LMP1 in Le Mans: Wer triumphiert im Prestigeduell?

Verteidigt Audi seinen Titel in Le Mans abermals? Oder entthront Rekordsieger Porsche den gegenwärtigen Branchenprimus? Weltmeister Toyota gedenkt wiederum, sich mittels Strategie in aussichtsreiche Position zu befördern. Nissan hofft bei seiner Rückkehr dagegen auf Regenschauer. Ein Ausblick.

Verteidigt Audi seinen Titel in Le Mans abermals? Oder entthront Rekordsieger Porsche den gegenwärtigen Branchenprimus? Weltmeister Toyota gedenkt wiederum, sich mittels Strategie in aussichtsreiche Position zu befördern. Nissan hofft bei seiner Rückkehr dagegen auf Regenschauer. Ein Ausblick.

Freilich liest sich folgende Behauptung wie eine ebensolcher Plattitüden, die bei Ausblicken stets formuliert werden. Aber dennoch: Die Konstellation bei den 24 Stunden von Le Mans gleicht einem Garanten für einen kurzweiligen Wettstreit um die französische Krone des Motorsports – nein, für ein Spektakel. Doch wer triumphiert am längsten Tag des Jahres im Prestigeduell zwischen Audi und Porsche? Die Titelverteidiger aus Ingolstadt? Oder die Rekordsieger aus Stuttgart?

Im konzerninternen Kräftemessen steht einiges auf dem Spiel. Schließlich führt Porsche die Siegerliste beim Langstreckenrennen im Nordwesten Frankreichs nach wie vor an. Sechzehnmal trug der Zuffenhausener Konstrukteur in der Historie des Klassikers an der Sarthe den Gesamtsieg davon. Audi geht nun seit der Jahrtausendwende daran, diesen Rekord einzustellen. Drei Erfolge fehlen im Augenblick noch zum Gleichstand. 

Ein weiterer Aspekt macht das Duell der süddeutschen Werksmannschaften bemerkenswert. Das progressive, effizienzorientierte Hybridreglement provozierte regelrecht einen Kampf der Konzepte. Die Ausgangssituation: Porsche begibt sich hemmungslos ans Limit. Vermittels acht Megajoule Rekuperationsernergie waren die Weissacher bislang auf den Geraden sowie beim Vergleich einzelner Rundenzeiten fast unschlagbar, allerdings bereitete der Reifenverschleiß Kopfschmerzen. 

Welches Konzept siegt an der Sarthe?

Konterpart Audi kompensiert diesen Nachteil wiederum in schnellen Kurvenpassagen. Zudem war die Marke mit den vier Ringen imstande, die Reifenabnutzung im Vergleich zu den Porsche-Widersachern einzuhegen. Diese Vorgehensweise zeitigte bis dato Erfolg. Denn Audi gewann sowohl den Auftakt der Langstrecken-WM in Silverstone als auch die Generalprobe in Spa-Francorchamps. Hat der Seriensieger aus Ingolstadt somit die Favoritenrolle inne? 

Wer an dieser Stelle tatsächlich eine Prognose wagt, würde eine bloße Spekulation anstellen. Eines steht nichtsdestoweniger außer Frage: In Porsche erwuchs Audi während der letzten Wochen und Monate ein ernstlicher Gegner, welcher zweifelsohne in der Lage ist, dem gegenwärtigen Branchenprimus im Sportwagen-Oberhaus, den Endurance-Thron in Le Mans an diesem Wochenende abspenstig zu machen. 

„Nach dem positiven Vortest sind wir noch ein paar Tage in Le Mans geblieben und haben auf dem kleinen Circuit Bugatti einige Teile angefahren“, schildert Porsche-Teamchef Andreas Seidl die geschäftigen Tage an der Sarthe. „Damit entzerrt sich die Arbeitsbelastung in der Woche vor dem 24-Stunden-Rennen ein wenig. Die operative Anforderung rund um dieses Rennen ist gigantisch. Man muss mit den Kräften bestmöglich haushalten, damit noch Ressourcen für das Rennen bleiben.“ 

Bleibt Toyota der ewige Zweite?

Und Weltmeister Toyota? Der Konstrukteur aus Japan oszilliert zwischen den Extremen. Obschon überraschend, bezog die TMG-Abordnung im vergangenen Jahr noch eine geradezu unumstrittene Favoritenstellung. In dieser Saison degradierten die bisherigen WM-Ergebnisse die Kölner Mannschaft faktisch zum Außenseiter. Nichtsdestoweniger ist der ewige Zweite an der Sarthe gewillt, seine Minimalchance gegen den Volkswagenkonzern zu nutzen. 

