Debatte: GT3-Ausschluss auf der Nordschleife?

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Sind die GT3-Sportwagen auf der Nürburgring-Nordschleife entbehrlich? Angesichts der DMSB-Sicherheitsmaßnahmen ist diese Frage unlängst kein Tabu mehr. Dennoch birgt diese Debatte Zündstoff. Auch in der SportsCar-Info-Redaktion herrschen widerstreitende Meinungen, welche die Autoren diskutiert haben.

Zermürbt zwischen den Interessen der Hersteller und dem Druck der Öffentlichkeit, oszillieren die Verantwortlichen in der Sicherheitsfrage geradezu zwischen Paralyse und schierem Aktionismus. Doch die Vorgänge der vergangenen Wochen haben eines zweifelsohne bewirkt: Ein Ausschluss der GT3-Sportwagen auf der Nürburgring-Nordschleife ist unlängst kein Tabuthema mehr. Die Meinungen sind gegensätzlich.

Auch SportsCar-Info hat sich angesichts der DMSB-Maßnahmen die Gretchenfrage gestellt: Sind GT3-Sportwagen unabkömmlich für die Veranstaltungen auf dem Traditionskurs am Fuße der Nürburg? Erwartungsgemäß herrschen in dieser Debatte widerstreitende Ansichten innerhalb der Redaktion. Daher haben die Autoren das Für und Wider eines umstrittenen GT3-Banns aus der Eifel diskutiert.

Pro: Rückbesinnung auf die Philosophie des Breitensports

Es bereitet fraglos Schwierigkeiten, die Vorzüge der GT3-Klasse zu leugnen. Zahlreiche Hersteller engagieren sich mittlerweile auf der Nürburgring-Nordschleife, um sich auf dem Traditionskurs der Konkurrenz zu stellen. Dies wiederum gewährleistet eine vielgestaltige Spitzengruppe im Starterfeld. Obendrein garantiert das Konzept der „Balance of Performance“ weitgehend Chancengleichheit, sofern man Politik und taktische Manöver ausklammert. 

Ins Zentrum des Kräftemessens rückt logischerweise das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Schließlich rivalisieren die Konstrukteure beim Eifel-Marathon gleichsam um den Status des GT3-Branchenprimus. Ein weiterer Effekt: Dank des Engagements der Werke erlangt die Langstreckenveranstaltung auf der Nordschleife nicht nur regionale, sondern auch internationale Aufmerksamkeit in den Medien. 

Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind für den Breitensport auf der Nürburgring-Nordschleife – namentlich für die VLN-Langstreckenmeisterschaft – jedoch evident: Mit der Beteiligung der Hersteller geht eine stetige Professionalisierung einher, mit der die Amateure im Fahrerlager gleichermaßen konfrontiert werden. Wer sich im Schatten der Nürburg engagiert, der trachtet nach Erfolg. Um ihre Ziele zu erreichen, sind die Hersteller gewillt, eine kompromisslose Vorgehensweise zu wählen. 

Steigende Geschwindigkeiten und sinkende Rundenzeiten sind ein Faktum, stellen aber nicht die eigentliche Bedrohung dar. Das irrsinnige Tempo birgt per se Gefahren. Vielmehr gefährdet die skrupellose Attitüde die Sicherheit auf der Nürburgring-Nordschleife, resultierend aus dem Siegeswillen der Werksabordnungen. Das Wettrüsten der Hersteller kulminierte während der letzten Monate geradezu in einem Verdrängungskampf. Das Ergebnis: schwere Unfälle und rote Flaggen. 

Es stellt sich daher die Frage, inwieweit der GT3-Wettbewerb noch mit der Philosophie des Breitensports zu vereinbaren ist. Ohne jeden Zweifel mag dies eine unliebsame, unbequeme Wahrheit sein. Aber: Indem die Veranstalter den Interessen der Hersteller Priorität einräumen, ist die VLN-Langstreckenmeisterschaft im Begriff, sich von ebendieser Idee abzuwenden. Daher lautet die Forderung, sich auf jenen Gedanken zurückzubesinnen. 

Dies ist keineswegs ein Versuch, die Vergangenheit zu romantisieren. Doch das Konglomerat aus seriennahen Fahrzeugen, diversen GT-Sportwagen und Exoten war eine Eigentümlichkeit der VLN-Langstreckenmeisterschaft, welche die Breitensportserie auf der Nürburgring-Nordschleife auszeichnete. Definitiv: Die GT3-Kateogrie ist entbehrlich. (Maximilian Graf)

Kontra: Nervenkitzel, Geschwindigkeit und Spannung 

Die andere Seite ist nicht von der Hand zu weisen. Die Großen können genauso wenig ohne die Kleinen, wie die Kleinen ohne die Großen. Wenn Motorsportfans zum Nürburgring kommen, um sich dort die Veranstaltungen der VLN oder das 24-Stunden-Rennen anzuschauen, dann setzt sich die Begeisterung oft aus drei Teilen zusammen. Nervenkitzel, Geschwindigkeit und Spannung. Das teilweise beängstigende Dinge im Motorsport vorkommen, gehört leider zum Gesicht dieses Sports. 

