An diesem Wochenende debütiert Nissan beim Le-Mans-Test. Allerdings ranken sich Gerüchte um den Erstauftritt, wonach zwar eine Homologation für die Zwei-Mega-Joule-Klasse erfolgt ist, das Hybridsystem aber dysfunktional sei. Derweil stellt sich die Frage: Fahren Audi, Porsche und Toyota Rekordzeiten?
Ein Novize ersucht die Aufnahme in den Zirkel der motorsportlichen Avantgarde: Nissan. Der Hersteller aus Fernost stellt sich beim traditionellen Le-Mans-Testtag auf dem Circuit de la Sarthe erstmals dem direkten Vergleich mit der Konkurrenz von Audi, Porsche und Toyota. Seit der Präsentation im Februar existieren unter Technikexperten widerstreitende Meinung zum bizarren Konzept des Herausforderers.
Der brandneue Nissan GT-R LM Nismo bricht mit jedweden Konventionen des Rennsports. Trotz zuversichtlicher Meinungen dominieren Skepsis und Zweifel die Diskussionen um den japanischen Neuzugang. Originär, aber inkonsistent? Wagt Nissan gar die Quadratur des Kreises? Obendrein geriet Nissan vielerorten in Misskredit, nachdem der japanische Konstrukteur sowohl den Prolog als auch die beiden WM-Läufe in Silverstone und Spa-Francorchamps absagte.
Darum ertönte bereits die zynische Kritik, Nissan verwende seine Ressourcen vordergründig, um seine Vermarktung zu perfektionieren, anstatt diese in die Entwicklung eines konkurrenzfähigen Fahrzeugs zu investieren. Hauptsache, jedermann erfahre von dem widerspenstigen Konzept des fernöstlichen Autobauers. Die tatsächliche Leistung auf der Strecke sei schließlich sekundär, nachdem der mustergültig inszenierte Werbefilm in der Pause der Super-Bowl-Finalrunde auf Abermillionen von Fernsehschirmen flimmerte.
Ben Bowlby: „Das ist die Kehrseite der Innovationen“
Nach weiteren PR-Aktion hat Nissan dieser Tage endlich sein Datenblatt publik gemacht. Und somit zu den technischen Fakten: der Prototyp GT-R LM Nismo verfügt zunächst einmal über einen Frontmotor und weicht damit grundsätzlich von der Usance der Motorsportbranche ab. Die Masse des Boliden beträgt wiederum achthundertsiebzig Kilogramm. Der Antrieb erfolgt vermittels Drei-Liter-V6-Turbomotor mit Benzindirekteinspritzung.
Darüber hinaus hat Nissan mittlerweile bestätigt, sein Gefährt für die die Zwei-Megajoule-Hybrid zu homologieren. Und dieser Vorgang tangiert ein weiteres heikles Thema. Denn es ranken sich Gerüchte um den Einsatz, wonach sich Nissan lediglich pro forma für eine Hybrideinstufung entschieden habe, weil das System zur Rekuperation dysfunktional sei. „Das ist die Kehrseite der Innovationen: Es schmerzt, falls nicht alle Teile in der kurzen Zeit zusammenpassen“, äußert sich Ben Bowlby in einer Pressemitteilung, der die Stellung des Technischen Direktors innehat.
Eine weitere hermetische Formulierung öffnet ebenfalls interpretatorischen Raum. „Jedoch werden wir eine Menge darüber lernen, wie wir beim diesjährigen Rennen das Maximum aus unserem V6-Benzinmotor herausholen“, setzt Bowlby nach. Die genannten Zahlen klingen daher geradezu illusorisch. Demnach habe Nissan bei den Vorbereitungen allein mithilfe eines Acht-Megajoule-Antriebs 1 100 PS erzielt – plus die fünfhundert des Verbrennungsmotors.
Porsche fährt erstmals mit Sonderlackierungen
Im Augenblick kann man sich also ausschließlich auf die Aussagen der Verantwortlichen und Fahrer berufen, die mit anhaltendem Optimus gen Sarthe aufbrechen. Die Probefahrt am Sonntag ermöglicht somit eine erste Standortbestimmung, wo sich Nissan einordnet. Zugleich rücken zwei weitere Fragen in den Fokus: Welche Hierarchie ergibt sich zwischen Audi, Porsche und Toyota? Und wie entwickeln sich die Rundenzeiten gegenüber dem Vorjahr?
Um die erste Frage zu beantworten, muss man weder Orakel, noch Hellseher konsultieren. Porsche wird daran gehen, seinen Vorteil in puncto Hochgeschwindigkeit auszuspielen – ebenso seine acht Megajoule. Zudem fährt Porsche erstmals mit seinen Le-Mans-Lackierungen in Schwarz, Weiß und Rot. Die Farbgebung hat die Werksmannschaft aus Stuttgart-Zuffenhausen allerdings nicht grundlos vorgenommen.
Rot ist eine Hommage an ebenjenen Sportwagen, mit dem Porsche im Jahr 1970 erstmals in Le Mans den Sieg davontrug – dem Porsche 917 KH im Salzburg-Design. Am Steuer saßen Hans Herrmann und Richard Attwood. Schwarz symbolisiere wiederum den technischen Fortschritt und die Verbindung zum Modell 918 Spyder, mit dem Marc Lieb einen Rundenrekord auf der Nordschleife aufgestellt hat. Weiß ist wiederum die klassische Farbe für Automobile aus Deutschland.
Welches Niveau erreichen die Rundenzeiten?
Doch zurück zum Sportlichen: Es drängt sich die Frage auf, inwieweit es Audi und Toyota gelingt, die Geschwindigkeitsdifferenz auf der Hunaudières-Geraden zu minimieren. Die WM-Begegnung in Spa-Francorchamps ermöglichte bereits eine Gegenüberstellung der Le-Mans-Konfigurationen von Porsche und Audi. Der 919 Hybrid erreichte knapp dreihundertzwanzig Kilometer pro Stunde und war damit etwas zehn Kilometer pro Stunde schneller als der R18 e-tron quattro.
Damit gelangten die beiden Konzernschwestern allerdings nicht einmal annäherungsweise in die Dimension des Tempos, welches im vergangenen Jahr in Le Mans erreicht wurde. Toyota markiert dazumal mit fast dreihundertvierzig Kilometer pro Stunde den Bestwert. Apropos: Wie ist es eigentlich um den amtierenden Weltmeister bestellt? In den Ardennen rätselte die TMG-Abordnung selbst, warum sie ins Hintertreffen geraten ist.
Ein weiterer Aspekt, der die Fachgespräche dominiert: die Rundenzeiten. In der zurückliegenden Saison erfocht Kazuki Nakajima mit einem Umlauf binnen 3:21,789 Minuten die Poleposition. Ein Vergleich der Ergebnisse in Le Castellet, Silverstone und Spa-Francorchamps illustriert allerdings eine immense Leistungssteigerung. Im Schnitt sank die benötigte Zeit für eine Umrundung um drei bis vier Prozent. Umgerechnet auf den Circuit 24 Heures wären somit Rundenzeiten unter drei Minuten und vierzehn Sekunden nicht ausgeschlossen.
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