Bathurst-Triumph: Erneute Invasion der Sternenkrieger?

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Mit den Gesamtsiegen in Bathurst und Dubai ist Mercedes-Benz beispiellos in die neue GT-Saison gestartet. Der SLS-Flügeltürer mausert sich damit außerdem klammheimlich zu einem Spitzenfahrzeug seiner Klasse – mit Bernd Schneider in einer Schlüsselrolle. Aber wie ist der Erfolg zu bewerten?

Mercedes-Benz ist ein formidabler Start in die GT-Saison 2013 geglückt. Bereits im Januar zelebrierte die Black-Falcon-Delegation bei den 24 Stunden von Dubai einen sensationellen Sieg. Einen Monat später verbucht Erebus Motorsport beim Zwölf-Stunden-Rennen von Bathurst den nächsten Erfolg für die Stuttgarter Marke mit dem Stern. Sowohl auf der Arabischen Halbinsel als auch in Down Under präsentierte sich der Silberpfeil in Galaform.

Hat Mercedes-Benz damit die Weichen für ein Erfolgsjahr in der GT3-Szene gestellt? In Dubai konsternierte der Kundenrennstall Black Falcon die Sportwagen-Gemeinde mit einer erstaunlichen Leistung: Sean Edwards verunfallte am Trainingsmittwoch mit dem SLS-Flügeltürer und kletterte aus einem Wrack, welches in der kurzen Zeitspanne bis zum Rennstart nicht reparabel war. Doch die Markenkollegen von Preci-Spark stellten kurzfristig ein Ersatzfahrzeug für das havarierte Arbeitsgerät zur Verfügung.

Allen Widrigkeiten zum Trotz obsiegten Khaled Al Qubaisi, Bernd Schneider, Jeroen Bleekemolen und Sean Edwards letztendlich beim 24-Stunden-Rennen am Persischen Golf. SportsCar-Info fasste diese exzellente Darbietung als ein „Wunder aus tausendundeiner Nacht“ zusammen. Auf dem Traditionskurs in Bathurst stand Motorsport-Urgestein Schneider neuerlich im Rampenlicht. Mercedes-Benz delegierte den fünffachen DTM-Meister gemeinsam mit den GT-Experten Thomas Jäger und Alexander Rolloff nach New South Wales, um der Audi-Dominanz der letzten beiden Jahre ein Ende zu bereiten.

Mit Erfolg: Während der Trainingseinheiten am Donnerstag duellierten sich noch Ferrari und Audi um den Platz an der Sonne. Doch in der Qualifikation wendete Erebus Motorsport die Partie. Das australische Trio Tim Slade, Lee Holdsworth und Peter Hackett tüte die Poleposition ein und legte den Grundstein zum Erfolg. Erwartungsgemäß leistete die Konkurrenz von Ferrari und Audi auch im Rennen erheblichen Widerstand, aber die Erebus-Equipe erwies sich als standfest und traf strategisch clevere Entscheidungen, die letztlich zum Triumph verhalfen.

Nach zwölf Stunden Fahrtzeit standen Schneider, Jäger und Roloff als Sieger der diesjährigen Auflage des Ausdauerrennens in Bathurst fest. Das Mercedes-Dreigestirn umrundete den Mount Panorama Circuit insgesamt 268 Mal. Die Stallgefährten Slade, Holdsworth und Hackett wurden indes in ein Intermezzo involviert, wofür den Australiern obendrein eine Durchfahrtsstrafe auferlegt wurde. Bei einsetzendem Regen in der Endphase des Rennens war Holdworth mit einem zu überrundenden Lotus-Renner kollidiert, was außerdem einen Reparaturstopp nach sich zog.

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Auf leisen Sohlen zum Erfolg

Nichtsdestotrotz hat Mercedes-Benz damit die beiden GT-Langstreckenrennen zu Beginn der Saison gewonnen – Black Falcon und Erebus Motorsport sei Dank. Mit anderen Worten: Der AMG-Flügeltürer avanciert zu einem Referenzfahrzeug auf dem GT3-Markt. Schon in der vergangenen Saison erzielte der Mercedes-Benz SLS AMG GT3 eine Vorzeigebilanz: Titelgewinn in der GT-WM, der GT3-EM und im GT Masters – sowie zahllose Podiumsplatzierungen bei GT-Wettbewerben weltweit. 

Solch eine Statistik sorgt hie und da für hochgezogene Augenbrauen. Zumal Mercedes-Benz nach außen hin vorbildlichen Kundensport betreibt. Derweil unterstellen Kritiker den Mitstreitern von Audi, Porsche und auch BMW – in teilweise polemischer Art – verkappte Werksengagements, welche das GT3-Prinzip unterminieren. Anders verhält sich der Konstrukteur aus Baden-Württemberg. Während sich manche Hersteller in ihren Kommuniqués vereinzelt selbst beweihräuchern, versinkt die Mercedes-Presseabteilung nahezu in Apathie angesichts der Erfolge im Kundensport. 

Beispielhaftes Engagement oder gute Mine zum bösen Spiel? Diese Frage lässt sich wohl nicht ohne Weiteres beantworten. Die Fakten sind jedoch klar: Mittelfristig müssen Hersteller mit Erfolgen referieren und schöpfen dazu im Rahmen der Möglichkeiten ihre Kapazitäten aus. Darum hat Porsche konsequenterweise acht Werkspiloten für die 24 Stunden von Daytona engagiert – um nur ein Beispiel aus der laufenden Saison zu nennen. Es wäre töricht zu glauben, Mercedes nähme eine Laissez-faire-Haltung ein und beobachte die Kontrahenten beim Siegen. Im Gegenteil.

Intensive Vorbereitung auf Bathurst 

Mit Schneider, Jäger und Roloff haben die Stuttgarter drei Hochkaräter nach Australien geschickt – selbstverständlich mit der Mission, den Pokal zu erringen. Überdies hospitierte Schneider bereits im vergangenen Jahr in der australischen GT-Meisterschaft, um sich mit den Gegebenheiten in Down Under vertraut zu machen. Der Gaststart war von Erfolg gekrönt. Schneider erteilte den Stammfahrern aus dem Stand eine Lehrstunde und gewann beide Wertungsläufe in Sydney. 

Dennoch begegnet manch bewanderter Sportwagen-Liebhaber dem Mercedes-Erfolg mit gewissem Argwohn. Bekanntlich spielte AMG beim FIA-GT-Debakel Ende der neunziger Rolle keine unwichtige Rolle. Mercedes-Benz beteiligte sich mit Porsche und McLaren-BMW maßgeblich am technischen Wettrüsten in der GT1-Klasse, das in einer Abwärtsspirale mündete, aus der sich die Konstrukteure nicht mehr befreien konnte. Das noch junge Championat stand unmittelbar vor dem Aus und konnte lediglich durch eine Neuausrichtung gerettet werden.

Obgleich die gegenwärtige Konstellation eine andere ist als vor 15 Jahren, bleibt stets ein gewisses Restrisiko im Motorsport. Aber letzten Endes liegt es im Ermessen und im Interesse der Hersteller, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Die Konkurrenz steht gewiss Gewehr bei Fuß, eine erneute Invasion der Sternenkrieger abzuwehren.