Nun ist die Nordschleife natürlich eine extrem spezielle Rennstrecke. Kaum Auslaufzonen, Bodenwellen, Kuppen, Asphaltwechsel, blinde Kurven und diverse andere spezielle Ecken sind bereits im Straßenauto eine Herausforderung, im Rennauto aber grenzt das ganze an ein Stück des Wahnsinns. Aber sind wir mal ehrlich: Wenn man nicht des Öfteren verblüfft wäre, dass ein Überholmanöver geglückt, eine Kurve noch schneller gelang oder der Anker noch später geworfen werden konnte, wäre dann nicht die Faszination des Motorsports verloren gegangen? 

Acht Minuten und sechsundzwanzig Sekunden: Exakt diese Zeitspanne benötigte noch 2008 Manthey-Racing im legendären Dicken, dem neongelben GT2-Porsche, beim schnellsten Umlauf in der Qualifikation um die Eifelstrecke. Ein Jahr später, im ersten Jahr der GT3-Sportwagen, gelang Dirk Adorf der Sprung auf die Poleposition mit einer zehn Sekunden langsameren Rundenzeit. Im vergangenen Jahr umrundete Kévin Estre bei seiner Rekordrunde im Dörr-McLaren den Eifelkurs in acht Minuten und zehn Sekunden. Das entspricht einer Zeitenverbesserung von einer knappen halben Minute in der GT3-Klasse und sechzehn Sekunden zur Zeit des Dicken. 

Wenn man mich fragt, ob die GT3-Fahrzeuge von der Nordschleife verbannt werden sollten, so ist meine klare Antwort: nein. Diese Autos sind unglaublich schnell, das steht außer Frage. Auch wirken die Fahrzeuge für den Betrachter auf der verhältnismäßig schmalen Fahrbahn der Nordschleife sogar noch schneller. Wenn man sich die Rundenzeit der GT3-Autos beim 24-Stunden-Rennen ansieht, wird zunächst einmal deutlich, dass diese Autos nicht von Beginn an die Zeiten gesenkt haben. 

Aber sind Rundenzeiten um den bisherigen Bestwert von sieben Minuten und siebenundfünfzig Sekunden zu schnell für die Nordschleife? Definitiv. Das Problem sind aber weder die Rundenzeiten, noch die GT3-Sportwagen. Das Problem ist, wie die Fahrzeuge diese Rundenzeiten zustande bringen. Nicht durch absurde Leistung oder enormen Grip, sondern durch sehr hohen Abtrieb. 

Kurvengeschwindigkeiten, die sich in den schnellen Ecken mittlerweile jenseits von gut und böse befinden, sind der eigentliche Gefahrenpunkt. Denn hier entstehen die großen Gefahren im Verkehr. Geschwindigkeitsunterschiede auf einer Geraden sind für die Fahrer leicht zu handeln. In Kurven wird das ganze allerdings zur Wanderung auf einem sehr schmalen Grad. Und da sind nicht nur die GT3-Fahrzeuge das Problem – auch die Fahrzeuge der SP3T sind hier ganz vorne mit dabei. 

Dass eine Wiederholung des tragischen Unfalls beim ersten VLN-Lauf dieses Jahres zu verhindern ist, steht außer Frage. Dass Tempolimits da nicht der Weisheit letzter Schluss sind, das weiß auch der DMSB, da brauchen sich die Motorsport-Fans keine Gedanken zu machen. Es werden sinnvollere Lösungen kommen, davon bin ich überzeugt. Die GT3-Sportwagen müssen eingebremst werden – keine Frage. Für die Fans ist es beim zuschauen relativ egal, welche Rundenzeiten die Fahrer erzielen. Das wirkt ähnlich schnell. 

Die bisherige Spitzenklasse aber vollends zu verbannen, würde der Nordschleife einen Großteil ihrer Zuschauer nehmen. Das steht außer Frage. Nun ist der DMSB an der Reihe, Maßnahmen zu beschließen, diese Autos einzubremsen, und das bitte im richtigen Maße. Die Leistungsreduktion ist gedanklich die richtige Richtung, das bremst die Autos aber kaum ein, da die schnellen Rundenzeiten meistenteils, wie bereits erklärt, in den Kurven zustande kommen. (Tim Keuler)

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