Marco Wittmann: Junger Fürther sorgt für Wirbel in der DTM

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Marco Wittmann ist mit 23 Jahren Neueinsteiger in der DTM und schon Teamkollege von Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock. In den ersten drei Rennen fuhr er in die Punkte, im dritten aufs Podest. Ein Porträt des gelernten Karosseriebauers, der auch im Straßenverkehr „immer regelkonform“ fährt.

Er nippt an seiner Apfelschorle und schaut unsicher nach links und rechts. Er beobachtet sein Gegenüber und die Menschen neben ihm detailliert in dem kleinen Café in Nürnberg. Genauso sorgfältig beobachtet er auch seine Konkurrenten auf der Rennstrecke. Es fällt nicht auf, dass der junge Mann aus dem Kaffeehaus einen besonderen Job hat: Marco Wittmann ist BMW-Neuling in der populärsten europäischen Tourenwagenserie: der DTM.

„Wie jeder kleine Junge wollte ich Formel-1-Fahrer werden“

Mit sechs Jahren hat er mit dem ungewöhnlichen Hobby angefangen. „Mein Opa ist früher Bergrennen gefahren. Mein Papa hobbymäßig Kart. Irgendwann hab ich ein Kart zu Weihnachten geschenkt bekommen, und so fing es bei mir an“, erzählt der gelernte Karosseriebauer. Seitdem reist er mit der gesamten Familie von Strecke zu Strecke. In der Schulzeit hat das aber auch einige Probleme hervorgebracht: „Gerade im Alter von zwölf oder dreizehn war es sehr schwer für mich. Da war der Neid der Mitschüler schon groß.“, sagt Wittmann. 

Für die Rennen wurde er damals des Öfteren von der Schule befreit. Nach seinem Realschulabschluss schloss der Berufsrennfahrer eine Ausbildung zum Karosseriebauer ab. „Mir war wichtig ein zweites Standbein zu haben. Mit der Ausbildung hat man etwas in der Hand und auch eine Sicherheit“, weiß der 23-Jährige.

Mit 18 Jahren wechselte Marco Wittmann dann in die nächst höhere Stufe: Die Formel-BMW, in der nur wenige Jahre zuvor noch die jetzigen Formel-1-Piloten Sebastian Vettel oder Nico Rosberg an den Start gingen. Nach zwei lehrreichen Jahren wagte Wittmann den Sprung in die Formel-3-Euroserie. Sein erstes Jahr verlief für den gebürtigen Fürther nicht erfolgreich. Aber in den beiden Folgejahren fuhr Wittmann um den Meisterschaftstitel und wurde zweimal hintereinander Vizechampion.

„Die Formel-Zeit war für mich sehr wichtig. Ich habe hier viel gelernt“, verrät Wittmann. „Ob es um die Medien- und Pressearbeit ging oder um die körperliche Fitness und das Fahrgefühl.“ Aber der damals 21-Jährige hat noch etwas viel Wichtigeres mitgenommen: Eine Einladung zum Testen des BMW-DTM-Autos.

Die erste Enttäuschung: Entwicklungsfahrer statt Stammfahrer

Beim Testtag von BMW wurde das Talent des jungen Fahrers und das anderer getestet. „Es bestanden Chancen auf ein Stammcockpit in der DTM für 2012“, erzählt Wittmann. Doch dazu kam es nicht: Das letzte freie Fahrercockpit wurde an Dirk Werner, früherer ALMS-Pilot vergeben. „Die Enttäuschung war erst mal groß“, verrät der Fürther. Doch dann kam der entscheidende Anruf: „Ich wurde gefragt, ob ich für 2012 Test- und Entwicklungsfahrer für BMW sein will“.

Fortan übernahm Wittmann den neuen Job. Bei allen Rennen der DTM war er mit vor Ort, nahm an Meetings teil, nahm an Testtagen teil und machte seine ersten Erfahrungen in der Tourenwagenserie. „Es war aber auch eine sehr schwierige Zeit für mich“, berichtet Wittmann. „Wenn man Rennfahrer ist will man eben auch Rennen fahren und nicht einfach immer nur zuschauen müssen“.

