Le Mans: Porsche obsiegt, Audi entthront

Die Le-Mans-Siegertrophäe wandert in diesem Jahr konzernintern von Ingolstadt nach Stuttgart-Zuffenhausen. Denn Porsche trug bei der Machtprobe an der Sarthe ein Doppelerfolg davon und entthronte damit Seriensieger Audi. Nach einer turbulenten Anfangsphase waren in der Nacht die Reifen der entscheidende Faktor.

Die Le-Mans-Siegertrophäe wandert in diesem Jahr konzernintern von Ingolstadt nach Stuttgart-Zuffenhausen. Denn Porsche trug bei der Machtprobe an der Sarthe ein Doppelerfolg davon und entthronte damit Seriensieger Audi. Nach einer turbulenten Anfangsphase waren in der Nacht die Reifen der entscheidende Faktor.

Am Sonntagnachmittag endete die Audi-Regentschaft an der Sarthe vorerst. Seit der Jahrtausendwende dominiert die Marke mit den vier Ringen das 24-Stunden-Rennen von Le Mans geradezu. Einzig Peugeot und Bentley unterbrachen die Siegesserie für jeweils eine Saison. In diesem Jahr wanderte die Siegertrophäe schließlich innerhalb des Volkswagenkonzerns von Ingolstadt nach Stuttgart-Zuffenhausen.

Denn Porsche triumphierte im Prestigeduell gegen Audi, womit der Rekordsieger im Département Sarthe den Seriensieger einstweilen entthront hat. Letzten Endes trugen Formel-1-Athlet Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy den Triumph bei der Machtprobe im Nordwesten Frankreichs davon. Damit zeitigte obendrein der Einsatz einer dritten, zusätzlichen Besatzung unzweifelhaften Erfolg.

In den Statistiken der Traditionsveranstaltungen bleibt Porsche damit unangefochten an oberster Stelle – mittlerweile mit siebzehn Erfolgen. Darüber hinaus gelang dem Stuttgarter Hersteller ein Doppelsieg: Brendon Hartley, Timo Bernhard und Mark Webber erstritten die Silbermedaille. Titelverteidiger Audi musste stattdessen mit dem verbleibenden Podiumsrang vorliebnehmen. Die Vorjahressieger Marcel Fässler, Benoît Tréluyer und André Lotterer wurden Dritte. 

Andreas Seidl: „Zu diesem Erfolg fehlen mir eigentlich die Worte“

Dementsprechend herrschte ungebremste Euphorie in der Porsche-Chefetage. „Zu diesem Erfolg fehlen mir eigentlich die Worte“, freute sich Teamchef Andreas Seidl. „Wir können noch gar nicht fassen, was wir da erreicht haben.“ Mit dieser Jubelstimmung war er nicht allein. „Das Gefühl, Le Mans zu gewinnen, ist unbeschreiblich“, meinte der Technische Direktor Alexander Hitzinger. „Ich freue mich irrsinnig für das Team, das so viel Herzblut und harte Arbeit in dieses Projekt gesteckt hat.“

Die Chronologie des Wettstreits: kontrastreich. Das entscheidende Moment: unerwartet. Zu Anfang wetteiferten Audi und Porsche in einem kurzweiligen, turbulenten Duell um die Führung, streckenweise fuhr das Sextett wie einer Perlenschnur um den Circuit de la Sarthe. In dieser Phase gelang es Audi-Werksfahrer Filipe Albuquerque mit einem Umlauf binnen 3:17,647 Minuten gar, den bisherigen Rundenrekord im Rennen zu unterbieten, den Jackie Oliver in den siebziger Jahren mit einem Porsche 917 aufgestellt hatte.

Zudem setzte sich André Lotterer mit einem beherzten Vabanque-Manöver in Szene, als der Routinier beim Anbremsen der Neunzig-Grad-Kurve Indianapolis sowohl Neel Jani als auch Timo Bernhard überholte. Nach diesem Coup de Main missglückte wiederum Stallgefährte Loïc Duval ein waghalsiges Überrundungsmanöver, nachdem dieser versuchte einen Ferrari auf dem Grünstreifen zu umfahren, in die Leitplanke schleuderte und die Larbre-Corvette touchierte. 

Vorentscheidung in der Nacht

Als die Nacht über die Region Pays de la Loire hereinbrach, nahte jedoch die Entscheidung – allerdings einigermaßen unspektakulär. Denn Audi war schlichtweg nicht imstande, die notwendige Betriebstemperatur der Reifen zu erreichen, wodurch die Mannschaft von Joest Racing den Kontakt zu Porsche verlor. Folglich bewahrheitete sich die Prognose, die Pneus würden die Entscheidung herbeiführen. Jedoch war es nicht Porsche, sondern WM-Spitzenreiter Audi, der mit den Gummis haderte. 

