Kommentar: Der Tod wird immer mitfahren

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Allan Simonsens tragischer Tod vergegenwärtigte neuerlich, welche Gefahren selbst der moderne Motorsport birgt. Zugleich förderte das Unglück eine unliebsame Wahrheit zutage: Es gibt keine Garantie auf absolute Sicherheit. Trotz aller Präventivmaßnahmen: Der Tod wird immer mitfahren.

Mittlerweile sind einige Tage vergangen, seitdem Allan Simonsen in Le Mans auf tragische Weise ums Leben kam. Bereits tags darauf entbrannte eine kontroverse Debatte um die Ereignisse an diesem Samstagnachmittag auf dem Circuit de la Sarthe. Schließlich reichte der letzte tödliche Rennunfall in die achtziger Jahre zurück, als der Wiener Jo Gartner auf der Hunaudières-Geraden verunglückte. 

Welche Maßnahem hätten zur Prävention getroffen werden können? Wie ist die Vorgehensweise der Verantwortlichen zu beurteilen? Hätte das Rennen abgebrochen werden sollen? Hätte sich Aston Martin zurückziehen müssen? Disputable Fragen, zu denen es womöglich keinen nicht anfechtbaren Standpunkt gibt. Anderen wiederum fehlen nach solch einer Tragödie die Worte – schiere Fassungslosigkeit.

Der „FAZ“-Redakteur Christoph Becker thematisiert einen Aspekt dieses Zwischenfalls, welcher gewiss einige Rennsportanhänger verstört. Eingangs formuliert er die Frage: „Hatte sich unter den Fahrern ein Gefühl der Unverletzlichkeit breit gemacht?“ Wer die letzten zwei Dekaden resümiert, wird die Frage vermutlich mit Ja beantworten. In den zurückliegenden 15 Jahren trugen sich regelrechte Horrorunfälle zu, die allesamt glimpflich endeten. Die Fahrer wirkten in ihren Monocoques geradezu unverwundbar.

Simonsens Unfall hat die Verletzbarkeit wieder vor Augen geführt

Im Jahr 1999 schlugen Mark Webber und Peter Dumbreck im Mercedes-Benz CLR auf dem Hügel der Hunaudières-Geraden sowie bei der Anfahrt zur Indianapolis-Kurve mehrere Salti und erlitten lediglich geringfügige Blessuren. Zudem erregten erst in jüngster Vergangenheit Überschläge für Aufsehen, welche die Sicherheitsdiskussion auf dem Traditionskurs im Nordwesten Frankreichs abermals entfachten. 

In der Saison 2011 verlor Allan McNish auf dem höckrigen Kiesbett des Esses-Schlenkers die Kontrolle über seinen Audi R18 e-tron quattro und schlug vehement in die Reifenstapel ein. Aber der Schotte kletterte wie durch ein Wunder unverletzt aus dem Cockpit. Im letzten Jahr hob auch Anthony Davidson im Toyota TS030 Hybrid auf dem Hunaudières-Geradeausstück ab und überschlug sich, entkam allerdings mit zwei Wirbelbrüchen. 

Wer die Unfälle miterlebte, wird für einige Sekunden sicherlich Zweifel gehegt haben, ob die Fahrer ihre Boliden lebend verlassen. Und nun? Simonsen unterlief ausgangs der Kurve Tertre Rouge womöglich eine kleine Unachtsamkeit, welche dem Dänen das Leben kostete. Fraglos haben die tragischen Ereignisse am vergangenen Wochenende das entstandene Vertrauen in die Technik massiv erschüttert. Jahrelang wähnten wir Fahrer im Cockpit in Sicherheit, doch die Szenen in Le Mans förderten ebendiese Verletzbarkeit zutage.

Keine Garantie auf absolute Sicherheit

Es ist eine menschliche Reaktion sodann die Gründe zu hinterfragen, gar eine mögliche Schuldfrage zu klären. Doch die Diskussionen um präventive Maßnahmen, um solche Vorkommnisse zu verhindern, drängen jedoch bewusst einen Fakt in den Hintergrund: die Angst vor der Gewissheit, niemals Gewissheit haben zu werden. Denn Simonsens tragischer Tod konfrontierte die Beteiligten mit jener Tatsache. 

Zweifelsohne haben die Fortschritte im Laufe des letzten Jahrhunderts die Zahl der Unfälle reduziert und etlichen Fahrern das Leben gerettet. Ferner stehen die ACO-Verantwortlichen in der Pflicht, die Umstände und Ursachen des Unfalls zu untersuchen, damit das Risiko solch einer Katastrophe minimiert wird. Aber die Entwicklungen verfolgen letzten Endes ein Ziel, das nie erreicht werden kann. 

Die stetige Verbesserung der Sicherheitsstandards kaschiert eine unbequeme Wahrheit, welche allerorten gescheut wird: Keine Maßnahme garantiert absolute Sicherheit. Letzten Endes ist das Unvermeidbare nicht zu vermeiden, dem Unausweichlichen nicht zu entrinnen. Der Tod fährt mit und wird immer mitfahren. Jedermann, der sich ans Lenkrad setzt, muss sich dies vergegenwärtigen. Damit haben sich Liebhaber des Motorsports auf ewig abzufinden.