Der neue Job: BMW Werksfahrer

Ein Jahr später ging der Traum des Jungrennfahrers in Erfüllung: Er bekommt eines der acht Stammcockpits in der DTM. Er ist jetzt fester Fahrer neben Markenkollegen wie Martin Tomczyk, DTM-Champion 2011, oder Bruno Spengler, Vorjahresmeister. Mit dem neuen Job sind aber auch viele stressige Aufgaben verbunden. Der Tagesablauf an einem Rennwochenende: Die Anreise ist meistens donnerstags oder freitags. Am Freitag finden Meetings mit den Ingenieuren statt, Besprechungen um das Auto richtig auf die Strecke abzustimmen. 

Danach kommt die Streckenbegehung. Samstagfrüh ist das erste freie Training. Davor und danach finden noch Meetings statt. Es werden Daten ausgewertet, und man schaut, was man für die Qualifikation noch verbessern kann. „Danach folgen meist noch Treffen mit den Sponsoren. Oder Autogrammstunden. Sonntags ist dann das Hauptrennen”, erzählt Wittmann. Volles Programm also für den 23-Jährigen. 

2013 ist das erste Jahr für den Neuling in der DTM. In Hockenheim fuhr Wittmann auf Rang neun, im Folgerennen im englischen Brands Hatch verpasster der BMW-Pilot knapp das Podium auf Rang vier. In Österreich dann das Hoch: Wittmann kann neben Teamkollege Timo Glock das Podest erreichen und stellt seinen BMW auf Platz zwei ab.

Manuel Reuter: „Das erste Jahr ist meistens nicht entscheidend“

Derzeit liegt der fränkische Fahrer nach nur vier Rennen auf Rang sechs der Gesamtwertung. Eine Glanzleistung für einen Einsteiger. Als Anfänger kämpft Wittmann jetzt schon mit um den Titel. Aber dass das nicht so einfach ist, weiß Manuel Reuter, ARD-Motorsportexperte und ITC-Champion von 1996: „Das erste Jahr ist meistens nicht entscheidend. Wichtig ist das zweite Jahr. Noch ist Marco vorne mit dabei, aber er hat auch noch keinen Druck von hinten. Erst im zweiten Jahr wird sich zeigen, wie stark Marco wirklich ist.“ Wittmann selbst ergänzt: „Man muss den Ball ein wenig flach halten. Es werden definitiv Tiefs kommen“.

Aber auch das Auto, mit dem er momentan unterwegs ist, ist sehr gut. Neben den anderen beiden Herstellern Audi und Mercedes-Benz schneidet der BMW momentan sehr gut ab. „Man darf nicht vergessen, dass Marco momentan mit dem stärksten Auto im Feld unterwegs ist.“, sagt Manuel Reuter. „Es gibt viele andere gute Fahrer, die ebenfalls vorne fahren würden, wenn sie das entsprechende Material hätten“.

Ein Rennfahrer abseits der Strecke

Wenn Marco Wittmann nicht gerade Rennen fährt, auf einem BMW-Event ist oder im Betrieb seines Vaters als Karosseriebauer aushilft, findet er noch ein wenig Zeit für sich und seine Freunde. „Es ist schon schwierig und viel Zeit bleibt einem nicht. Man hat ja auch noch das Körper- und Fitnessprogramm. Aber wenn ich mal Zeit hab, dann unternehme ich auch gerne was mit Freunden. Gehe essen oder einfach mal Feiern.“

Und wie fährt ein DTM-Pilot privat? „Natürlich immer regelkonform“, sagt Wittmann grinsend und biegt mit seinem auffälligen blauen Privat-BMW nach links ab, obwohl man nur rechts abbiegen darf. „Ich darf das“, sagt Wittmann selbstbewusst. „Und wenn jemand was sagt, tu ich so, als käme ich nicht von hier“. Der Motor heult auf und der junge, unauffällige Mann aus dem Café, saust mit seinem BMW davon. Auffällig. Wie ein Rennfahrer eben fährt.