SCI-Technikschule IV: Reifen, Räder, Bremsen

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Wenngleich man es sich als Laie beim Autofahren kaum bewusst ist, am Ende dreht sich immer alles um die Reifen, die einzige Kontaktstelle des Fahrzeugs zur Fahrbahn. Doch auch innerhalb des Pneus ist allerlei High-Tech verbaut, erst recht bei Sportwagen.

Wird in einer beliebigen Runde, welche nicht aus Fahrzeugingenieuren besteht, die Frage nach dem wichtigsten Teil eines Fahrzeugs gestellt, so wird der Reifen wohl in den seltensten Fällen die erste Wahl sein. Dabei diskutieren schon die etwas engagierteren Autofahrer in diversen Internetforen darüber, welcher Reifen in welcher Dimension denn nun der Beste für ihr Fahrzeug ist.

Der Reifen hat entscheidenden Einfluss auf das Fahrverhalten der Fahrzeuge, immerhin muss dieses Stück Gummi mit Stahleinlagen die gesamten Längs- und Querkräfte des Fahrzeugs nicht nur aufnehmen, sondern auch übertragen können. Die tatsächliche Berührfläche eines Reifens mit der Straße respektive der Rennstrecke ist dabei oft nicht größer als die Fläche einer Hand.

Aufbau eines Reifens

Wie schon erwähnt, besteht ein Reifen aus Gummi und Stahl. Letzterer liegt in Form von Drähten vor und gibt dem Reifen zunächst auch im unbefüllten Zustand seine Form. Hierbei ist man in den letzten 20 Jahren dazu übergegangen, die Drähte in erster Linie nur im Bereich der (hochbelasteten) Lauffläche an zu bringen, um das Eigendämpfungs- Federverhalten des Reifens zu verbessern.

Ähnlich der Struktur faserverstärkter Kunststoffe sind die Stahldrähte moderner Reifen in Gummi eingebettet. Hier liegt nun das ganze Know-how der Hersteller. Es gilt die Gummimischung so zu wählen, dass sie sich gut mit den Drähten verbindet, sich aber ebenfalls gut mit der anderen Gummischicht, der Lauffläche, verbindet. Hier kommen teilweise jahrzehntelange Erfahrungen der Hersteller zum Vorschein.

Mit den Mischungen gilt es, die richtige Balance zwischen Haltbarkeit, Anwärmverhalten, aber auch Haftung zu treffen. Dabei kann es durchaus sein, dass ein Reifen für eine Wetterlage auf einem bestimmten Auto auf einer Rennstrecke perfekt ist, ändert sich aber nur eine dieser Komponenten, so ist der Reifen komplett nutzlos.

Die Temperatur

Häufig hört man Fahrer davon sprechen, dass sie Probleme hatten den Reifen auf Temperatur zu bringen beziehungsweise die Strecke zu kalt sei oder auch, dass der Reifen überhitzt wäre. Es geht dabei darum, dass der Reifen seinen höchsten Reibwert nur in einem bestimmten Temperaturfenster erreicht. Bei Straßenreifen ist dieses meist recht breit und niedrig angesetzt, sodass sich der Reifen meist annähernd gleich verhält, es sei denn kurz nach dem Losfahren.

Etwas anders sieht es bei den Reifen im Motorsport aus. Diese arbeiten oft nur in einem recht schmalen Temperaturfenster richtig gut. Es gilt also, dieses Temperaturfenster nach dem Losfahren so schnell wie möglich zu erreichen, ohne den Reifen dabei kaputt zu fahren oder bei weiter verschärfter Gangart den Reifen zu überhitzen.

Wichtig ist auch, dass der Reifen die Temperatur durchgängig erreicht. Wird diese, beispielsweise wegen aggressiver Spureinstellung, nur in der Lauffläche erreicht, wird diese extrem stark abgerieben und die Haltbarkeit leidet. Es gilt also, den Reifen gut und gleichmäßig durchzuwalken, damit die Temperatur gleichmäßig hoch ist. Hierbei hilft ein einfacher Trick.

Luft, welche erwärmt wird, versucht sich auszudehnen. Da sie jedoch im Reifen auf ein bestimmtes Volumen beschränkt ist, erhöht sich stattdessen der Druck. Dies bedeutet, dass der Reifen weniger stark federt, was die weitere Erwärmung begrenzt. Man schickt also ein Fahrzeug beim Rennstart und bei Boxenstopps mit wenig Luft los. Da der Reifen nun vergleichsweise weich federt, wird viel Energie im Reifen ankommen und die Luft sowie den Gummi erwärmen. Dabei dehnt sich die Luft aus, und der Reifen wird mit der Zeit immer härter und gleichmäßig warm, bei gleichzeitig geringem Verschleiß. Es gilt nun, wie jeder Rad und Autofahrer weiß, den richtigen Startluftdruck zu wählen, um am Ende beim perfekten Luftdruck für das Rennen anzukommen.

Versucht man hingegen einen zu kalten Reifen mit aggressiver Spur warmzufahren oder geht man über das Limit des Reifens und schlittert entsprechend, dann wird die Lauffläche trotz noch kaltem Reifen überhitzen und sich ablösen. Der Reifen verschleißt deutlich schneller. Wird der Reifen zu heiß gefahren, so hat man zum einen zu viel Luft, was zum Ausbeulen der Lauffläche führen kann, außerdem sinkt der Reibwert wieder. Beides führt wieder zu mehr Seitwärtsbewegung und am Ende überhöhtem Verschleiß.

