Audi hat sich wieder einmal die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Seit nunmehr 13 Jahren beherrschen die Ringträger das Geschehen an der Sarthe mit kleinen Unterbrechungen fast nach Belieben. Das konnte auch der größte Autohersteller der Welt im ersten Versuch nicht ändern – Toyota brannte nur ein kurzes Feuerwerk ab.
Die Ingolstädter feiern sich selbst nach ihrem Dreifachtriumph bei der 80. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans. Das Ergebnis war zu erwarten und könnte von einem langweiligen Rennen zeugen, was es aber mitnichten war. Die Rückkehrer aus Japan waren erstaunlich nah am großen Dominator der letzten Jahre dran. Ganz kurz lag sogar einer der beiden blauweißen Boliden in Führung. Nach dem Ausscheiden der beiden Toyota-Flitzer lieferten sich die beiden Hybrid-Audis einen weitgehend offenen Kampf um den Gesamtsieg und auch die Rebellion-Toyota-Truppe legte einen Finger in die Audi-Wunde, als einer des Ringe-Quartetts strauchelte.
Hybride legen vor
Vom Start weg leisteten die Titelverteidiger André Lotterer, Benoît Trélyuer und Marcel Fässler die Führungsarbeit. Der zweite e-tron quattro mit Geburtstagskind Dindo Capello, Tom Kristensen und Allan McNish hielt sich in Schlagdistanz. Die beiden mit konventionellen Diesel-Aggregaten ausgestatteten R18-ultra hatten immer wieder mit kleinen Problemen zu kämpfen und hatten Alles in Allem nicht den besten Tag.
Zur Überraschung vieler Beobachter hielten sich die beiden Toyota TS030 Hybrid wacker auf den Rängen drei und vier. Die Kölner Japaner konnten sogar die schnelle Gangart der Audianer mitgehen. Zwar hatten die Audis in puncto schnellste Runde die Nase vorn und es stellte sich heraus, dass die Diesel ein bis zwei Runden pro Stint länger fahren konnten, aber in der Summe konnten die Toyota-Prototypen den Anschluss halten.
Bereits in der Qualifikation war aufgefallen, dass Toyota im zweiten Sektor die schnellsten Zeiten fuhr. Dieser Sektor besteht im Wesentlichen aus den langen Geraden, wo die Japan-Renner auch bei der Topspeed-Messung vorne lagen, was das Überholen von langsameren Fahrzeugen im Verkehr vereinfachen sollte. Als man bei Audi mit dem aufgesammelten Gummi in den Reifen kämpfte und fast alle ringtragenden Renner unplanmäßig die Box zum Reifenservice aufsuchten, lagen die pazifischen Renner plötzlich auf den Rängen zwei und drei.
Im Paarflug machten die beiden Toyotas in der Folge Boden gut, bis der Audi mit der Nummer eins in Sichtweite kam. In der Folge rang Nicolas Lapierre im Toyota Tréluyer im Audi nieder, und es entbrannte ein sehenswerter Kampf der beiden Prototypen-Asse um die Führung. Mitten in diese spannende Phase platze der Horror-Unfall von Anthony Davidson im zweiten Toyota.
Der Brite wurde beim Überholen eines Ferraris aus der GT-Amateurklasse touchiert und flog danach spektakulär in die Streckenbegrenzung. Davidson zog sich Brüche zweier Rückenwirbel zu, die aber aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit verheilen werden. Geschah Davidsons Ausfall noch unverschuldet, erwies Kazuki Nakajima, der den Toyota von Lapierre während der Safety-Car-Phase übernommen hatte, seinem Team einen Bärendienst. Vollkommen überhastet versuchte er Marcel Fässler im Audi vor ihm zu attackieren und kickte dabei im dichten Verkehr den DeltaWing von der Strecke.
Gleichzeitig zog er sich einen Plattfuß hinten rechts zu und beschädigte die Heckverkleidung seines Boliden. Der Schaden war an der Box schnell behoben. Bald zeigte sich aber, dass der Zwischenfall nicht ohne Folgen bleiben sollte. Die im Heck des Wagens montierte Lichtmaschine wurde bei dem Zusammenprall mit dem DeltaWing beschädigt. Die notwendige Reparatur warf Toyota endgültig aus dem Rennen an der Spitze. Der später folgende Motorschaden war nur noch eine Randnotiz.
Audi-interner Wettstreit
Ohne ernsthaften Gegner hätten die Audi-Besatzungen den Rest der Hatz locker ausrollen können. Audi-Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich gab aber grünes Licht für einen teaminternen Kampf um die Le-Mans-Krone. Die Fahrer der beiden R18 e-tron quattro ließen sich nicht lange bitten und lieferten sich lange ein Duell mit vielen Führungswechseln. Insgesamt änderte sich 14-mal der Spitzenreiter. Das hohe Risiko blieb aber nicht ganz ohne Folgen. Beide Hybride leisteten sich einen Ausritt von der Piste mit entsprechender Karosserieverformung und Reparaturpause.
Alles in Allem ging es für die Nummer eins besser aus und nach 24 Stunden und 378 Runden war die Titelverteidigung für das Trio Fässler, Tréluyer und Lotterer perfekt. Für die beiden R18 ultra hingegen lief das Rennen eher durchwachsen. Beide hatten im Verlauf des Rennens immer wieder mit Problemen zu kämpfen und fielen immer wieder durch ungeplante Boxenaufenthalte zurück. Am Ende reichte es zwar für den dritten Platz für die Besatzung Bonanomi, Jarvis und Rockenfeller, die fehlerlose Rebellion-Truppe schaffte es aber die Viererbande zu sprengen.
Nicolas Prost, Neel Jani und Nick Heidfeld holten vor dem zweiten R18 ultra einen respektablen vierten Platz. Trotz problematischer Ersatzteilversorgung seitens Lola lief das Toyota betriebene B12/60 Coupé wie Schweizer Uhrwerke. Auch die Fahrer leisteten sich keine gravierenden Fehler und sorgten somit für eins der besten Ergebnisse für den britischen Rennwagen-Hersteller in seiner Le-Mans-Historie. Wie es für die Rebellen weitergeht steht allerding in den Sternen.
Als letzter LMP1 vor der LMP2-Brigade im Klassement beendete JRM das Rennen auf dem sechsten Platz. Die HPD-Honda-Truppe Brabham, Chandhok und Dumbreck dürfte mit dem Abschneiden zufrieden sein. Die Markenkollegen von Strakka Racing kamen auf Platz 30 so gerade noch in Wertung ins Ziel. Henri Pescarolos Traditionsrennstall traf es noch härter. Der Pescarolo-03-Judd war nach drei Rennstunden der zweite Ausfall des Rennens. Der Dome-Judd des Teams kreuzte zwar nach 24 Stunden die Ziellinie, 203 gefahrene Runden reichten allerdings nicht für eine Zielankunft in Wertung.
Toyota-Bosse zeigen Größe
Für eine positive Randnotiz sorgte die Toyota-Teamführung am Sonntagmorgen. Der Teamchef der Japaner stattete dem Nissan-Hauptquartier einen Besuch ab, um sich für Nakajimas Fehler, der den Nissan-DeltaWing in die Mauer zwang, zu entschuldigen. Willkommen zurück, Toyota!
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