Fortan ebbten die Ereignisse in Le Mans ab. Im Anschluss an eine zuweilen tumultuarische erste Halbzeit verlief die zweite Hälfte des längsten Tages nahezu monoton. Porsche festigte seinen Führungsrang, Audi versuchte zwar aufzuschließen, aber der Rückstand war indes nicht mehr zu pulverisieren. Damit war Lotterers Rundenrekord von 3:17,475 Minuten am Sonntagmittag lediglich eine statistische Randnotiz. Zumal eine vorherige Reparatur der Motorhaube den Rückstand nochmals vergrößert hatte. 

Konterpart Porsche befand sich schließlich unaufhaltsam auf dem Siegespfad, Audi musste sich hingegen geschlagen geben. „Dass wir es heuer schon geschafft haben, werde ich wohl erst in paar Tagen richtig begreifen“, resümiert Porsche-Einsatzleiter Fritz Enzinger, welcher seiner Mannschaft „unglaubliche Leistung“ attestierte. „Ich weiß, wie viele Kollegen sich ganz diesem Ziel verschrieben und es mit immensem Einsatz verfolgt haben.“

Wolfgang Ullrich: „Im Sport muss man auch Niederlagen akzeptieren“

Bedingt durch einen Zwischenfall in der Nacht, belegte das dritte Porsche-Ensemble Romain Dumas, Marc Lieb und Neel Jani derweil den fünften Rang. Letztgenannter rutschte in der Mulsanne-Kurve ins Kiesbett und schlug in die Reifenstapel ein, woraufhin die Mechaniker die Fronthaube austauschen mussten. Vierte wurden wiederum die Audi-Piloten Duval, Lucas di Grassi und Oliver Jarvis. 

Die Markenkollegen Albuquerque, Marco Bonanomi und René Rast verharrten dauerhaft in Schlagdistanz, ehe das Trio ein Defekt am Hybridsystem ins Hintertreffen beförderte. „Positiv ist, dass unser Audi R18 e-tron quattro absolut konkurrenzfähig war“, bilanziert Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich. „Leider hatte jedes unserer drei Autos mindestens einen entscheidenden Zwischenfall. Und wenn man gegen einen starken Gegner wie Porsche antritt, darf man sich das nicht erlauben. Natürlich sind wir enttäuscht, aber im Sport muss man auch Niederlagen akzeptieren und daraus lernen.“ 

Und Weltmeister Toyota? Hätte die TMG-Abordnung ebenjene – fast – fehlerfreie Leistung in der letzten Saison erbracht, hätte die fernöstliche Equipe womöglich den Sieg errungen. Fraglos erzielte Toyota gegenüber dem Vorjahr, als der Konstrukteur aus Japan regelrecht dominierte – Fortschritte, aber der Konkurrenz gelang ebenfalls ein gigantischer Sprung nach vorne. Aber dies ist bloß eine hypothetisches Überlegung. De facto war die Truppe um Toshio Sato chancenlos. 

Toyota fährt fehlerfreies, unauffälliges Rennen

Alexander Wurz, Mike Conway und Stéphane Sarrazin ertrotzten schlussendlich Platz sechs, die amtierenden Weltmeister Sébastien Buemi und Anthony Davidson sowie Kazuki Nakajima mussten sich gar mit Rang acht begnügen. Obwohl Toyota eine konstante Darbietung glückte, befand sich die TMG-Delegation stets außer Reichweite. Das einzige Fauxpas: Davidson kollidierte am Samstagabend im Überrundungsverkehr, was einen Reparaturstopp erforderte und Folgeschäden auslöste. 

Nach der Niederlage vollzieht Toyota ein ungeschönte Analyse, würdigt aber das Engagement seiner Einsatzmannschaft. „Unser Auto war letztlich nicht schnell genug, um hier in Le Mans um einen Podestplatz zu kämpfen“, räumt Sato ein. „Wir konnten zwar unseren Rückstand auf die Konkurrenz gegenüber der Qualifikation reduzieren, aber angreifen konnten wir nicht, was uns sehr enttäuschte. Mit diesem Resultat sind wir nicht glücklich, doch ich bin mit der professionelle Arbeitsweise und der Hingabe des Teams zufrieden.“ 

Nissan feierte indes einen persönlichen Sieg beim Endurance-Klassiker in Le Mans. Trotz zweier Ausfälle kreuzte zumindest ein Fahrergespann die Ziellinie. Wenngleich mit 153 Rückstand und damit außerhalb der Wertung, erblickten Harry Tincknell, Michael Krumm und Alex Buncombe letztlich das schwarz-weiß karierte Tuch. Angesichts des Spotts der vergangenen Wochen erfocht Nismo damit zumindest einen kleinen Teilerfolg.


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