Nordschleife: Die Kunst, es allen recht zu machen

Am vergangenen Dienstag hat der DMSB Maßnahmen beschlossen, welche die Sicherheit auf der Nordschleife erhöhen sollen. Dies wurde notwendig, nachdem ein Zuschauer beim ersten Rennen der VLN-Saison bei einem Unfall getötet wurde. Aber nicht alle Maßnahmen stoßen auf uneingeschränkte Gegenliebe.

Am vergangenen Dienstag hat der DMSB Maßnahmen beschlossen, welche die Sicherheit auf der Nordschleife erhöhen sollen. Dies wurde notwendig, nachdem ein Zuschauer beim ersten Rennen der VLN-Saison bei einem Unfall getötet wurde. Aber nicht alle Maßnahmen stoßen auf uneingeschränkte Gegenliebe.

Nachdem Jann Mardenborough mit seinem Nissan beim Saisonauftakt der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf der Kuppe der Quiddelbacher Höhe abhob, im Bereich Flugplatz in den Zuschauerbereich geschleudert wurde und dabei ein Besucher des Rennens ums Leben kam und mehrere andere verletzt wurden, sah sich der DMSB unter Zugzwang. Schon am Sonntag nach der Tragödie teilte der Verband mit, die schnellen GT-Klassen auf der Nordschleife vorläufig zu suspendieren.

Alsbald wurde ein sogenannter „runder Tisch“ einberufen, an dem Vertreter aller Interessengruppen darüber diskutieren sollten, wie solch eine Katastrophe künftig vermieden werden könnte. Davor kamen aber schon in guter alter Stammtisch-Manier die selbsternannten Experten in den sozialen Medien und bei verschiedenen Presse-Ergüssen ans Licht.

Lange bevor die Unfallursache ermittelt war oder gar die Datenaufzeichnung des Nissan zur Verfügung steht, waren schnell die Schuldigen ermittelt. Für die einen war die GT3-Klasse die Wurzel allen Übels. Andere fanden den Schuldigen im Nissan, der ja schon immer an der Stelle extrem hoch abgehoben habe. Ein Fahrfehler, die Playstation-Karriere des jungen Piloten, die nicht mehr zeitgemäßen Kuppen auf der altehrwürdigen Nordschleife, eine Windböe, das Nordschleifen-Permit und verkleidete Unterböden wurden ebenfalls als Gründe benannt.

Außerdem war schließlich früher alles besser und in der guten alten Zeit gab es solche Probleme nicht. Was dabei in Vergessenheit geriet: Bereits 1968 gelangte der Brite Chris Irwin zu trauriger Berühmtheit, weil er beim Training zum Tausend-Kilometer-Rennen an derselben Kuppe vor dem Flugplatz an seinem Ford-P68-Rennwagen Unterluft bekam und sich ähnlich wie Mardenborough überschlug. Irwin erlitt dabei erhebliche Kopfverletzungen, aber gottlob war damals kein Zuschauer betroffen.

In einem waren sich aber alle einig. So ein Unfall darf sich nicht wiederholen, und es muss etwas passieren, dass eine solche Katastrophe künftig verhindert. Lösungen wurden daraufhin zahlreich von allen Seiten vorgeschlagen. Aber bitte nicht zu Lasten der eigenen Interessen. Den einen war es ganz recht, wenn die GT3-Boliden endlich verschwinden, andere wollten nicht mehr zum Ring kommen, wenn die spektakulären GT-Rennwagen nicht am Start sein würden. Schikanen und umfangreiche Änderungen an der Strecke wurden vorgeschlagen, andere lehnten aber einen Umbau des Kulturguts Nordschleife kategorisch ab.

Entscheidung unter Zeitdruck

Nun oblag dem DMSB die schwierige Aufgabe, in kürzester Zeit eine Lösung aus dem Hut zu zaubern, mit der möglichst viele Leben konnten. Ein umfangreicher Umbau der gefährlichen Streckenabschnitte war kurzfristig genauso unrealistisch, wie einschneidende Änderungen an der Aerodynamik der GT-Boliden. Wären die zunächst ausgesperrten Klassen weiterhin verboten geblieben, würden bei einem VLN-Rennen gut sechzig Rennwagen fehlen, was in etwa der Größe einer der drei Startgruppen entspricht.

Besonders hart hätte eine solche Entscheidung das Qualifikationsrennen am kommenden Wochenende getroffen. Wie im vergangenen Jahr werden dort vor allem die schnellen Klassen erwartet, da es dort schon die begehrten Plätze im Top-Qualifying zu gewinnen gibt. Es brauch also nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass ein GT-Ausschluss auf wenig Zustimmung auf Seiten des ADAC Nordrhein und der Industrie gestoßen wäre. So wurde schon vor der Veranstaltung am „runden Tisch“ die Parole ausgerufen: „Es darf keine Denkverbote geben.“

Am Dienstagnachmittag wurden die Lösungen der Experten-runde präsentiert. Fünf Prozent verringerte Motorleistung bei den leistungsstarken Klassen lassen sich mit Hilfe von Restriktor-Platten, die den Lufteinlass entsprechend begrenzen vergleichsweise leicht umsetzen. Diese Maßnahme dürfte aber eher symbolischen Charakter haben und weniger die GT3, sondern mehr die aerodynamisch weniger effizienten Rennwagen betreffen.

Mit der Sperrung von bestimmten Zuschauerplätzen kann sich die Nordschleifen-Szene noch am Ehesten abfinden. Immerhin will schließlich niemand von einem Rennwagen oder auch nur umher fliegenden Teilen getroffen werden.

Der dritte Punkt, nämlich die Geschwindigkeitsbegrenzung an Flugplatz, Schwedenkreuz und Döttinger Höhe, hat aber in den sozialen Netzwerken einen Shitstorm ausgelöst, der seinesgleichen sucht. Eine Rennstrecke in möglichst kurzer Zeit zu umrunden, passe nicht mit Tempolimits zusammen, ja sei geradezu paradox, so das Credo der Kritiker.

Alleine ein Alternativvorschlag, der alle Gemüter beruhigt, wurde bislang noch nicht unterbreitet. Ein Wegfall der GT3 und ähnlicher Klassen hätte wohl ebenfalls keine große Mehrheit gefunden. Einfach zur Tagesordnung über zu gehen und nichts zu unternehmen, verbietet sich nach den Ereignissen des ersten VLN-Laufs, bei dem ein Mensch sein Leben verloren hat.

Immerhin sind die Lösungsansätze nur als vorläufig zu betrachten und wenn die Tempozonen mit Bedacht gewählt werden, dürfte die Beeinträchtigung zumindest von außen kaum wahrzunehmen sein. Langfristig wird sicherlich noch über andere einschneidende Maßnahmen nachgedacht. Die Streckenführung, Leitplanken, Reifenstapel und FIA-Zäune dürften dabei genauso auf dem Prüfstand stehen, wie die schnellsten Rennwagen, die derzeit auf der Nordschleife im Wettbewerb antreten dürfen und ihre Reifen. Es wird spannend bleiben, die Entwicklung zu beobachten.


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