Königsdisziplin: Formel 1 oder Langstrecken-WM?

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Ist die Langstrecken-WM im Begriff, der Formel 1 ihren Status als Königsklasse streitig zu machen? | © Ralf Kieven, Red Bull Racing und Scuderia Ferrari

Ist die Langstrecken-WM im Begriff, der Formel 1 ihren Status als Königsdisziplin im Motorsport abspenstig zu machen? Der Vergleich drängt sich geradewegs auf. SportsCar-Info hat seine Leserschaft daher diese Frage gestellt. Die Antwort ertönte beinahe unisono – ausgenommen einiger skeptischer Überlegungen.

Mittlerweile drängt sich der Vergleich geradezu auf: Ist die Langstrecken-WM im Begriff, der Formel 1 ihre Stellung als Königsklasse des Motorsports abspenstig zu machen? Eine legitime Frage, deren Beantwortung jedoch Schwierigkeiten bereitet. Auf welche Kriterien stützt sich eine derartige Bewertung? Zumal sich ein Grand-Prix-Wochenende grundsätzlich von einer Ausdauerveranstaltung unterscheidet.

Gleichwohl: Welche Aspekte lassen sich vergleichen, welche nicht? Muss die höchste Liga der Rundstrecke den technischen Fortschritt forcieren? In diesem Fall würde die Nachfolgeserie der Sportwagen-WM die Monoposto-Spitzenklasse richtiggehend überflügeln. Denn die Ingenieure der Hybridprototypen gehen gleichsam daran, das Perpetuum mobile zu konstruieren, wohingegen das sich fortwährend ändernde F1-Reglement die Gestaltungsfreiheiten immens einhegt.

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Oder genießt ausschließlich die schiere Geschwindigkeit letzten Endes Priorität? Damit würde die Formel 1 ihre Vorrangstellung unangefochten verteidigen. Dies illustriert ein Vergleich der Rundenzeiten. In Spa-Francorchamps betrug die Differenz zwischen den Branchenprima Porsche und Mercedes-AMG über sieben Sekunden. Das ist nach wie vor ein eminenter Unterschied, wenngleich die Traditionspiste im Ardenner Wald sieben Kilometer misst.

Formel 1 mit Millionenpublikum, Langstrecken-WM versteckt sich hinter Paywall

Solch eine Gegenüberstellung ermöglichen auch der Große Preis in Silverstone und die Tourist Trophy. In der Grafschaft Northamptonshire trennten die unterschiedlichen Boliden ebenfalls ungefähr sieben Sekunden – dasselbe Ergebnis fördern die Vergleiche in Shanghai und Sakhir zutage. Folglich sind Formel-1-Rennwagen weiterhin die Schnellsten – trotz der rasanten Entwicklung in der Langstrecken-WM.

Hinsichtlich des öffentlichen und medialen Interesses unterscheiden sich die Formel 1 und die Langstrecken-WM hingegen enorm. Sofern man das 24-Stunden-Langstreckenrennen von Le Mans ob seiner Sonderstellung ausklammert, überragen die Einschaltquoten der Formel 1 das kleine Publikum der Sportwagengemeinde. Obwohl deren Zuschauerzahlen am Fernseher sich rückläufig entwickeln, bewegen sich diese weiterhin im dreistelligen Millionenbereich.

Die Übertragung der Langstrecken-WM ereignet sich dagegen hinter einer törichten Paywall, welche mit einer linkischen, ungewandten Vermarktungsstrategie der ACO-Verantwortlichen zusammengeht. Erschwerend hinzu kommen die Startzeiten. Zudem fügt sich der Terminkalender inzwischen ausschließlich aus Grand-Prix-Bahnen zusammen, wodurch die Langstrecken-WM sich gewissermaßen angleicht.

Unangemessene Eintrittspreise für Grand-Prix-Wochenenden

Einen Erfolg verbuchten die Organisatoren dagegen bei der Premiere auf dem Nürburgring, als die Langstrecken-WM mit 62 000 Schaulustigen einen Zuschauerrekord aufstellte. Auch zur Le-Mans-Generalprobe verirrt sich zumeist der ein oder andere ins Hohe Venn. Aufgrund der horrenden Eintrittspreise verzichtet in Europa dagegen eine wachsende Zahl an Motorsportfreunden auf einen Grand-Prix-Besuch. Mit Unverständnis begegnet ein Gros auch der Zunahme an Retortenstrecken.

Zweifelsohne zeitigte die Zusammenarbeit zwischen ACO und FIA binnen vier Jahren Erfolg: Das himmelstürmende Werkstrio Audi, Porsche und Toyota wetteifert im Oberhaus des Langstreckensports um die Krone der Sportwagen-Konstrukteure – dank eines progressiven Reglements auf technischem Spitzenlevel. In der GTE-Sparte treffen überdies Aston Martin, Ferrari, Ford, Porsche und mitunter auch Corvette aufeinander.

Angesichts dieser Gemengelage hat die SportsCar-Info-Redaktion in ihrem Facebook-Kanal die Leserschaft befragt: Schickt sich die Langstrecken-WM an, der Formel 1 ihren Rang abzulaufen? Es herrschte nahezu Konsens, ausgenommen einiger weniger skeptischen Überlegungen. Neben der technischen und sportlichen Bewertung sowie der öffentlichen Wahrnehmung maßen die Leser auch der Zuschauerfreundlichkeit Bedeutung bei. Eine Zusammenschau der Meinungen.