Farnbacher und Marc Goossens solide Platzierungen unter den besten Fünf, weshalb das deutsch-belgische Gespann in der Tabelle mit Corvette beinahe gleichauf ist. In Long Beach kletterten Farnbacher und Goossens gar aufs Stockerl; die Kollegen Jonathan Bomarito und Kuno Wittmers strauchelten dagegen noch.

In Le Mans komplettieren unterdes Ryan Dalziel und Tommy Kendall das Viper-Aufgebot. Obendrein hat der ACO nach den durchwachsenen Testergebnissen einige Freiheiten bei der Fahrzeugeinstufung eingeräumt: zehn Kilogramm weniger und fünf Liter größeres Tankvolumen. Schließlich hängen die Trauben in Le Mans heuer hoch. Zuletzt herrschte in der GT-Riege solch eine Markenvielfalt und ein derartiges Wettbewerbsniveau zugleich, als im Jahr 1998 Toyota, AMG-Mercedes, Porsche, Nissan, McLaren-BMW und Panoz in der GT1-Wertung konkurrenzierten.