Ulli Andree: „Zum TT RS2 fehlen mir ein bisschen die Worte“

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Mit dem Audi TT RS2 ist LMS Engineering ein mustergültiger Einstand auf der Nordschleife geglückt: zwei Rennen, zwei Siege. Im Interview urteilt Ulli Andree über das Potential des Rennfahrzeuges. Die hundertprozentige Siegesquote zeige, inwieweit das Fünf-Zylinder-Konzept funktioniere.

Eigentlich hatte Ulli Andree gar mit dem Gedanken gespielt, als aktiver Rennfahrer in den Ruhestand zu treten. Aber die Realität sah anders aus. Schließlich musste der Audi TT RS2 erprobt und die Startnummer eins präsentiert werden. Im Interview mit SportsCar-Info wertet Andree die Darbietung des LMS-Engineering-Renners aus und urteilt über dessen Potential. Bevor er letztlich doch in Rente gehe, wolle der Nordschleifen-Routinier ferner ein GT3-Fahrzeug pilotieren.

SportsCar-Info: Unmittelbar vor dem Auftaktrennen entschied sich LMS Engineering, wegen Komplikationen bei der Lieferung einiger Fahrzeugteile nicht an der VLN teilzunehmen. Folglich konntet Ihr Euren Titel nicht verteidigen – wie verlief Deine erste Saisonhälfte stattdessen?

Ulli Andree: Extrem ruhig, denn ich hatte im Stillen sogar überlegt, nach dem Titelgewinn 2012 mit dem aktiven Motorsport aufzuhören. Allerdings wollte ich auf jeden Fall die Testfahrten sowie zumindest ein Rennen mit dem neuen LMS-TT-RS2 bestreiten. Und ich wollte natürlich auch die Startnummer eins der amtierenden VLN-Meister im Wettbewerb ausführen. Das musste ich mir schon geben.

SportsCar-Info: Wie kam schließlich der unerwartete Premiereeinsatz mit dem Audi TT RS2 beim Grenzlandrennen zustande?

Andree: LMS Engineering hatte eine Menge Abstimmungsarbeiten an dem eigenentwickelten Fünf-Zylinder-Motor mit zwei Litern Hubraum zu bewerkstelligen, nachdem uns die technische Kommission des ADAC in der ursprünglich angedachten Konfiguration – die meines Erachtens absolut dem Reglement entspricht – nicht antreten ließ. Zudem kamen Zulieferteile verspätet, sodass wir das Debüt verschieben mussten, um vorher noch seriös testen zu können. 

SportsCar-Info: Letzten Endes war Euer Einstand mit dem Fünf-Zylinder-Audi beispiellos – schnellste SP3T-Rundenzeit im Training, Klassensieg und Gesamtrang sechs. Der nachfolgende Einsatz bestätigte die Darbietung. Ist das Potential des TT RS2 bereits vollständig ausgeschöpft?

Andree: Es hätte noch „schlimmer“ kommen können. Wir haben uns beim Debütrennen einmal mit der Reifenwahl verzockt. Wir glaubten aufgrund des Radarbildes, dass ich in meinem Turn Regen haben würde, und so bin ich auf Regenreifen raus. Aber der Regen kam nicht. Hätten wir hier Slicks gehabt, wären wir auf Gesamtplatz zwei gelandet. Aber wenn und aber zählt nicht. Das ist auch anderen Teams passiert, und so gleicht sich das alles aus. In Sachen Potential: Ich persönlich würde gerne noch mit dem Fahrwerk arbeiten und an der Aero-Balance. Zudem – der ein oder andere wird es aufgrund der beiden Siege nicht glauben wollen – fehlt noch Leistung.

SportsCar-Info: Ferner habt Ihr unter Beweis gestellt, auch mit einer Eigenkonstruktionen Erfolge einfahren zu können. Was erwartest Du in Zukunft? Derzeit geht der Trend zu GT3-Fahrzeugen, Markenpokalen oder Kundenfahrzeugen von der Stange. Werden sich Eigenentwicklungen weiterhin behaupten können? Insbesondere was Basteleien kleinerer Rennställe anbelangt.

Andree: Der Ansatz von LMS Engineering ist, das ursprüngliche Layout des TT RS beizubehalten. Sprich: Fünf-Zylinder-Motor und sequentielles Getriebe. Alle anderen Audi TT RS in der SP3T fahren ja mit vier Zylindern und DSG. Wir wollten beweisen, dass unser Konzept das bessere ist, verbunden mit dem Ziel, diese Technologie auch an Kundenteams verkaufen zu können. Unsere hundertprozentige Siegesquote mit dem TT RS2 zeigt, dass wir so falsch nicht liegen.

SportsCar-Info: Ist es anderseits denkbar, den Audi TT RS2 an Kunden weiterzuverkaufen? Offenbar hat LMS Engineering bereits erwogen, den modifizierten Motor als standfestere Alternative zum Serienantrieb für den VLN-Einsatz anzubieten.

Andree: Es geht in erster Linie nicht darum, komplette Fahrzeuge zu verkaufen. Denn so viele Chassis vom Audi TT RS gibt es ja nicht. Es geht darum, den von LMS Engineering entwickelten Antriebsstrang zu vermarkten. Der Zwei-Liter-Fünfzylinder passt perfekt zum Originalgetriebe und überfordert es auch nicht durch zu hohe Drehmomentspitzen, wie sie beim 2,5-Liter auftreten können.

