Kommentar: Ein Gesicht, aber keine Stimme

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Am Samstag versammelten sich rund zweitausend Motorsport-Anhänger im Brünnchen, um für die Rettung des Nürburgrings zu demonstrieren. Christian Menzel und Sabine Schmitz hätten dem organisierten Widerstand „ein Gesicht“ verliehen, heißt es in einem Blog. Doch dem Protest fehlt eine Stimme.

„Es ist fünf vor zwölf“, mahnte Christian Menzel dieser Tage im Netz. Gemeinsam mit Sabine Schmitz rief der Langenfelder zu einer Demonstration zum Erhalt des Nürburgrings auf. Rund zweitausend Motorsport-Anhänger versammelten sich schließlich am Samstag des vierten Adventswochenendes im Brünnchen, um gegen den Verkauf des Traditionskurses zu protestieren. Die Forderung: Die historische Sportstätte solle Volkseigentum bleiben.

Der Widerstand gegen die Privatisierung des Nürburgrings habe „ein Gesicht“ bekommen, kommentierte der Blogger Björn Habegger im Anschluss an die Demonstration. Zweifelsohne, Menzel und Schmitz haben der Bewegung, welche sich die Rettung des Rings auf die Fahnen geschrieben hat, ein Gesicht verliehen. Auch Olaf Manthey und Dirk Adorf wohnten der Kundgebung als Exponenten der Sportwagen-Gemeinde bei. Aber: Dem Widerstand fehlt nach wie vor eine Stimme.

Wenngleich sich Menzel und Schmitz an die Spitze des organisierten Protestes gestellt haben, dürfen sich die Freunde des Nürburgrings und der Nordschleife nicht der Illusion hingeben, die Bürgerinitiative habe sich Gehör verschafft. Denn die breite Öffentlichkeit hat die Demonstration im Niemandsland der Vulkaneifel nicht wahrgenommen, weil sie in den Medien keinerlei Aufmerksamkeit fand. Die Worte des Widerstands verhallten im Eifeler Wald.

Freilich hat sich der Aufruf, an der Demonstration am Nürburgring teilzunehmen, in Szenenkreisen in den letzten Wochen rasch verbreitet. Damit erreichte die Botschaft allerdings lediglich Leute, welche sich der Misere am Fuße der Nürburg ohnehin bewusst sind. Aber wer hat die Demonstration ansonsten zur Kenntnis genommen? Selbst einige Touristenfahrer waren augenscheinlich über die Kundgebung im Streckenabschnitt Brünnchen nicht informiert. Denn es herrschte reger Betrieb auf der Nordschleife.

Die alten Fotostrecken sind leider nicht mehr verfügbar.

Bewusstsein für den Nürburgring-Mythos stärken

Folglich haben die Demonstranten nicht einmal diejenigen erreicht, in deren Interessen der Erhalt des Nürburgrings de facto liegen sollte. Die Konsequenz: Die Kommunikation zwischen dem organisierten Widerstand und der Presse muss erheblich verbessert werden. Ferner war der Ort der Kundgebung suboptimal. Wer nicht im Vorhinein von der Kundgebung wusste, wird auch im Nachhinein keine Notiz genommen haben. Wie auch? Warum haben die Protestler nicht die Zufahrt zur Nordschleife versperrt? Das wäre ein Fanal gewesen.

Manthey verlangt gar, den Nürburgring zum Weltkulturerbe zu erklären? So möge sich die Anhängerschaft in dieser Form dafür einsetzen, anstatt Grundsatzdebatten über die kriminellen Machenschaften und die daraus resultierende Insolvenz am Nürburgring zu führen. Die Rennstrecke in der Eifel ist zweifelsfrei eine historische Sportstätte – und nicht nur ein wichtiger Teil der Rennsportgeschichte, sondern der Geschichte einer Automobilnation, welche bis in die wilhelminische Zeit zurückreicht. 

Als die Pläne zum Bau des Nürburgrings nach dem Ersten Weltkrieg letztlich realisiert wurden, begünstigten überdies nicht nur die geographischen Gegebenheiten, sondern auch die ökonomische Situation die Eifel als Standort: Eine Rennstrecke sollte die strukturschwache Region fördern. Ein Umstand, welcher sich in den letzten hundert Jahren nicht geändert hat, den zahlreiche Bewohner in der Umgebung sich aber offensichtlich nicht vergegenwärtigen. 

Andernfalls würden sich etliche Einheimische, welche bis dato tatenlos zusahen, den Protesten anschließen. Nachdem dem Widerstand nun ein Gesicht verliehen wurde, ist es daher an der Zeit, ihm auch eine Stimme zu verleihen. Einerseits um diejenigen zu erreichen, deren Interessen die Bewegung vertritt; andererseits um das Bewusstsein für den Mythos „Nürburgring“ über die Grenzen des Landes Rheinland-Pfalz zu stärken.