911 RSR: Porsche wappnet sich für den Angriff auf Ferrari

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Während der letzten beiden Jahre kämpfte Porsche in der Langstrecken-Branche zum Teil mit stumpfen Waffen. Der Ferrari 458 war dem vergleichsweise alten GTE-Neunelfer auf Basis der 997-Baureihe partiell überlegen. Doch die Zuffenhausener wollen mit ihrem neue 911 RSR die Partie wenden. Eine Technikanalyse.

Porsche hat seine neue Waffe für den GTE-Wettstreit vorgestellt: den Porsche 911 RSR. Im Laufe dieser Saison wird zunächst nur Manthey den neuen Neunelfer in Kooperation mit der Porsche-Werksmannschaft einsetzen. Nachdem die Zuffenhausener Boliden in den letzten Jahren eher durch Zuverlässigkeit denn durch Tempo auffielen, soll sich das dieses Jahr wieder ändern. Auch um die zuletzt konkurrenzfähigen Ferrari wieder unter Druck setzen zu können.

Deutlich überarbeitetes Fahrwerk

Die neue Basis, das Straßenmodell der Baureihe 991, erlaubte es, das Fahrwerk komplett zu überarbeiten. Der Radstand ist nun 100 Millimeter länger und die McPherson-Vorderachse an der Front wurde durch besser beherrschbare Doppelquerlenker ausgetauscht.

Der längere Radstand bringt dabei gleich in zwei Punkten Verbesserung: Zum einen wandert etwas mehr Gewicht nach vorne, was die Balance verbessert, zum anderen regen Stöße an der Hinterachse nun die Vorderachse etwas weniger an. Die Folge ist ein wesentlich stabileres Auto, welches gleichzeitig einen seiner Hauptnachteile, nämlich den enormen Reifenverschleiß, vor allem am Heck verliert.

Die neue Vorderachse erlaubt eine bessere Kontrolle der Bewegung der Vorderräder. Gleichzeitig können dadurch die Kräfte besser auf das Chassis übertragen werden, was die Rückmeldung für die Fahrer erhöht und ihnen ein besseres Gefühl für das Fahrzeug gibt.

Fahrzeuggewicht und Schwerpunkt sinken

Auch das Chassis wurde deutlich überarbeitet. Durch den großzügigen Einsatz von Verkleidungsteilen aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen konnte das Gewicht sowie der Schwerpunkt gesenkt werden. Auch die Scheiben, ein nicht zu vernachlässigender Gewichtstreiber, bestehen nun im Falle der Seitenscheiben aus leichterem Polycarbonat.

Ein Höhepunkt ist sicherlich die Batterie. Anstelle einer normalen Bleibatterie kommt, wie im Audi R18, eine Lithium-Ionen-Batterie zum Einsatz. Dieser Stromspeicher, im Übrigen bekannt aus vielen Anwendungen wie Mobiltelefonen und Laptops, kann fast die zehnfache Energiemenge bei gleichem Gewicht speichern. Audi verwendet diese Technologie schon seit dem Jahr 2009 in seinen LMP-Fahrzeugen. Der Porsche ist nun aber der erste GT-Bolide mit diesem Batterietyp. Zu erwähnen ist allerdings auch, das Lithium-Ionen-Batterien ein höheres Brandrisiko bedeuten.

Weniger Gewicht bedeutet dabei zunächst einmal mehr Kurvengeschwindigkeit und bessere Beschleunigung. Zusätzlich gelang es den Ingenieuren bei Porsche auch, den Schwerpunkt zu senken. Dies verbessert, wie auch das überarbeitete Fahrwerk, die Balance des Fahrzeugs und verringert die Anregung von einer Achse auf die andere, beispielsweise nach harten Stößen. Außerdem wird damit die Kraftverlagerung beim Bremsen und Beschleunigen sowie bei Kurvenfahrt verringert, und der Porsche kann nun seine Reifen besser ausnutzen.

Neuer Arbeitsplatz für die Piloten

Ebenfalls zum nun niedrigeren Schwerpunkt trägt das neue Cockpit bei. Der Sitz ist nun etwas tiefer montiert, was gerade größeren Piloten den Einstieg erleichtert. Außerdem verbessert sich ebenso dadurch das Gefühl für das Fahrzeug. Auch die Anordnung der Schalter wurde auf Anregung der Piloten so geändert, dass die wichtigsten Knöpfe besser erreichbar sind.

Wie mittlerweile üblicher erfolgt der Gangwechsel in Zukunft über Schaltwippen direkt am Lenkrad. Gerade beim Hineinbremsen in Kurven kann der Fahrer so immer beide Hände am Volant lassen. Dies verringert die Gefahr, beim plötzlichem Ausbrechen vollends die Kontrolle zu verlieren, da man beide Hände zum Gegenhalten zur Verfügung hat.