SportsCar-Info: Welches Fazit ziehst Du nach Deiner eher kurzen Saison?

Andree: Vier Rennen, drei Siege – dafür dass ich schon ans Aufhören gedacht hatte, kann sich das durchaus sehen lassen. Zum LMS-Audi-TT-RS2 fehlen mir ein bisschen die Worte: Wir hatten auf dem Prüfstand, auf der Rolle, beim ersten Test auf der Nordschleife und auch bei beiden Rennen keinerlei Zuverlässigkeitsprobleme. Da haben Andreas Lautner und sein Team mehr als ganze Arbeit geleistet, und es war für mich ein absoluter Gewinn, dabei sein zu dürfen.

Neben den beiden LMS-TT-RS2-Einsätzen bin ich ja auch zwei Läufe bei Bonk Motorsport im Opel Astra OPC Cup gefahren. Es war mir zum einen eine Ehre, für Wolf Silvester zu fahren, und zum anderen ein Vergnügen, Mario Merten beim Kampf um den OPC-Titel zu unterstützen. Daher freut es mich sehr, dass das Bonk-Team und Mario die Meisterschaft in letzter Sekunde noch geholt haben.

Zudem wollte ich die Herausforderung „Markenpokal“ angehen. Denn im OPC-Cup starten zwanzig gleichwertige Fahrzeuge mit echten Nordschleifen-Profis. Da geht es schon gepflegt zur Sache. Ich war dann recht zufrieden, als ich gleich bei meinem Debüt beim Sechs-Stunden-Rennen die Klasse anführen konnte. Mit eineinhalb Minuten Vorsprung und bereits gezügeltem Dampf hatten wir leider dennoch einen Getriebeschaden, aber bei VLN 8 haben Mario und ich dann den Klassensieg geholt – nach fast vierstündigem Rad-an-Rad-Kampf mit Elmar Jurek/Jannik Olivo.

Frage: Welche Pläne hast Du für die kommende Saison? Nachdem es Dir und LMS Engineering in diesem Jahr verwehrt blieb, den Titel zu verteidigen, müsstet Ihr doch noch eine Rechnung offen haben. 

Antwort: Nein, 2013 hatte ich keine Rechnung offen. Die Rechnung, die ich offen hatte, war der verlorene Titel von 2004. Ich war damals – gemessen an VLN und 24-Stunden-Rennen – der Fahrer mit den meisten Nordschleifen-Siegen der Saison, wurde aber dennoch „nur“ VLN-Vize. Aber diese Rechnung konnte ich 2012 durch den Titel im LMS-Scirocco-GT24 zusammen mit Christian Krognes und Dominik Brinkmann begleichen.

2014 würde ich schon gerne mit LMS Engineering und dem TT RS2 weiterarbeiten, denn ich fühle mich dort extrem wohl. Zudem würde ich aber auch gerne mal einen GT3 testen. Ich denke, das ist jetzt mal fällig, bevor ich in Rente gehe. Vielleicht lässt sich ja beides verbinden. Andreas Lautner ist ein hervorragender Ingenieur und Teamchef und die Truppe von LMS Engineering sehr professionell, aber mit viel Spaß bei der Sache. Ein Rundum-glücklich-Paket sozusagen.

SportsCar-Info: Könntest Du Dir außerdem vorstellen, Dich in einem anderen Wettbewerb als der VLN-Langstreckenmeisterschaft zu engagieren?

Andree: Absolut. Mein Herz schlägt auch für den historischen Sport, wobei historisch für meinen Geschmack bedeutet: Ende sechziger, siebziger, achtziger und neunziger Jahre. Das sind genau die GT-, Touren- und Sportwagen, die ich als Kind und Jugendlicher aus der Zuschauerperspektive bestaunt habe. Im Sommer dieses Jahres durfte ich dann ja den Kremer-Porsche 935 K3 von 1980 fahren. Das war emotional ein echtes Highlight, von den bis zu 850 PS ganz zu schweigen. Schön ist dabei die Konstellation, dass ich als regelmäßiger Gastautor der „Pitwalk“ den Fahrzeugeignern einen Stein in den Garten zurückwerfen kann.

Zu jedem dieser Auftritte gibt es einen emotionalen Fahrbericht mit tollen Fotos in einem hochwertigen Printmagazin. Ich gehe mit viel Respekt an diese Pretiosen und beschriebe hier die Geschichte und den Charakter des jeweiligen Fahrzeugs nicht aufgrund der Aussagen der Stammfahrer, sondern erlebe und spiegele ihn eins zu eins.

Es bestehen Kontakte zu Besitzern verschiedener Fahrzeuge aus den genannten Epochen, und ich habe bereits die Zusage, einen sehr schönen historischen Tourenwagen fahren zu dürfen. Es gibt nur dieses eine Original-Exemplar. Mal sehen, ob und was da vielleicht noch hinzukommt. Mein Traum wäre die Teilnahme bei den Le Mans Classic. Außerdem interessieren mich die verschiedenen modernen 24-Stunden-Rennen, die in 2014 wieder auf dem Programm stehen.