Spa im Rückspiegel: Audi-Spazierfahrt durch die Ardennen

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Eine Klasse, zwei Rennen, kein Wettbewerb: Die zweite Runde der Langstrecken-WM akzentuierte neuerlich die Spaltung des Prototypen-Oberhauses. Audi spielte in Spa-Francorchamps den Alleinunterhalter und testete ausgiebig seine beiden Konzepte. Die Privatiers fochten dahinter ihre eigenen Duelle aus.

Audi hat die Generalprobe für die 24 Stunden von Le Mans bravourös gemeistert. Beim Sechs-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps leistete sich die Ingolstädter Delegation keinerlei Fehler und vollstreckte einen beispiellosen Siegeszug durch den Ardenner Wald. Dabei wurde die Konkurrenz wahrlich desavouiert, denn die Semiwerksmannschaften um Rebellion-Toyota, Honda und Gefolge konnten nicht einmal annäherungsweise Schritt halten.

De facto existierten innerhalb der LMP1-Wertung neuerlich zwei Wettbewerbe: der interne Wettstreit zwischen den beiden Audi-Konzepten und das Duell um die beste Platzierung unter den Anhängern des Ottomotors. Bei Letzterem offenbarten sich die eidgenössischen Rebellen als dominierendes Gespann, das mit aller Kraft die Toyota-Fahnen hochhielt. Denn in Abwesenheit der Werkstruppe des japanischen Konstrukteurs platzierte die Schweizer Rebellion ihre Lola-Coupés auf den Rängen fünf und sechs im Gesamtklassement.

Dennoch verbuchte die Toyota-Abordnung als ärgste Verfolger der Audi-Übermacht beim Fallen der Zielflagge einen Rückstand von drei Runden – die Zahlen sprechen für sich. Den innerbetrieblichen Wettkampf der Audianer entschied wiederum der konventionelle Selbstzünder zu Ungunsten des innovativen Hybridsystems für sich. Allerdings spielten äußere Umstände eine rennentscheidende Rolle. Schließlich waren die zwittrigen e-tron-Renner unmittelbar nach dem Start auf nasser Piste noch tonangebend.

Viermal Audi auf dem Stockerl

André Lotterer erkämpfte zwischenzeitlich einen einminütigen Vorsprung auf die Verfolger im TDI-Pendant, doch im Trockenen neigte der Elektrorenner zum Untersteuern. Allerdings führten letztendlich unterschiedliche Taktiken die Entscheidung herbei. Ersatzfahrer Marc Gené vertraute bereits beim ersten Boxenstopps auf Trockenreifen, während seine Markenkollegen hingegen mit Intermediates bestückt wurden. Der sukzessive abtrocknende Asphalt ebnete Gené und seinen französischen Kumpanen Romain Dumas und Loïc Duval schlussendlich den Weg zum Sieg. 

Dahinter reihte sich der Hybrid-Renner von Lotterer, Marcel Fässler und Benoît Tréluyer vor dem Dieselduo Oliver Jarvis und Marco Bonanomi ein. Der zweite e-tron-Bolide der Audi-Urgesteine Rinaldo Capello, Tom Kristensen und Allan McNish verlor indes massig Zeit an der Box wegen einer defekten Beleuchtung. Deshalb beendete das Trio den Wertungslauf lediglich an vierter Stelle. Ein Trostpflaster: Immerhin gewannen die Routiniers die Michelin-Green-X-Challenge mit dem umweltfreundlichsten Auto. Darum waren letzten Endes doch sämtliche Audi-Akteure auf dem Podium vertreten. 

Die alten Fotostrecken sind leider nicht mehr verfügbar.

„Alle Autos sind technisch ohne Probleme ins Ziel gekommen. Die Wahl von Audi, auf zwei Konzepte zu setzen, war richtig“, bilanziert Ralf Jüttner, Technischer Direktor bei Audi. „Der R18 e-tron quattro ist ein starkes Auto, aber der R18 ultra hat eben auch gewisse Vorteile. Mit dem R18 e-tron quattro wird in der Zukunft aber noch einiges kommen.“ 

Sein Kollege Dieter Grass, der den Renneinsatz leitete, pflichtet bei: „Es hätte insgesamt nicht besser laufen können, auch wenn es zum Schluss noch ein bisschen unberechenbar wurde. Wir haben uns an zwei Autos jeweils einen Reifenschaden eingefangen, weil nach den vielen Unfällen offensichtlich einige scharfe Teile auf der Strecke gelegen haben. Technisch liefen die Autos sechs Stunden lang ohne Probleme. Das war ein wichtiger Schritt in der Vorbereitung auf Le Mans.“ 

