Die Clio-Familie der VLN verliert eines ihrer sympathischen Mitglieder. Nach einigen Rückschlägen, die das Team auch finanziell hart trafen, hat Werner Meiswinkel den Entschluss gefasst, 2013 nicht mehr in der Langstreckenmeisterschaft anzutreten. Im Interview äußert sich der Teamchef zum Rücktritt.
2012 war ein hartes Jahr für den Familienbetrieb ATM Motorsport. Schon bei den Prüf- und Einstellfahrten im März wurde der liebevoll „Jacques“ genannte Renault Clio von einem russischen BMW-Fahrer regelrecht abgeräumt und schwer beschädigt. Trotzdem kehrte die Truppe mitten in der Saison zurück. Bei den 24 Stunden von Barcelona markierte dann ein kapitaler Getriebeschaden einen weiteren Rückschlag. Steigende Kosten in der VLN, der Wegfall der Unterstützung seitens Renault-Sport und nicht zuletzt die immer härter werdende Gangart auf der Nordschleife führten letztendlich dazu, dass jetzt der Stecker gezogen wurde.
ATM-Teamchef Werner Meiswinkel stand SportsCar-Info gegenüber Rede und Antwort über die Hintergründe, die zu der Entscheidung führten.
SportsCar-Info: „Werner, welche Gründe haben konkret dazu geführt, dass Ihr Euch aus der VLN zurückzieht?“
Werner Meiswinkel: „Zunächst mal habe ich mir persönlich immer wieder die Frage gestellt, ob es richtig war nach dem Unfall bei den Prüf- und Einstellfahrten, der ja Gott sei Dank ‚nur‘ einen Materialschaden aufwies, unsere Fahrer wieder diesen Gefahren auszusetzen. Die Leidenschaft zur Rennerei und auch die vielen Freunde innerhalb der VLN-Familie haben diese Frage immer wieder in den Hintergrund gedrängt.
Leider hat uns ja der Unfall vom ‚Tiergarten‘ so um die 20.000 Euro gekostet und die Getriebenummer von Barcelona noch mal so zirka 10.000 Euro. Die VLN hat gegenüber der Saison 2010/2011 kräftigst Ihre Nenngebühren angehoben. Die Benzinkosten am Nürburgring lagen das ganze Jahr deutlich über zwei Euro pro Liter und Renault hatte am Anfang 2012 seine Ersatzteilpreisliste um die 25 bis 30 Prozent angehoben. Im Gegenzug wurde das Preisgeld von Renault von 2011 auf 2012 deutlich gesenkt (Platz fünf im Jahr 2011 brachte 5.000 Euro, Platz vier 2011 nur noch 3.500 Euro). Die Saison 2013 wird ohne Preisgeld auskommen müssen, weil Renault den Geldhahn hierfür geschlossen hat.
In der Saison 2013 wird es ja die Klasse Cup3 nicht mehr geben. Renault will die sogenannte ‚Clio-Speed-Trophy‘ innerhalb der Klasse SP3 ausschreiben, gibt aber persönlich absolut nichts dazu. Weder finanzielle noch materielle Dinge. In dieser Clio-Speed-Trophy können wieder alle Clios starten. Irgendwelche Begrenzungen sind nicht vorgesehen. In dieser Trophy gegen die leistungsstarke Konkurrenz anzutreten, macht aber nur dann Sinn, wenn zumindest die Chance besteht, einen der vorderen Plätze zu belegen. Dies ist der Anspruch des Teams und auch der Fahrer. Für uns würde das bedeuten, dass mindestens ein anderer, stärkerer Motor herbei muss. Da sind dann auch schon wieder schnell so um die 15 bis 20 tausend Euro fällig.
Auch die Überlegung den Clio „Jacques“ in der Klasse SP3 zu melden macht keinen Sinn, weil für uns auch hier kein Blumentopf zu gewinnen ist und eigentlich nur darauf zu warten ist, dass die Konkurrenz patzt.
Ein weiteres Kriterium in unserem Team ist, dass wir seit Jahren keine neuen Sponsoren gewinnen konnten und heute noch auf die Partner von 2004 bauen müssen. Hier verlieren wir für 2013 ein Sponsormitglied, weil dieser in Rente geht und seine berufliche Tätigkeit eingestellt hat. Ersatz konnte nicht gefunden werden. Trotz ausführlicher TV-Berichterstattung und laufender Medienberichte in allen möglichen journalistischen Blättern und Internetforen.
