Tipp der Redaktion: Wer besiegt Titelverteidiger Audi?

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Wer schlägt Titelverteidiger Audi bei 24 Stunden von Spa-Francorchamps? Diese Frage hat die SportsCar-Info-Redaktion diskutiert. Vermutlich niemand. Wer eine gegenläufige Prognose wagt, steht allein auf weiter Flur. Dafür umfasst der Kreis der Geheimfavoriten zahlreiche Akteure. Die Tipps der Autoren.

Maximilian Graf: Wer seine Wetten im Langstreckensport zuletzt auf BMW platzierte, der verbuchte während der vergangenen Jahre zumeist Verluste. Obwohl die Bayrischen Motorenwerke stets ihre Anwartschaft auf die Siegertrophäe erhoben, blieb deren Einsatzmannschaften mit dem BMW Z4 GT3 bei sämtlichen 24-Stunden-Rennen glück- und erfolglos. Namentlich Marc VDS Racing musste wiederholt mir Rang zwei vorliebnehmen.

An diesem Wochenende ergibt sich für BMW jedoch die allerletzte Möglichkeit, mit dem gegenwärtigen Modell einen Triumph im Ardenner Wald davonzutragen, ehe in der nächstjährigen Saison in der GT3-Branche ein Generationswechsel erfolgt. Obendrein beflügelt Marc VDS Racing der Heimvorteil auf dem belgischen Traditionskurs. Ergo lautet die Prognose: die Abordnung von Marc van der Straten erklimmt die höchste Stufe des Stockerls. 

Wer vermag, diese Favoritenstellung anzufechten? Freilich Erzrivale Audi, aber dieser Tipp wäre fraglos zu konventionell. Zumal weitere Marken des Volkswagenkonzerns im Hohen Venn zugegen sind. Neben Bentley tat sich bislang Lamborghini positiv hervor. Nach dem aberkannten Auftaktsieg in Monza sicherte Grasser Racing bei der Generalprobe in Le Castellet die Poleposition, strauchelte aber im Rennen. Stammt der Herausforderer also aus Sant’Agata Bolognese?

Fehlt noch der Geheimfavorit: Warum eigentlich nicht McLaren? Der Konstrukteur aus dem Vereinigten Königreich erfocht mit seiner Einsatztruppe Von Ryan Racing bereits einen Laufsieg. Und die Besatzungen rekrutieren sich ohne jeden Zweifels aus hochkarätigen Athleten. Vielleicht strecken nach der Ein-Tages-Distanz Kévin Estre, Robert Bell und Adrian Quaife-Hobbs den Pokal gen Himmel? 

Daniel Schnichels: Von den über zwanzig Besatzungen in der Pro-Kategorie kann zumindest theoretisch jede bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps siegreich sein. In den engeren Favoritenkreis haben sich für mich allerdings nur Audi, BMW, Nissan, Bentley und auch Lamborghini befördert. Für Nissan begann das Langstreckenjahr in Bathurst mit einem Achtungserfolg. Und auch im bisherigen Saisonverlauf hat der Konstrukteur aus Fernost bewiesen, dass er durchaus imstande ist, um den Sieg mitzukämpfen. Lamborghini hat mich beim Auftaktrennen in Monza sehr überrascht. Als Geheimfavorit sollte man die Italiener auf jeden Fall ernst nehmen.

Die eigentlichen Favoriten kommen für mich aber ganz klar aus dem Lager von Audi und BMW. Bereits im letzten Jahr bescherten uns die beiden Hersteller einen engen Zweikampf um den Sieg, wobei Audi letztlich das bessere Ende für sich hatte. Phoenix Racing und das W Racing Team reisen mit jeweils zwei brandneuen Audi R8 LMS in die Ardennen. Bereits beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring untermauerten die Ingolstädter mit dem Sieg die Vormachtstellung des neuen Fahrzeuges.

Und BMW? In den letzten Jahren nahm der bayrische Traditionshersteller nahezu unfreiwillig die Rolle des ewigen Zweiten ein. Immer wieder kosteten kleine Probleme den sicher geglaubten Sieg. BMW bestreitet mit dem Z4 GT3 das letzte 24-Stunden-Rennen auf der Ardennen-Achterbahn, ehe im nächsten Jahr der Nachfolger auf dem Markt erscheint. Unter diesen Aspekten gönne ich den Weiß-Blauen in diesem Jahr mehr denn je einen Sieg beim größten GT3-Rennen der Welt. Außerdem brennt die belgische Equipe von Marc VDS Racing auf einen Erfolg beim Heimrennen und hat sich dazu erneut prominente Fahrer an Land gezogen.