Unveränderter Antriebsstrang

Am Motor wurde indes kaum etwas geändert. Porsche spricht hierbei von Detailoptimierungen. Der Sechs-Zylinder-Boxermotor leistet also weiterhin zirka 460 PS, wobei hier unter Umständen noch Veränderungen kommen können – je nachdem, wie das Fahrzeug von ACO und FIA eingestuft wird. Der Motor und auch das Getriebe sowie das Differential sitzen dabei unverändert im Heck, und der Motor ist auch nach wie vor hinter dem Getriebe verbaut.

An den anderen Komponenten des Antriebsstrangs wurden ebenfalls nur minimale Verbesserungen vorgenommen. Zu Recht, denn schließlich erwiesen sich die Antriebkomponenten aus Zuffenhausen schon in der Vergangenheit als äußerst zuverlässig.

Überarbeitete Aerodynamik

Auch die Luftführung durch und um das Fahrzeug herum wurden verbessert. Der Kühler sitzt nun zentral vorne im Fahrzeug und helfen auf diese Weise, das Gewicht besser zu verteilen. Außerdem konnte er an dieser Position kleiner ausfallen, bei gleicher Kühlleistung.

Auch in diesem Zuge wurde an die Piloten gedacht. Nicht nur der Motor wird besser gekühlt, sondern auch die Klimatisierung des Innenraums wurde verbessert. Dies dürfte den Piloten vor allem bei den Rennen in Austin und São Paulo positiv auffallen. Aber auch in Le Mans gab es schon das ein oder andere Rennen bei hohen Temperaturen.

Im Außenbereich wurde die Luftführung der neuen Gewichtsverteilung angepasst, um das Fahrzeug auch aerodynamisch stabiler zu gestalten.

Schnellspanner für schnellere Reparaturen

Auch bei der Außenverkleidung schauten die Zuffenhausener zur Konzernschwester Audi. So wurden viele große Verkleidungsteile mit Schnellspannern fixiert. Diese können nun nach Unfällen oder Berührungen mit anderen Fahrzeugen deutlich schneller gewechselt werden. Bei Langstreckenrennen ein nicht unwichtiger Faktor, da solche immer wieder vorkommen.

Meinung der Piloten

Porsche-Werksfahrer Richard Lietz gefällt vor allem die bessere Rückmeldung des Fahrzeugs. Er freut sich darüber, bei Setup-Arbeiten dadurch selber ein besseres Feedback an die Ingenieure geben zu können. Auch die optimierte Bedienung gefällt ihm. „Man kann alles intuitiv bedienen und sich voll auf das Fahren konzentrieren“, gab der Österreicher zu Protokoll. Er freue sich auch darüber, dass das Auto nun in der Kurvenmitte besser fahrbar wurde, ohne dass die klassischen Stärken des 911, Beschleunigen und Bremsen zu stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Sogar der Fahrstil muss angepasst werden. Die Piloten können jetzt runder Fahren und mehr Tempo mit durch die Kurven nehmen, was im Gegenzug auch wieder die Reifen schont.

Jörg Bergmeister ist von seinem neuen Arbeitsgerät gleichermaßen angetan. Ihm gefällt der tiefere Sitz. „Für mich war es schön, dass ich mal nicht mit dem Kopf an den Überrollbügel angeschlagen bin“, lautet sein Kommentar. Aber er ist ebenso ein Fan des neuen Fahrwerks, welches nun stabiler ist. Gerade auf Bodenwellen spürt er Verbesserungen. In Le Mans, wo das Rennen bekanntlich zum Teil auf öffentlichen Straßen ausgetragen wird, bringt dies gewiss Vorteile.

Porsche hofft nun, mit dem neuen Fahrzeug auch vom Tempo wieder den Anschluss an die Konkurrenz zu finden. Die letzten Jahre war die Zuverlässigkeit der einzige Trumpf der Porsches, wie zuletzt in Sebring wieder bewiesen, als ein Porsche trotz langsamerer Rundenzeiten am Ende mit Platz drei doch noch auf dem Podium landete.

Die ersten Testzeiten dürften den Zuffenhausenern jedenfalls schmecken. Schließlich lag der Porsche zwar am Freitagvormittag noch hinter Aston Martin und Ferrari, aber am Nachmittag sowie am Abend übernahm dann der 911 das Kommando und verwies die Gegner auf die Plätze. Am Samstag blieb er dann mit dem Ferrari auf Augenhöhe. Das erste Rennen des neuen Fahrzeugs findet in zwei Wochen in Silverstone statt. Die Porsche-Mannen hoffen logischerweise auf einen starken Einstand.