Die ganzen entstandenen Mehrkosten sind ausschließlich von mir alleine getragen worden und irgendwann kommt der Tag, wo man nicht mehr bereit ist, ständig nur Mittel hineinzustecken und kein Ende in Sicht ist.
Natürlich haben wir auch überlegt, die jetzigen Fahrzeuge zu verkaufen und ein anderes Auto, für eine andere Klasse zu kaufen. Im Endergebnis wäre das aber keine Einsparung gewesen. Hinzu kommt eben bei einem anderen Fahrzeugtyp, dass wieder mindestens eine Saison benötigt wird, um dieses Auto auch zu verstehen und schnell zu bewegen. Auch diese anfallenden Mehrkosten wären letztlich wieder an mir persönlich hängen geblieben.
All die vorgetragenen Gründe, und derer gibt es auch noch andere, haben uns, meine Frau und mich, letztlich dazu bewogen, einen Start in der VLN für die Saison 2013 nicht mehr anzugehen. Mit Jana haben wir die ganze Situation auch detailliert besprochen und sie ist voll unserer Meinung und sieht es auch ein. Natürlich tut ihr diese Entscheidung, und nicht nur ihr, sehr weh. Auch haben wir uns nicht leicht getan letztlich Ernst auch über unsere Entscheidung zu unterrichten, besteht doch schon seit Jahren mehr als nur ein rein fahrerisches Verhältnis.“
SportsCar-Info: „Ihr startet als Team seit 2006 in der VLN und habt Euch mit der Zeit zu einer festen Größe entwickelt. Wie hat sich die VLN aus Deiner Sicht in dieser Zeit gewandelt?“
Werner Meiswinkel: „Die VLN hat sich aus unserer Sicht gegenüber den Anfängen 2006 wesentlich verändert. Es wird brutal gefahren, ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt kaum noch ein Nebeneinander. Jeder ist sich selbst der nächste. Hinzu kommen sehr viele große Fahrzeuge mit Fahrern, denen es vollkommen egal ist, ob das Auto heil ins Ziel kommt oder unterwegs als ‚Hühnerfutter‘ liegen bleibt.
Natürlich entstehen eben durch diese Konstellation, große und schnelle Fahrzeuge mit kleineren und etwas langsameren Fahrzeugen, sicherlich hier und da kritische Situationen, die es bestimmt aber auch schon früher so gegeben hat. Heute wird einem aber kein Raum mehr ‚zum Leben‘ lassen. Klar wollen und müssen die ‚Werksprofis‘ entsprechende Erfolge einfahren, weil sie selbst sonst die Sachen packen können. Nur ob es dabei so brutal hergehen muss, sei mal dahin gestellt.
Ein weiteres Kriterium sind sicherlich die ‚östlichen Teilnehmer‘, denen es vielfach an nötiger Erfahrung fehlt. Dafür ist das Portemonnaie aber umso dicker ist und es interessiert nicht im Geringsten, ob da gerade ein in die Mauer oder Leitplanke geschobenes Auto des Teams platt ist und dadurch die Existenz dieses Teams gefährdet ist oder es sogar schon den Gnadenstoß bekommen hat. Sicherlich ist auch den VLN-Verantwortlichen die ganze Situation bekannt, aber grundsätzliche Änderungen sind unseres Wissens nicht durchgeführt worden.
SportsCar-Info: „Werdet Ihr dem Motorsport denn erhalten bleiben und falls ja, wo kann man Euch 2013 an der Rennstrecke treffen?“
Werner Meiswinkel: „Da stellt sich zunächst einmal die Frage: Welche Alternativen bieten sich uns, die einen Rennbetrieb mit den uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln auch zukünftig zu betreiben?
