Tipp der Redaktion: Audi, Toyota oder Porsche?

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Die Redaktion hat die Favoritenfrage bei den 24 Stunden von Le Mans diskutiert. Führt Audi seine Dominanz an der Sarthe fort? Hat Porsche die Erwartungshaltung zu Unrecht gesenkt? Oder gelingt Toyota tatsächlich der große Coup beim Traditionsrennen im Nordwesten Frankreichs? Unsere Autoren haben getippt.

Branchenprimus Audi, Rekordsieger Porsche oder doch Außenseiter Toyota? Wer trägt in diesem Jahr den Triumph beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans davon? Die SportsCar-Info-Redaktion ist sich uneins über die Favoritenfrage beim Traditionsrennen im Département Sarthe. Die Tendenz: Unsere Autoren favorisieren überwiegend Porsche, andere schließen einen abermaligen Erfolg Audis aber nicht aus.

Maximilian Graf: Seit nunmehr fünfzehn Jahren engagiert sich Audi in Le Mans. Die Bilanz der Marke mit den vier Ringen liest sich mustergültig: zwölf Siege seit der Premiere in der Saison 1999. Zudem gelang Tom Kristensen, Emanuele Pirro und Frank Biela 2002 der Hattrick. Schreiben Audi und Joest Racing diese Erfolgsgeschichte fort? Konzernschwester Porsche sucht dies jedenfalls zu verhindern und stellt sich daher dem Prestigeduell.

Aber gelingt es dem Traditionshersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen, Branchenprimus Audi die Führungsrolle abspenstig zu machen? Zweifelsohne verfügt Porsche über das Potenzial, mit Audi auf der Strecke zu konkurrieren. Aber bis dato haderte das Weissacher Gespann mit der Zuverlässigkeit – den 919-Hybrid-Protoyp plagten Kinderkrankheiten. Es stellt sich folglich die Frage, ob jene Fehler bis zum Stichtag am nächsten Wochenende behoben sind.

Derweil avancierte Toyota überraschend zum umstrittenen Favoriten. Die TMG-Delegation triumphierte bei den Läufen zur Langstrecken-WM in Silverstone und Spa-Francorchamps überlegen. Obendrein ragte der TS040-Sportwagen in puncto Standfestigkeit heraus. Reüssieren also die Widersacher aus Fernost? Nein, denn an der Sarthe herrschen nochmals andere Bedingungen. Und ebendiese kennt insbesondere Joest Racing. Darum die Prognose: Le Mans bleibt Audi-Terrain.

Ralf Kieven: Ich würde auf keinen der drei Hersteller in der Werks-LMP1-Klasse Geld setzen. Die beiden Rennen der Langstrecken-Weltmeisterschaft in Silverstone und Spa konnten keinen wirklichen Aufschluss über die wahre Leistungsfähigkeit der neuen Prototypen geben und das Kräfteverhältnis zwischen den Herstellern erscheint nebulös.

Auf dem Papier hat ganz sicher Toyota die Nase vorn. Die japanische Truppe mit Sitz in Köln hat in der WM die Nase weit vorne. Die deutschen Platzhirsche Porsche und Audi wirken nach zwei Rennen schon fast wie Hinterbänkler. Aber ganz ehrlich: Lief das bislang nicht alles viel zu glatt für Anthony Davidson, Alexander Wurz und Co.?

Mein Favorit auf den Gesamtsieg ist ganz klar Porsche. Mag sein, dass bei diesem Tipp die Sympathie zur Marke, die bereits in den Siebzigern entstand, eine gewisse Rolle gespielt hat. Aber die Zuffenhausener wissen, worauf sie sich eingelassen haben. Kein Hersteller hat mehr Siege beim ältesten aller 24-Stunden-Rennen, niemand war so oft wie Porsche an der Sarthe aktiv.

Auch wenn die PR-Abteilung tiefstapelt. Die neu zusammengewürfelte LMP1-Mannschaft reist nicht nach Frankreich, weil dort Land und Leute so nett sind. Das Ziel heißt ganz klar: Gesamtsieg Nummer siebezehn. Und ich traue es Norbert Singers Erben zu.

Daniel Stauche: Es wäre ein Fehler, Audi abzuschreiben. Die bisherigen zwei Rennen der Langstrecken-Weltmeisterschaft gingen klar an Toyota, das ist Fakt. Das Team aus Köln und Signes hat über den Winter einen tollen Job gemacht und das Auto aus dem Vorjahr deutlich verbessert. Auch beim Testtag auf dem Circuit de la Sarthe führte TMG diese Stärke unbeirrt fort. Am Ende standen die Tagesbestzeit sowie die zweitbeste Höchstgeschwindigkeit zu Buche.

