Phantomrennen am Fuji: Toyota ging beim Heimspiel als formeller Sieger einer Safety-Car-Prozession hervor. Die Organisatoren unternahmen drei Versuche, den WM-Lauf zu starten, bis die Funktionäre den Wettbewerb wegen widriger Bedingungen abbrachen. Die Entscheidung stößt auf Unverständnis und Zustimmung zugleich.
Es mutete ein Stück weit absurd an, was sich am Fuße des heiligen Berges Fuji zutrug. Obwohl die Protagonisten der Langstrecken-WM keine einzige Runde unter Wettbewerbsbedingungen absolvierten, vollzog sich in einem denkwürdigen Safety-Car-Rennen in Oyama ein Führungswechsel. Zwar startete Audi von der Poleposition, aber Toyota gewann den drittletzten Wertungslauf ohne Gegenwehr seiner Widersacher.
Wetterkapriolen in der Region Kant? schafften am Samstagmittag schwierige Streckenverhältnisse auf dem Fuji Speedway. Aufgrund heftiger Regenfälle kämpften die Akteure mit Aquaplaning. „Unsere Autos sind bei solch starkem Regen unfahrbar“, rapportiert Audi-Werksfahrer Loïc Duval. „Es ist, als würde man mit einem Boot fahren.“ Daher beschlossen die Rennaufseher unter der Leitung von Eduardo Freitas, den Sechs-Stunden-Lauf am Fuji unter Gelb zu starten.
Lediglich zwanzig Minuten umkreiste das Teilnehmerfeld anschließend hinter dem Sicherheitsfahrzeug den Fuji Speedway, ehe die Organisatoren eine Unterbrechung mit der roten Flagge anordneten. Sodann unternahmen Freitas und seine Kollegen zwei weitere Versuche, das Rennen wiederaufzunehmen. Aber schlussendlich brachen die Verantwortlichen das Rennen wegen der widrigen Bedingungen endgültig ab.
Porsche: „Abbruch ist für uns nicht nachvollziehbar“
Im Anschluss an die umstrittenen Ereignisse gerät die Rennleitung allerdings für ihre zögerlichne Entscheidungen und ihren Wankelmut massiv in die Kritik. Schließlich trocknete der Asphalt im Laufe des Nachmittags ab; der Himmel klarte auf, bevor vereinzelt wieder Regenschauer auftraten. „Der Abbruch zu diesem Zeitpunkt ist für uns nicht nachvollziehbar“, macht sich Porsche-Projektleiter Marco Ujhasi Luft.
Für die Zuffenhausener Mannschaft seien die Voraussetzung gegeben gewesen, den Wettbewerb aufzunehmen. „Es war zuvor 45 Minuten regenfrei, allenfalls mit einem kurzen Schauer, da hätte man auf jeden Fall fahren können“, fährt Ujhasi fort. „Der endgültige Abbruch kam viel zu früh. Für uns ist die Absage besonders bitter, denn bei diesen Bedingungen hätten wir die besten Chancen auf einen Doppelsieg gehabt.“
Sein Schützling Marc Lieb pflichtet bei – das Rennen hätte schlussendlich gestartet werden können. „Der erste Abbruch war sicherlich gerechtfertigt, der zweite vielleicht auch, doch dazwischen hatten wir mindestens ein Zeitfenster von zwei Stunden, wo wir hätten fahren können“, erklärt der Porsche-Pilot. „Einige Konkurrenten waren offensichtlich auf einer anderen Strategie unterwegs, und wegen denen hat man schließlich abgebrochen.“
Audi geht mit der Rennleitung konform
Die Porsche-Delegation hatte bereits nach der Qualifikation auf Regen gehofft, da feuchte Pistenverhältnisse dem Neunelfer in der Vergangenheit zupass kamen. „Da frage ich mich, warum wir mit unserem Partner Michelin viel Zeit investiert und tolle Regenreifen entwickelt haben, wenn wir sie dann nicht fahren dürfen“, bringt Lieb seinen Frust über den Entschluss der Veranstalter zum Ausdruck.
Sein Kollege Richard Lietz landet gar einen zynischen Seitenhieb zur Konkurrenz. „Wir haben viel Reifenentwicklung betrieben und hatten einen guten Regenreifen“, äußert sich der Österreicher und wettert gegen die Konkurrenz. „Andere offensichtlich nicht. Mit Rücksicht auf sie hat man das Rennen dann abgebrochen.“ Dennoch sind sich die Akteure im Fahrerlager uneins. Etwa die Mitstreiter der Konzernschwester Audi, welche mit der Entscheidung der Funktionäre konform gehen.
„Und dass das Rennen schließlich abgebrochen wurde, war die einzige vernünftige Entscheidung – Sicherheit hat immer höchste Priorität“, urteilt Audi-Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich. Sportwagen-Routinier Allan McNish kommentiert wiederum zweifelhaft: „Bei diesem starken Rennen war es richtig, hinter dem Safety-Car zu starten und das Rennen abzubrechen. Unsere Autos sind dafür konstruiert, bei trockenen Bedingungen zu fahren.“
Aus sportlicher Sicht: katastrophal
Im Großen und Ganzen dürfte der Ausgang dieses denkwürdigen Rennens allerdings im Sinne beider Konstrukteure sein. Schließlich hat sich Audi vorzeitig den Titel in der Marken-Weltmeisterschaft gesichert, während Toyota formell einen Heimsieg feierte. Dennoch gaben die Verantwortlichen mit ihrer zaudernden Haltung eine miserable Figur ab, weshalb sich der Akt in Oyama zur Farce entwickelte.
Zweifelsfrei war die Rennleitung zwischen Skylla und Charybdis: Einerseits hatte Freitas mit seinen Kollegen die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen; andererseits sollte auf dem Fuji Speedway ein sportlicher Wettkampf stattfinden. Letztendlich führte das Safety-Car 16 Runden lang eine Prozession an, wofür obendrein Punkte vergeben wurden – aus sportlicher Sicht: katastrophal. Die nachfolgende Siegerehrung sorgte ebenfalls vielerorten für Kopfschütteln.
Ebenso wenig erwogen die Organisatoren, eine Besserung der Wetterlage abzuwarten. Stattdessen versucht der ACO, seine Position zu rechtfertigen. „Die heutigen Sechs Stunden von Fuji waren nicht das Rennen, das wir den tausenden von japanischen Fans bieten wollten, die angereist waren um, die FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft zu sehen“, räumt Gérard Neveu ein. „Jedoch trafen die Sportfunktionäre die richtige Entscheidung im Hinblick auf das Rennen im Interesse der Sicherheit unserer Fahrer und Rennställe, was stets höchste Priorität genießt.“
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