Fazit: Normalerweise fechten Audi und BMW den Sieg unter sich aus. Ich wage zu behaupten, dass auch in dieser Ausgabe kein Weg an Audi vorbeiführt und es BMW tragischerweise erneut nicht gelingt, einen Sieg mit dem aktuellen Fahrzeug zu erringen. Sollte überraschenderweise einer der beiden Hersteller patzen, so wäre der Weg frei für einen Überraschungssieg seitens Nissan oder Lamborghini. 

Ralf Kieven: Audi geht für mich als klarer Favorit in das 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps. Seitdem das Rennen zur BES-Serie gehört und das größte Aufeinandertreffen der GT3-Szene darstellt, ging der Gesamtsieg bei drei von vier Rennen an den Hersteller mit den vier Ringen. Einmal holte Phoenix Racing den Kranz nach Ingolstadt, zweimal gewann das W Racing Team, dessen Chef Vincent Vosse 2002 selbst auf einer Viper in Spa siegreich war. Die Mannschaft kennt die Strecke, wie ihre Hosentasche und ist bereits mit dem neuen Audi R8 vertraut.

Immerhin gewann die belgische Truppe heuer bereits das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In Spa-Francorchamps geht die Equipe als Titelverteidiger an den Start und im Wagen mit der Startnummer eins teilen sich mit Laurens Vanthoor, René Rast und Markus Winkelhock die Sieger des letzten Jahres die Lenkarbeit.

Fast schon traditionell stellt BMW in den Ardennen den größten Herausforderer dar. Für den BMW Z4 GT3 ist das Rennen in Belgien zudem die letzte Chance, einen der großen Klassiker zu gewinnen. Neben der Mannschaft von Marc VDS Racing, die in den vergangenen Jahren immer als großer Favorit galt, haben die Bayern diesmal ein weiteres heißes Eisen im Feuer. 

Alex Zanardi wagt das Abenteuer, trotz seiner Behinderung ein 24-Stunden-Rennen zu bestreiten. Zusammen mit den DTM-Fahrern Timo Glock und Bruno Spengler bildet er ein zwar schwer einzuschätzendes aber dennoch sicherlich schlagkräftiges Trio. Das große Fragezeichen stellen die Standzeiten bei den Fahrerwechseln dar. Der Italiener erfreut sich einer ungebrochenen Beliebtheit und jeder im Fahrerlager wird ihm ein gutes Ergebnis gönnen. 

Neben den beiden deutschen Herstellern hegen aber auch die anderen Marken berechtigte Hoffnungen auf den Sieg. Nissan und McLaren haben starke Besatzungen- Gottfried Grassers Lamborghini-Truppe hat im Laufe der Saison bereits das ein oder andere Ausrufezeichen gesetzt. Mein Geheimfavorit ist aber Bentley. Bei ihrer 24-Stunden-Premiere im vergangenen Jahr haben sich die Briten mit ihrem Luxus-GT wacker geschlagen und das Rennen auf dem dreizehnten Platz beendet.

Neben den bewährten Bentley Boys des letzten Jahres hat sich die M-Sport-Werksmannschaft mit Maximilian Buhk und Maxime Soulet verstärkt. Während Buhk das Rennen 2013 bereits einmal gewinnen konnte, gilt der Belgier Soulet als ausgesprochener Experte in den Ardennen. Zusammen mit Andy Sou?ek traue ich den beiden zu, in der Spitzengruppe ein Wörtchen mitzureden.

Daniel Stauche: Meiner Meinung nach wird Audi in Spa-Francorchamps den Vorjahressieg wiederholen. Der neue R8 hat bei seiner Feuertaufe beim Ring aus dem Stand seine Leistungsfähigkeit bewiesen. Bereits beim ersten 24-Stunden-Rennen für das nagelneue Auto hat er am Nürburgring den Gesamtsieg davongetragen. Auch wenn die Charakteristik auf dem Circuit de Spa-Francorchamps anders ist, so muss die Konkurrenz erst einmal den Weg an den vier neuen Ingolstädter Flundern vorbei finden.

Die beiden Teams WRT und Phoenix sind etwa auf Augenhöhe. Beide arbeiten zwar eigenständig, allerdings ist jeder Schritt mit der Audi-Sportzentrale in Neuburg abgesprochen. Am Wochenende in Belgien erhalten sie zudem mehr als eine Handvoll Werksfahrer zur Verfügung gestellt. Die Vorjahressieger Laurens Vanthoor, René Rast und Markus Winkelhock bleiben unverändert und werden, wenn sie nach dreiundzwanzig Stunden noch unterwegs sind, höchstwahrscheinlich auf Siegkurs sein. 

