GT-Weltmeisterschaft: Das sanierungsbedürftige Luftschloss

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Intercontinental GT Challenge bietet alternativen Ansatz

Anstatt jedoch eine kostenträchtige Weltmeisterschaft zu organisieren, welche sich großenteils auf das Wohlwollen der Werke stützt, hat Ratel ein alternatives Konzept ersonnen: die Intercontinental GT Challenge. Dieser Plan gründet auf der Idee, weltweit prestigeträchtige Langstreckenrennen zu einer Wertung zu vereinen, ohne jedoch von den Teilnehmern zu erwarten, an sämtlichen Läufen teilzunehmen.

Dies mutet zunächst widersprüchlich an. Ist es aber nicht. Denn es kombiniert das Engagement lokaler Privatmannschaften mit den internationalen Aktivitäten der Konstrukteure. Den Autobauern ist es somit freigestellt, auf jeden Kontinent eine andere Einsatzmannschaft zu delegieren. Dennoch sammelt der Hersteller somit Punkte in der Gesamtwertung. In diesem Jahr setzt sich der Kalender aus den Schauplätzen Bathurst, Spa-Francorchamps und Sepang zusammen – künftig kommt Laguna Seca hinzu.

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Das Konzept verquickt Werkssport mit Privateinsätzen. Als Austragungsorte fungieren Traditionsstrecken. Es sind also alle Bedingungen für erfolgreichen GT-Sport erfüllt. Es gibt folglich keinen triftigen Grund, vom Status quo abzuweichen. Zumal die GTE-Pro-Liga der Langstrecken-WM indiziert, welche Dimension das potenzielle Interesse an einer GT-WM annähme – es wären drei oder vier Hersteller.

Wichtigere Anliegen: Die Balance of Performance und Kundenwünsche

Überdies muss eine Weltmeisterschaft auch einen ökonomischen Nutzen für die Teilnehmer bergen. Ein Titelgewinn muss vermarktbar sein. Und ist man ehrlich: Zahlreiche Titel sind mehr oder minder bedeutungslos. In der Langstrecken-WM vergibt die FIA geradezu inflatorisch Titel – es sind übrigens elf. Weitaus mehr Priorität räumt die Öffentlichkeit hingegen den Erfolg bei Prestigerennen ein. Darauf wies Ratel auch im Gespräch mit sport auto hin.

Beispiel: In der Saison 2014 sicherte sich Toyota souverän den Titel des Langstreckenweltmeisters. Audi ertrotzte wiederum den Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Woran wird man sich in einigen Jahren noch erinnern? Vermutlich an letzteres. Auch diesem Umstand leistet die Intercontinental GT Challenge Genüge, indem schlichtweg nur populäre Veranstaltungen zu einer Wertung verschmelzen.

Mit anderen Worten: Es gibt im Augenblick dringlicher Probleme als die Umsetzung einer Weltmeisterschaft: Nationale und internationale Organisatoren waren bislang außerstande, eine transparente und ausgewogene Balance of Performance durchzuführen. Die Wünsche der Kunden sollten auch in Zukunft im Vordergrund stehen. Vermag die GT4-Klasse aufzurücken, falls die GT3-Kategorie irgendwann dem üblichen Zyklus zum Opfer fällt?

Derweil sollte man sich auch durch die trügerische Glorie der Langstrecken-WM nicht irreleiten lassen. Faktisch stützt sich der Erfolg der Langstrecken-WM beinahe ausschließlich auf das Engagement der LMP1- und GTE-Pro-Hersteller, viele Privatmannschaften straucheln. Das Gebilde steht auf tönernen Füßen. Eine Unwägbarkeit – und sei es ein externer Faktor wie ein wirtschaftliches Ereignis – und das pompöse Kartenhaus stürzt ein.