Es gibt da sicherlich einmal die Cup- und Tourenwagentrophy, den sogenannten Hankook-Cup und den Bördesprint in Oschersleben. Beides leider eben mit vielen Kilometer der An- und Abreise verbunden. Oder alternativ eben auf der Nürburgring-Nordschleife die Rundstrecken-Challenge-Nürburgring RCN. Zugegeben, die RCN mit ihrem Umfeld ist für uns kein richtiges Rennen. Aber eben eine motorsportliche Betätigung, die im Gegensatz zur VLN finanzierbar ist. Wenn man mal alleine das Startgeld mit der VLN vergleicht, dann gibt es hier schon eine Differenz von 890 Euro pro Lauf. Auch der Verschleiß an Teilen dürfte weit geringer sein als bisher und daher auch eine beträchtliche Summe einsparen. Das lässt sich noch an mehreren Positionen fortführen. Wo wir aber letztlich 2013 den Schwerpunkt setzen, ist zum jetzigen Zeitpunkt für uns noch nicht endgültig abgeklärt.“
Ein kleiner Rückblick
ATM Motorsport ist seit 2006 fester Bestandteil der VLN-Langstreckenmeisterschaft. Nachdem Jana, die Tochter des Teamchefs zwei Jahre zuvor im Toyota-Yaris-Cup gefahren war und dort als damals 17-Jährige erstmals im Rahmen des 24-Stunden-Rennens Nordschleifenluft geschnuppert hatte, reifte der Wunsch, dort mehr Rennen zu fahren. Also wurde für die Saison 2006 ein Ford Puma angeschafft, mit dem in der Premieren-Saison einige Läufe im damaligen Castrol-Haugg-Cup und in der VLN bestritten wurden.
2007 folgte der Umstieg auf einen Ford Fiesta aus dem damaligen Fiesta-Cup. Aus der Yaris-Cup-Zeit in der Top-Ten-Serie kannte man Jutta Beisiegel, die auch auf die Nordschleife wollte. Das Team „Frauenpower“ war geboren. Beim 24-Stunden-Rennen im gleichen Jahr stieß mit Stefanie Manns eine weitere schnelle Frau hinzu. Manns ist gerade zum zweiten Mal in einem Buggy die Rallye Dakar dabei. Die schnellen Mädels schafften im kleinen Ford Rang drei in ihrer Klasse.
2008 wurde das Projekt „Frauenpower“ fortgesetzt. Für den Saisonhöhepunkt konnte man die Busch-Zwillinge gewinnen. Die schnellen Brüder haben kürzlich einen Audi R8 LMS erworben und schicken sich an, die Spitzengruppe aufzumischen. Damals endete das 24-Stunden-Rennen früh in der Breitscheider Mauer.
2009 sollte eigentlich alles wie gehabt weitergehen. Aber wegen der immensen Geschwindigkeitsunterschiede wurde der Klasse SP2 die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen verwehrt. In der VLN warf Jutta Beisiegel nach zwei schweren, nicht ganz billigen Unfällen das Handtuch. Da erwies es sich als Glücksfall, dass man 2008 bei den 24 Stunden von Dubai Ernst Berg kennenlernte, der die Lücke füllte und bis heute zum Team, eigentlich sogar zur Familie gehört. Werner Meiswinkel dazu: „Wir müssen sagen, es war ein Glücksfall, denn Ernst hat uns seit dieser Zeit immer treu zur Seite gestanden und ist eigentlich ein richtiges Mitglied der Familie geworden.“
2010 wurde dann die komplette Saison in dieser Konstellation bestritten und am Ende wurde Jana beste Dame in der VLN. Da die SP2 mit der Zeit immer weniger Teilnehmer hatte folgte 2011 der Umstieg auf den heute aktuellen Renault Clio. Rang fünf in einem Feld aus bis zu 28 „Clioten“ konnte sich sehen lassen. So sollte es weitergehen. Doch die Geschehnisse bei den Prüf- und Einstellfahrten und in Barcelona warfen das Team zurück. Trotzdem schloss ATM die Saison als Klassenvierte ab.
Werner Meiswinkel schätz die Leistung realistisch ein: „Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass gegenüber der Saison 2011 wesentlich weniger Starter bei den jeweiligen Läufen vor Ort waren und durch die Vorgaben von Renault Sport auch nicht das nötige Interesse bei den Teilnehmer vorhanden war. Aus Sicht des Teams war der Erfolg 2011 mit dem fünften Gesamtplatz wesentlich höher einzustufen.“
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