Doch damit die japanisch-deutsch-französische Kooperation zum alleinigen Favoriten zu erheben, wäre ein Fehler. Gerade die amtierenden Weltmeister und Le-Mans-Sieger bei Audi haben ganz sicher ihre Karten noch nicht vollständig aufgedeckt. Zwar verfolgt Doktor Wolfgang Ullrich mit seiner Truppe bei jedem Rennen die Siegesambitionen. Doch in der Vergangenheit bewiesen die Audianer, dass sie gerade nach einem eher schwachen Saisonauftakt in Le Mans zur Stelle waren.

Für den Hersteller aus Ingolstadt und Neckarsulm bleibt der Le-Mans-Sieg das Saisonziel, da nehmen sie ein oder zwei verlorene Rennen im Vorlauf als Kollateralschaden hin. Auch von der bisher niedrigsten Geschwindigkeit der drei Konstrukteure auf der Hunaudières-Geraden wird sich der R18 TDI nicht beeindrucken lassen. Und nicht zuletzt verfügt das Team Joest über die meiste Erfahrung in der neueren Le-Mans-Geschichte – die Mannschaft aus dem Odenwald weiß, worauf es wirklich ankommt.

Porsche hingegen muss sich nach der langen Abstinenz erst einmal selbst finden. Zwar setzten die Zuffenhausener schon im vergangenen Jahr zwei Neunelfer erfolgreich ein, allerdings unter der Hilfe der erfahrenen Manthey-Truppe. Nun, auf sich allein gestellt, muss die Motorsport-Abteilung aus Weissach von selbst überleben – eine Überraschung: nicht ausgeschlossen.

Daniel Schnichels: Auf dem Papier ist Toyota für mich ganz klarer Favorit. Der japanische Konstrukteur scheint in der Langstrecken-WM jetzt richtig angekommen zu sein. In dieser frühen Phase der Saison zeigt Toyota eine bestechende Form. Jedoch ist Le Mans ein anderes Kaliber und die Strecke bietet mit einem hohen Vollgasanteil eine andere Herausforderung für alle Fahrzeuge und Piloten.

Porsche traue ich den Sprungs aufs Podium zu, jedoch reicht es nicht für den Sieg. Dafür hat der Prototyp noch zu viele Kinderkrankheiten. Audi ist an der Sarthe immer in der Lage, um den Sieg mitzufahren. Jedoch kommen die Ingolstädter noch nicht richtig in Tritt, die ersten beiden WM-Läufe sollten ein Warnschuss gewesen sein. Jedoch bin ich der Meinung, dass sich der Titelverteidiger aus dieser Misslage befreien kann. Letztendlich denke ich, dass die TMG-Abordnung sich den Sieg beim Langstreckenklassiker schnappen kann.

Tim Keuler: Auch wenn das Gros der Experten Porsche davor warnt, dass das erste Jahr ein Lehrjahr wird. Ich sage: Passt auf die Zuffenhausener auf! Auch wenn es, gerade nach dem Lauf in Spa-Francorchamps, den Anschein hat, dass Toyota eine Vormachtstellung genießt, habe ich nach der doch sehr starken Vorstellung von Porsche zu Beginn des Rennens das Gefühl, dass die 919 Hybrid einen Überraschungserfolg landen könnten. Audi wirkt für mich in diesem Jahr nicht so gut aussortiert wie in den vergangenen Jahren. Auf Toyota zu tippen wäre zu einfach, deshalb wage ich etwas und sage: wenn die Autos halten, macht Porsche das Rennen.

Nick Preylowski: Mein Favorit für die 24 Stunden von Le Mans ist ganz klar Porsche. Der sechzehnfache Gesamtsieger hat in der Vorbereitungsphase alles bis ins kleinste Detail durchschauen können und ist somit gut vorbereitet. Außerdem ließ sich bei den ersten zwei Langstreckenläufen ein klarer Aufwärtstrend feststellen. Bereits im zweiten Rennen startete Porsche von der Poleposition.

Auch wenn Porsche bei den Testfahrten nur dritte Kraft der Hersteller war, sollte man die Mannschaft nicht abschreiben. Außerdem sollte Porsche mit dem Topspeed des 919 Hybrid auf den langen Geraden einen Vorteil haben.

Toyota und Audi werden als Verfolger beide gleichauf sein. Die Testfahrten haben gezeigt, dass Audi auf den Geraden mithalten kann. Das größte Problem wird Toyota meiner Meinung nach mit der Haltbarkeit des Tausend-PS-Monster-Motors haben.