WM-Prolog: Porsche sendet erstes Fanal

57

Beim Prolog der Langstrecken-WM hat Porsche ein erstes Fanal an die Konkurrenz gesendet: Bestzeit und Höchstgeschwindigkeit. Allerdings bewegten sich Audi und Toyota weitgehend auf Augenhöhe. Verschiedene Programme und Konfigurationen bedingten Unterschiede. Wird die zugeordnete Spritmenge indes zum Erisapfel?

Nach dem Prolog der Langstrecken-WM hat ein Vergleich der Höchstgeschwindigkeiten manch neutralen Beobachter in Staunen versetzt. Schließlich war das Ergebnis einer Gegenüberstellung eklatant. Porsche überflügelte seine Widersacher von Audi und Toyota geradezu. Mit fast 340 Kilometer pro Stunde hastete Romain Dumas über die Mistral-Gerade. Und die Konkurrenz aus Ingolstadt und Köln?

Toyota fehlten auf dem Geradeausstück des Circuit Paul Ricard etwa zehn, Audi annäherungsweise vierzig Kilometer pro Stunde. Die Hersteller beschwichtigen jedoch: Anhand der Resultate lasse sich das Kräfteverhältnis noch nicht aufschlüsseln. Allein die verschiedenen Konfigurationen der Prototypen beeinträchtigen eine Analyse. Denn Porsche erprobte beispielsweise seine Le-Mans-Aerodynamik, Toyota testete gar zwei Einstellungen, die unterschiedlich viel Abtrieb generierten. 

Zudem unternahm der Herausforderer aus Stuttgart-Zuffenhausen bereits zu Wochenbeginn eine Einstellfahrt. „Nachdem wir uns beim privaten Test auf lange Distanzen konzentriert hatten und zwei Sechs-Stunden-Rennen simulieren konnten, haben wir jetzt auch unsere Qualifying-Performance getestet“, erläutert Teamchef Andreas Seidl. „Wir machen in allen Bereichen gute Fortschritte – Teamarbeit, Leistung und Standfestigkeit.“

Seidl: „Können Erfahrungsvorsprung nicht so schnell aufholen“

 Ferner kompensierte Audi sein Defizit in puncto Spitzengeschwindigkeit in kurvenreichen Passagen. Im Endklassement war Porsche nichtsdestoweniger obenauf. Werksfahrer Brendon Hartley meisterte den Paul Ricard HTTT innerhalb von 1:41,289 Minuten, womit der Neuseeländer 0,784 Sekunden flotter war als Audi-Kontrahent André Lotterer – ein erstes Fanal. „Aber wir wissen auch, dass wir den Erfahrungsvorsprung der Konkurrenz nicht so schnell aufholen können“, räumt Seidl ein. 

Indes betrug die Differenz zu Stéphane Sarrazin als flottester Toyota-Rivale 1,067 Sekunden. Grosso modo bewegten sich die Rundenzeiten dennoch im Laufe der Probefahrt in Le Castellet auf Augenhöhe, das Kräfteverhältnis wirkte ausgeglichen. Zumal sämtliche Besatzungen in Summe rund 1 500 Kilometer während der zweitägigen Generalprobe zurücklegten. „Es war auf jeden Fall ein sehr guter Test für uns alle“, bilanziert Porsche-Pilot Marc Lieb. 

Erleichterung herrschte überdies, weil der Fuel-Flow-Meter augenscheinlich funktioniert. Besagtes Bauteil misst die Durchflussmenge des Kraftstoffes pro Zeiteinheit und entfachte in Formel-1-Kreisen nach dem Großen Preis von Australien kontroverse Diskussionen. Grund war eine Disqualifikation, deren Entscheidung auf divergierenden Ergebnissen der Messgeräte von FIA und des betroffenen Rennstalls beruhte. 

Offiziell: Porsche nutzt sechs Megajoule Rekuperationsenergie 

Um solch einen Zwischenfall bereits im Vorhinein zu verhindert, kooperieren ACO und FIA mit den Konstrukteuren bestmöglich. „Wir haben bei dem seitens der WEC-Organisation hervorragend vorbereiteten Prolog unser geplantes Programm abarbeiten können“, bestätigt Seidl. Schlussendlich gab es allerdings dennoch einen Anlass zur Diskussion: die zulässige Menge an Treibstoff, welche ein Fahrzeug pro Runde verbrennen darf. 

Diese hängt wiederum von der homologierten Rekuperationsenergie ab. Nachdem bereits Toyota am Vortag des Prologs angekündigt hatte, auf eine Energiemenge von sechs Megajoule zurückzugreifen, bestätigte mittlerweile auch Porsche das Rückgewinnungssystem im selben Umfang zu nutzen. „Die Entscheidungsfindung für eine Megajoule-Klasse ist eine komplexe Kalkulation“, unterstreicht Alexander Hitzinger, Technischer Direktor bei Porsche. 

Und versucht es auf diese Formel zu reduzieren: „Vereinfacht ausgedrückt, kann man sagen: Wir haben unsere Energierückgewinnungssysteme so groß und so schwer gemacht, wie es das Fahrzeugkonzept insgesamt erlaubt.“ Audi hat sich dagegen für eine konservative Herangehensweise entschieden und nutzt lediglich eine Rekuperationsenergie von zwei Megajoule. Und: Im Gegensatz zu Porsche und Toyota betankt Audi seine Sportwagen mit Diesel. 

Zugeteilte Kraftstoffmenge als Zankapfel?

Im Vorfeld hatte der ACO den Herstellern eine Liste mit einer Zuordnung der Benzin- und Dieselmenge pro Runde in Abhängigkeit von der Rekuperationsenergie übermittelt. Die Berechnung erfolgte auf Basis bisheriger Analysen. Nach der Prüffahrt in der Provence haben die Regelhüter jedoch Korrekturen vorgenommen, wobei sie jene Hybridsysteme begünstigen, welche von einer höheren Menge an zurückgewonnener Energie Gebrauch machen. 

Folglich sind Porsche und Toyota im Vorteil, wohingegen Audi sich benachteiligt sieht. „Im Kern geht es darum, dass das Reglement Anreize für den Einsatz größerer Hybridsysteme schaffen soll“, erklärt Audi-Motorsportchef Doktor Wolfgang Ullrich gegenüber „Motorsport-Total.com“. „Man hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, dass pro Megajoule zusätzlicher Hybridleistung ein Rundenzeiten-Vorteil von 0,5 Sekunden in Le Mans entstehen soll.“ 

Wird die zugeteilte Energiemenge womöglich zum Erisapfel im Le-Mans-Oberhaus? „Ganz wichtig: Wir sind im gemeinsamen Dialog, respektieren und verstehen uns“, betonte Chris Reinke allerdings im Gespräch mit den Kollegen. „Wir erörtern die Hintergründe und haben so eine saubere Zusammenarbeit.“ Wie sich die Hackordnung tatsächlich zusammensetzt, wird jedoch erst das Auftaktrennen in Silverstone offenbaren.