Fuji: Offener Titelkampf dank doppelter Stallregie

Die Situation ist ambivalent: Sowohl Porsche als auch Audi wiesen am Fuji eine Stallregie an, wodurch sich ein Minimalabstand im Titelkampf der Langstrecken-WM ergibt. Eine unsportliche Entscheidung zugunsten des Sports? Indes war der Ingolstädter Konstrukteur imstande, seine Konzernschwester phasenweise unter Druck zu setzen.

Die Situation ist ambivalent: Sowohl Porsche als auch Audi wiesen am Fuji eine Stallregie an, wodurch sich ein Minimalabstand im Titelkampf der Langstrecken-WM ergibt. Eine unsportliche Entscheidung zugunsten des Sports? Indes war der Ingolstädter Konstrukteur imstande, seine Konzernschwester phasenweise unter Druck zu setzen.

Auch nach der Kraftprobe am heiligen Berg hegt niemand Zweifel an Porsches unangefochtener Vorrangstellung in der Langstrecken-WM. Die Begegnung in Fuji förderte abermals zutage: Im Normalfall bleibt die Delegation aus Weissach geradezu unbezwingbar. Dies demonstrierte der vierte Saisonsieg en suite – obendrein der dritte Zweifacherfolg für die Tabellenführer der Konstrukteurwertung. 

Gleichwohl tat sich für Konterpart Audi ein Silberstreif am wolkenverhangenen Horizont über der japanischen Region Ch?bu auf. Denn die Marke mit den vier Ringen brachte ihre Konzernschwester bei den monsunartigen Regenfällen am Sonntagvormittag ernstlich in Bredouille. Auf nassem Asphalt unterliefen dem Klassenprimus wiederholt Missgeschicke, wogegen Audi souverän agierte und vorübergehend die Führung eroberte.

Ferner sandte Audi bereits im Training ein Signal an die Konkurrenz – mit der Bestzeit in der Eröffnungssitzung. Selbst in der Qualifikation pirschte sich André Lotterer bis auf wenige Zehntelsekunden an Porsche heran, wähnte sich sogar in der vordersten Reihe der Startaufstellung. Allerdings räumte Porsche schon im Vorhinein ein, die Charakteristik des Traditionskurses – extrem lange Start-Ziel-Gerade, winklige Schlusspassage – werde Schwierigkeiten bereiten.

Stallregie sorgt für Spannung im Titelkampf

Während sich Porsche also mit Bedenken trug, attackierte Audi. Letztlich genügte die Darbietung aber nicht. Die Zuffenhausener feierten einen abermaligen Doppeltriumph: Mark Webber, Timo Bernhard und Brendon Hartley kreuzten die Ziellinie vor Romain Dumas, Marc Lieb und Neel Jani. Innerhalb der Audi-Hackordnung ordneten sich Lotterer, Benoît Tréluyer und Marcel Fässler über Loïc Duval, Lucas di Grassi und Oliver Jarvis ein. 

Das Resultat führte zugleich eine Positionsverschiebung im Fahrerklassement herbei. Webber, Bernhard und Hartley führen nun mit einem Punkt Vorsprung vor Lotterer, Tréluyer und Fässler – eine gleichsam ideale Ausgangssituation für zwei kurzweilige Finalläufe in Shanghai und Manama. Ein bitterer Beigeschmack bleibt allerdings: Zwei Anweisungen zur Stallregie bedingten den Endstand in Oyama. 

Ungünstigerweise befanden sich die Titelaspiranten im internen Zweikampf beider Hersteller im Hintertreffen – bei Porsche aufgrund eines Boxenstopps während Full Course Yellow, bei Audi wegen eines missglückten Reifenpokers. Daher fassten die jeweiligen Verantwortlichen am Kommandostand die Entscheidung, einen Positionstausch durchzuführen, um den Punktegewinn beim Viertelfinale am Fuji zu maximieren. 

Unsportliche Entscheidung zugunsten des Sports? 

Freilich: Man kann zweifelsohne anmerken, die Teamräson verlangt es gewissermaßen, in solch einem Fall im Hinblick auf den Titelkampf ebenjene Entscheidung zu treffen. Dennoch: Insbesondere der Langstreckensport rühmt sich stets mit dem Attribut, echten Motorsport zu bieten. Sollte die Langstrecken-WM als Königsklasse dies nicht auch repräsentieren? Drittens aber wiederum: Der Beschluss hat eine spannende Konstellation für die Restsaison geschaffen. 

Was wiegt also mehr? Sportpolitische Vernunft oder das Prinzip des sportlichen Wettbewerbs? War es eine unsportliche Entscheidung zugunsten des Sports? Schließlich wurde der Vorteil quasi egalisiert. Obwohl die Antwort offensichtlich sein sollte, fällt die tatsächliche Bewertung sicherlich ambivalent aus. Fakt ist nichtsdestoweniger: Vor dem Semifinale in Shanghai trennt die Besatzungen von Porsche und Audi lediglich einen Zähler. Vermag die Ingolstädter Mannschaft, die Partie nochmals zu wenden?

Bei Audi herrscht geradezu Gewissheit. „Mit unserem aerodynamisch verbesserten Auto sind wir in der Tat näher an die Spitze gekommen, auch wenn wir in Japan noch nicht die Früchte unserer Arbeit ernten konnten“, konstatiert Einsatzleiter Chris Reinke. „Bereits im Qualifying war unsere Leistungssteigerung sichtbar. Wir haben den Abstand zu Porsche deutlich verkürzt. Das Rennen in Fuji konnten wir in der Anfangsphase anführen. Wir sind also absolut wettbewerbsfähig.“ 

Audi sparte Zeit beim Boxenstopp ein

Ein weiterer Aspekt: Audi büßte bislang beim Boxenstopp immens viel Zeit gegenüber Porsche ein. „Wir haben erkannt, dass uns bei den Boxenstopps Zeit verloren ging“, erklärt Reinke. „Also haben wir unser Tanksystem optimiert. Bei der reinen Dauer der Reifenwechsel sind wir sogar besser als die Konkurrenz. So haben wir auch in der Boxengasse wertvolle Sekunden gewonnen. Das stimmt uns zuversichtlich für die nächsten Rennen.“ 

Trotz der Dominanz bei den zurückliegenden Wertungsläufen und der damit erkämpften Tabellenführung bleiben die Porsche-Piloten indes bescheiden. „Unser Rennen war schwierig, wir sind sehr froh über die maximale Punktzahl“, rapportierte Bernhard nach seinem dritten Saisonsieg. Und stapelt pflichtgemäß tief: „Aber im Titelkampf liegt noch ein langer Weg mit zwei ausstehenden Läufen vor uns.“ 

Toyota blieb erwartungsgemäß weiterhin dritte Kraft, setzte aber Akzente im Regen. „Die Witterungsbedingungen gaben uns Gelegenheit zu zeigen, dass wir uns verbessern konnten – also waren wir in einer viel besseren Ausgangslage als bei vorangegangenen Rennen“, analysiert Teamchef Toshio Sato. „In der Tat war unser Tempo auf nasser Strecke ermutigend. Leider konnten wir aus mehreren Gründen kein Kapital daraus schlagen.“


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