Hybrid und Selbstzünder auf einem Level, Rebellion dahinter tonangebend 

Unterm Strich war es dennoch ein spannungsarmes Rennen im Prototypen-Oberhaus. Es bleiben lediglich einige Erkenntnisse im Hinblick auf den Sarthe-Klassiker: Einerseits konkurrieren die beiden Audi-Renner auf Augenhöhe – wobei unklar ist, ob das maximale Potenzial der beiden Fahrzeuge ausgeschöpft wurde. Es wäre nicht abwegig, wenn die Hybridvariante aus Vermarktungsgründen allein dreimal die Trainingsbestzeit erzielte. 

Andererseits können erste Aussagen über das Kräfteverhältnis im Benzinlager getroffen werden. Schließlich dominierte Rebellion Racing nicht ausschließlich am Renntag, sondern auch in den Trainingssitzungen und der Qualifikation. Einzig die Pescarolo-Equipe und die Strakka-Truppe wurden den Rebellen von Zeit zu Zeit gefährlich, aber wo drückte der Schuh beim Rest? Zumal sich die Hackordnung beim Auftakt noch anders gestaltete. 

Siebenter wurde das Strakka-Ensemble Nick Leventis, Jonny Kane und Danny Watts. Letzterer mogelte sich im Pulverdampf des Startschusses gar bis auf Position fünf nach vorne und verteidigte sich mit Leibeskräften gegen Dome-Pilot Sébastien Bourdais. Allerdings hatten sich die britischen Techniker auf eine nasse Partie eingestellt und bereiteten dementsprechend eine Regenkonfiguration vor. 

Auf abtrocknender Piste geriet das Honda-Dreigestirn schlussendlich ins Hintertreffen. Gleichwohl kann Rang sieben nach dem Unfall im Training – wobei das Auto gänzlich zerstört und anschließend binnen kürzester Zeit wieder hergerichtet wurde – als Erfolg verbucht werden. „Nach dem Rückschlag im freien Training war es großartig, im Rennen zurückzuschlagen und ein solides Ergebnis zu erzielen“, rapportiert Watts.

Technische Probleme bei Oak und Dome 

Indes waren die Eichen nach der verkorksten Qualifikation ebenfalls auf dem steigenden Ast. Die Oak-Piloten Betrand Baguette, Dominik Kraihamer und Guillaume Moreau schielten in der finalen Phase gleichermaßen auf die siebente Position, doch ein Aufhängungsschaden zwang die französische Mannschaft zur Aufgaben. Der Pescarolo-Judd-Bolide gab drei Minuten vor dem Fallen der Zielflagge den Geist auf. 

Rebellion-Toyota reiste wiederum mit einigen Modifikationen an den Lola-Flitzern in das Rheinische Schiefergebirge und nutzen besagte Verbesserungen schonungslos aus. Neel Jani und Nicolas Prost sicherten sich gemeinsam mit Gaststarter Nick Heidfeld Platz fünf, während sich die Stallgefährten Andrea Belicchi und Harold Primat trotz Durchfahrtsstrafe dahinter einsortieren. Somit führen die Rebellen die Tabelle in der Privatierwertung unangefochten an. 

Das JRM-Team erlebte in der Zwischenzeit ein Wochenende zum Vergessen. Der HPD-Renner landete bereits auf dem Weg zur Startaufstellung in der Reifenbarriere und musste das Rennen aus der Boxengasse starten. Die Lücke zur Spitzengruppe konnte im Laufe der Sechs-Stunden-Distanz nicht geschlossen werden. David Brabham, Karun Chandhok und Peter Dumbreck tummelten sich beim Kreuzen der Ziellinie im LMP2-Feld. 

Das Debüt des Dome S102.5 unter der Ägide von Le-Mans-Ikone Henri Pescarolo haderte wiederum an technischen Gebrechen. Obgleich Bourdais und sein Kollege Nicolas Minassian in puncto Leistung definitiv bei der Musik waren, plagten den pazifischen Rennwagen noch Kinderkrankheiten. Die Elektrik macht dem Gespann zu schaffen und warf die japanisch-französische Partnerschaft ans Ende des LMP1-Klassement zurück. 

Fortan bleibt den Protagonisten noch ein Monat, bis zum Le-Mans-Testtag am 3. Juni. Auf den Landstraßen im Nordwesten Frankreichs können die Akteure die letzten Feinschliffe vor dem Stichtag im Juni tätigen. Dann treffen auch Toyota und Audi mit ihren Hybridsystem erstmals aufeinander.