Das Lager der Audi-Jäger hat sich in diesem Jahr aber noch einmal vergrößert. Bentley hat neben dem offiziellen Werksteam M-Sport auch HTP Motorsport rekrutiert. Im zweiten Jahr in der BES tut sich das britische Schwergewicht jedoch schwerer als beim Debüt. Auch BMW tritt mit geballter Kraft in den Ardennen an. Am stärksten besetzt ist wohl Marc VDS Racing. 

Eine große Unbekannte werden Lamborghini und McLaren sein. Beide haben in den ersten beiden Rennen des Jahres gewonnen – obgleich das Grasser Racing Team in Monza disqualifiziert wurde. Die Briten hingegen waren in Italien noch unter „ferner liefen“ unterwegs, schafften dann aber den Heimsieg. Somit ist Audi zwar ganz klar der Favorit, muss sich gegen Bentley, BMW, Lamborghini und McLaren aber beweisen müssen. 

Tim Keuler: Ähnlich wie am Nürburgring lautet mein Favorit auch in Spa-Francorchamps ganz klar: Audi. Die Haltbarkeit, welcher der R8 LMS der zweiten Generation bereits jetzt an den Tag legt, ist meiner Meinung nach einfach beeindruckend. Kombiniert mit bärenstarken und überaus professionellen Fahrerpaarungen geht der Weg zum Gesamtsieg nicht an Audi vorbei. 

Besonders die Fahrerpaarungen von Phoenix Racing setze ich auf Sieg. Sowohl Christian Mamerow, Nicki Thiim und Nürburgring-Sieger Christopher Mies, der zusammen mit seinen Mitlenkern mit dem Rückenwind aus der Eifel auch in Spa-Francorchamps zu starken Leistungen fähig sein sollte, als auch die Le-Mans-Könner André Lotterer, Marcel Fässler und Mike Rockenfeller könnten meiner Meinung nach die Nase im Kampf um das oberste Treppchen vorne haben.

Patzt Audi, werden die ewigen Zweiten von BMW einspringen. Eigentlich grenzt es an eine Schande, dass der insgesamt sehr erfolgreiche BMW Z4 GT3 in Rente gehen soll, ohne auch nur eines der großen 24-Stunden-Rennen gewonnen zu haben. Der Marc-VDS-Renner von Dirk Werner, Augusto Farfus und GT-Ass Maxime Martin sehe ich hier markenintern vorn. Besonders wenn das Wetter in den Ardennen seinem Ruf entspricht und für Kapriolen sorgt.

Gereon Radomski: Einen klaren Favoriten für das größte GT3-Rennen der Welt gibt es nicht. Dazu sind zu viele hochklassig besetzte Fahrerpaarungen am Start. Insgesamt kämpfen fünfundzwanzig Autos in der Pro-Wertung um den Gesamtsieg. Am ehesten kann man die Titelverteidiger von WRT als Favoriten deklarieren. Der neue Audi R8 LMS hat sein Können bei seinem ersten Härtetest bei den 24 Stunden vom Ring eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dazu bilden Laurens Vanthoor, René Rast und Markus Winkelhock mit das stärkste Fahrertrio.

Für einen versöhnlichen Abschied des BMW Z4 GT3 will Marc VDS Racing sorgen. Dabei wollen die Belgier gleichzeitig den lang ersehnten Heimsieg feiern. Mit Maxime Martin, Augusto Farfus und Dirk Werner bietet BMW ein mindestens auf Augenhöhe agierendes Fahrertrio auf. Auch das Schwesterfahrzeug mit Nick Catsburg, Markus Palttala und Lucas Luhr darf auf ein Topresultat hoffen.

Neben den zwei bayrischen Widersachern könnte der zweite Mercedes-Benz SLS AMG GT3 von Black Falcon mit Nico Verdonck, Adam Christodoulou und Andreas Simonsen beziehungsweise der zweite Rowe-Flügeltürer mit Nico Bastian, Stef Dusseldorp und Daniel Juncadella erhöhte Siegchancen haben. Welche Besatzung schwer einzuschätzen ist: Roal Motorsport. Mit Bruno Spengler, Timo Glock und Alex Zanardi sind alles Ausnahmekönner am BMW-Volant. Es bleibt abzuwarten, wie schnell sich der Fahrerwechsel zwischen Zanardi und Spengler/Glock abwickeln lässt. Falls dies schnell vonstattengeht, könnte auch dieses Trio auf dem Podium landen.