Während der letzten Dekaden wurde Toyota schlechterdings zu einer tragischen Figur bei der Kraftprobe im Département Sarthe. Oftmals wähnte sich der Hersteller aus Fernost als sicherer Sieger, ehe ein Zwischenfall jedwede Hoffnungen zunichte machte. In der zurückliegenden Saison spürte Toyota abermals die Fallhöhe eines Favoriten. Als Hauptanwärter auf den begehrten Le-Mans-Wanderpokal angetreten, verbuchte TMG schlussendlich einen Totalausfall. 

Nach den bisherigen Hiobsbotschaften hat Toyota im Anschluss an die traditionellen Probefahrten auf dem Circuit de la Sarthe allerdings eine positive Nachrichten vermeldet. Die Ärzte haben Werksfahrer Kazuki Nakajima eine Freigabe für das nächste Wochenende erteilt. „Allem voran, und da spreche ich für das gesamte Team, sind wir glücklich, dass Kazuki wieder genesen ist“, meint Teamchef Toshio Sato. „Das unterstreicht seine Einstellung und Entschlossenheit.“ 

Sato: „Ich glaube, dass wir an der Spitze mitfahren können“

Um sich adäquat auf die Machtprobe in Le Mans vorzubereiten, hat die TMG-Abteilung nochmals Detailarbeit an der Konfiguration für den Hochgeschwindigkeitskurs an der Sarthe geleistet. „Die ersten beiden Rennen liefen nicht nach Wunsch“, räumt Sato ein. „Das Team musste in Köln viel Arbeit investieren, um das Optimum aus unserer Le Mans-Version herauszuholen. Das war ein ziemlicher Aufwand, und wir hoffen, dass sich das in Le Mans auszahlen wird.“ 

Seine Außenseiterposition hat sich Toyota fraglos vergegenwärtigt. „Aber weder ändert das etwas an unserer Zielsetzung, noch an unserer Einstellung“, kehrt Sato hervor. Daher sei die Maßgabe, Fehler zu vermeiden und die Boxenstandzeit zu minimieren. „Ich glaube, dass wir mit dieser Herangehensweise an der Spitze mitfahren können“, fügt Sato hinzu. „Im Motorsport gibt es keine Garantien, doch wir denken, dass wir gut vorbereitet sind und ich hoffe, dass wir das im Rennen auch zeigen können.“ 

Eine Kontroverse entfachte indes die bevorstehende Nissan-Wiederkehr. Mit seinem widerspenstigen Frontmotorkonzept stieß der pazifische Autobauer ohnehin auf Skepsis, geriet allerdings aus anderen Gründen mancherorts in Misskredit. Zunächst suchte Nissan mithilfe einer gigantische Werbekampagne um jeden Preis – millionenschwerer Werbefilm beim Super Bowl – Aufmerksamkeit zu erheischen. Sodann sagte Nissan aber die ersten beiden WM-Läufe ab. 

Ben Bowlby: „Wir waren nicht der Schlagzeilen wegen da“

Als letzten Endes die Information durchsickerte, Nissan habe seinen Prototyp zwar für die Zwei-Megajoule-Klasse – anstatt der angekündigten acht Megajoule – homologiert, das Hybridsystem sei aber dysfunktional, verdrehten zahlreiche Beobachter der Szene neuerlich die Augen. Beim Testtag konsternierte Nissan schließlich die Szene: Der GT-R LM Nismo erreichte auf der Hunaudières-Gerade höhere Geschwindigkeiten als Audi, Porsche und Toyota. 

Stattdessen büßte Nissan in den anderen Abschnitten massiv Zeit ein, wodurch sich ein alarmierender zwanzigsekündiger Rückstand gegenüber Porsche-Tagesbestzeit ergab. „Wir waren nicht der Schlagzeilen wegen da“, betont Teamchef Ben Bowlby nach den Vorbereitungsfahrten. „Es ging ausschließlich darum, für unsere Vorbereitungen auf das Le-Mans-Debüt zu lernen und Daten zu sammeln.“ 

Dennoch kehrte die Nissan-Chefetage die positiven Erkenntnisse heraus. „Letzten Endes waren unsere Rundenzeiten bei nassen Bedingungen wettbewerbsfähig“, merkt Bowlby an. „Und in der Vormittagssitzung erreichten wir die zwei insgesamt höchsten Geschwindigkeitswerte auf der Geraden. Ich weiß aber, es liegt noch eine große Lernkurve vor uns.“ Wozu ist Nissan auf der Via Regia des Langstreckensports letztlich imstande?

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