Langstrecken-WM: Neues BoP-System soll GTE-Pro fairer gestalten, scharfe Ferrari-Kritik

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Aus der Sicht von Ferrari sieen Aston Martin und Ford seitens BoP bevorzugt worden | © Ralf Kieven

Ganze elf Mal mussten die Veranstalter der Langstrecken-WM die Balance of Performance für GTE-Fahrzeuge in diesem Jahr anpassen. Um dies zukünftig zu verhindern, wollen FIA und ACO ein neues System zur Einstufung einführen. Vor allem Ferrari-GT-Chef Antonello Coletta war sehr bedient über die Geschehnisse der Saison 2016.

Die Langstrecken-WM der Saison 2016 ist nun seit etwas mehr als einer Woche Geschichte. Die abgelaufene Saison bot auf und abseits der Strecke harte bis überharte Zweikämpfe in der GTE-Pro-Wertung. Vor allem abseits der Piste ging es häufig hoch her. Jeder Hersteller unterstellte den anderen Kontrahenten, Performance zu verschleiern.

Bestes Beispiel hierfür war die Schlammschlacht zwischen Ferrari und Ford beim Saisonhöhepunkt in Le Mans. Beim Klassiker im Nordwesten Frankreichs waren die mit Turbo aufgeladenen Motoren klar bevorzugt. Dagegen zeigte sich während der zweiten Saisonhälfte Aston Martins teils unantastbar.

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Um eine ähnliche Saison zu vermeiden, in der die Veranstalter FIA und ACO insgesamt elfmal die Balance of Performance änderten, wird bereits zur kommenden Saison die Methodik der BoP angepasst. Ursprünglich war die Erneuerung für 2018 geplant. Vincent Beaumesnil, seines Zeichens ACO-Sportdirektor, will dabei eine noch engere Zusammenarbeit mit den Herstellern.

„Wir wollen zusammen eine Lösung finden, die für alle Parteien zufriedenstellend ist. Der Umgang mit der BoP ist natürlich mit vielen Emotionen verbunden, doch unser Technikteam hat dieses Jahr einen hervorragenden Job gemacht“, lobt Beaumesnil den Technikausschuss des ACO gegenüber Sportscar365. „Bislang haben wir keine Lösung gefunden, doch ich bin zuversichtlich, dass das nächste Jahr deutlich ruhiger sein wird.“

IMSA-Einstufung als Alternative?

Die Frage, warum der ACO nicht die BoP der IMSA übernimmt, beantwortet Beaumesnil wie folgt: „Die Strecken in den Staaten haben ihren eigenen Charakter und deren BoP würde in der WM nicht funktionieren. In Le Mans haben wir die Rundenzeiten mit der BoP der IMSA simuliert. Mit diesen Einstufungen wären die Abstände deutlich größer gewesen.“

Besonders kritisch sieht Ferrari-GT-Chef Antonello Coletta das aktuelle Treiben in der GTE-Pro. In seinen Augen wurde Ferrari die Chance geraubt, fair um den Titelgewinn zu kämpfen. „In den ersten Rennen des Jahres war unsere Leistung nicht klar ersichtlich, weil einige unserer Konkurrenten nicht alles gezeigt haben. Nach Le Mans hat es uns die BoP nicht erlaubt, auf Augenhöhe miteinander zu kämpfen“, bewertete Coletta die Saison bei Motorsport.com.

Primär sei Aston Martin in einer eigenen Klasse unterwegs gewesen. Coletta verwies dabei auf ein Gespräch mit einem LMP2-Piloten, der die Aston-Martin-Sportwagen auf den Geraden vorgeblich nicht überrunden konnte. Derart eklatant seien die ungleichen Kraftverhältnisse beim Finale in Bahrain gewesen.

Ford GT erreicht Mindeststückzahl nicht, neuer Elfer kein Straßenfahrzeug

Ein Blick auf das Endresultat aus der Arabischen Wüste zeigt, Aston Martin war knapp drei Kilometer pro Stunde schneller auf der Geraden als die Marke mit dem springenden Pferd. Wirft man jedoch ein Auge auf die schnellsten Rennrunden der Streithähne, war das Gespann Gianmaria Bruni und James Calado drei Zehntelsekunden schneller als die Meister Nicki Thiim und Marco Sørensen. Calado gelang sogar der schnellste Umlauf aller GT-Piloten.

Doch Coletta holt auch gegen Ford und Porsche aus. „Ford hat mit dem GT ein Fahrzeug in die Startaufstellung gerollt, von dem bis heute nicht die minimale Stückzahl gefertigt worden ist“, stellt der GT-Chef klar. Ferner kritisiert Coletta auch den Autobauer aus Stuttgart-Zuffenhausen. Denn der neue 911 RSR werde niemals in dieser Konfiguration am Straßenverkehr teilnehmen.

Die Italiener fühlen sich auf den Slips getreten. „Wir haben die Regeln gelesen und interpretiert. Unser Vorgehen war, das 488-Basismodell herzunehmen und es in ein konkurrenzfähiges Rennauto zu verwandeln. Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn andere Marken daherkommen und Autos einsetzen, die ganz anders sind, wie sie eigentlich sein sollten.“