Einheitsreifen versus Reifenkrieg

Da den Reifen eines Fahrzeugs eine derart große Bedeutung zukommt, konzentriert sich hier auch häufig einiges an Entwicklung, vorausgesetzt jemand bezahlt dafür. So waren gerüchteweise noch nicht einmal die Reifen, die Michelin an Audi und Peugeot ausgeliefert hat, zu hundert Prozent identisch. Da dies aber zu explodierenden Kosten führen kann, kommen, vor allem in GT-Serien, Einheitsreifen zum Einsatz, was die Entwicklungskosten und damit die Kosten der Teams massiv senkt.

Nachteil dieser Entwicklung ist jedoch, dass die Reifen jetzt nicht mehr so gut zum Auto passen. Während sich aber ein Prototyp, zumindest theoretisch, von einem Blatt Papier weg um einen Reifen herum konstruieren ließe, so kommen bei den GT-Fahrzeugen eben noch die vom Hersteller gewünschten Besonderheiten hinzu, was dazu führt, dass die Fahrzeuge unterschiedlich gut mit den Reifen umgehen können. So frisst zum Beispiel der Porsche 911 seine Hinterreifen auf manchen Strecken förmlich auf, während der Ferrari 458 als Reifenflüsterer gilt. Zwar kann das Problem durch geschicktes Fahrwerkssetup und Ballastverteilung minimiert werden, aber es wird dabei immer noch vorhanden sein.

Die Räder und Felgen

Die Felgen verbinden die Reifen mit dem Rest der Radaufhängung. Dabei sind diese in der Regel mit den Bremsscheiben und, im Falle von angetriebenen Rädern, mit der Antriebswelle verbunden und im Radträger gelagert. Da die Felgen direkt im Luftstrom stehen und bei Sportwagen, anders als bei Formel-Fahrzeugen, der Reifen verdeckt ist, konzentrieren sich hier immer wieder Bemühungen verschiedenster Hersteller, den Luftwiderstand zu senken. Allerdings zeigen sich die Regelmacher hier meist wenig kompromissbereit.

Eine andere Entwicklung wird jedoch kaum behindert. Da sich die Räder drehen, trägt ihre Masse überproportional zum Beschleunigungswiderstand, also der Kraft, die zum Beschleunigen des Fahrzeugs überwunden werden muss, bei. Dies liegt daran, dass wie bei einer linearen Bewegung auch eine Masse, welche in Rotation versetzt werden soll, dem eine Trägheit entgegensetzt, welche sich im Falle der Räder zu der Kraft, die Räder vorwärts zu bewegen, addiert. Darum wird versucht, die Felgen möglichst leicht zu konstruieren. Hierzu werden im Sportwagenbereich überwiegend Magnesium und Aluminiumfelgen eingesetzt, da Carbonfelgen wie in der Formel 1 auch aus Sicherheitsgründen verboten sind.

Die Bremsen

Die Bremsen sind ebenfalls ein sehr wichtiger Teil des Fahrzeugs. Und auch sie weisen einige Besonderheiten auf. Aufgrund von Abtrieb und Rennreifen, ist ein Sportwagen in der Lage mit dem mehrfachen seines Eigengewichts zu verzögern. Dies bedeutet, dass die Bremsen in sehr kurzer Zeit viel Bewegungsenergie in Wärme umwandeln müssen. Dabei dürfen sie weder zu heiß werden, noch, zumindest im Falle von Carbon-Bremsen, zu kalt.

In den meisten Fällen ist heute eine über ein Adapterstück mit der Felge verbundene Bremsscheibe mit einer am Radträger befestigten Bremszange für die Verzögerung der einzelnen Räder verantwortlich. Gibt der Fahrer nun Druck auf das Bremspedal, so wird über eine Hydraulikleitung derselbe Druck auf die Bremszange wirken, woraufhin Kolben die Bremsbeläge gegen die Bremsscheibe drücken. Über die Anpresskraft und den wieder temperaturabhängigen Reibwert stellt sich dann eine Verzögerungskraft ein. Diese muss vollständig von der Bremsscheibe gehalten werden, und auch die Bremszange darf sich bei diesen Belastungen nicht vom Radträger lösen.

Verzögert ein LMP1 mit 3 g (also der dreifachen Erdbeschleunigung) von 330 auf 80 km/h, so wird eine Bremskraft von 26,5 Kilonewton benötigt. Da die Bremsen am Vorderrad stärker belastet sind als am Hinterrad, sind hier Bremskräfte von bis zu 8000 Newton zu erwarten, die von Bremsscheibe und Bremszange aufgenommen werden müssen.

Wie schon zuvor erwähnt wird die freigewordene Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Nimmt man nun Bremsscheiben aus Stahl an, würde sich dieses auf extrem erwärmen. Diese Temperatur würde die Bremsscheiben aber auf Dauer beschädigen, weshalb diese im Sportwagenbereich nur noch in den Klassen GTE und darunter sowie bei den Daytona-Prototypen verwendet werden.

In der LMP sind heutzutage Carbon-Bremsscheiben üblich. Zwar weisen diese gegenüber Stahlbremsscheiben eine reduzierte Haltbarkeit auf, können (müssen) jedoch in einem höheren Temperaturfenster betrieben werden, weshalb sie dann wiederum leichter ausgelegt werden können. Wie bei den Felgen gilt nämlich auch hier der Punkt, dass es sich um rotierende Massen handelt, welche zusätzlich noch in rotierende Bewegung beschleunigt werden müssen.

Temperaturmanagement

Diesem kommt im Zusammenhang mit den Bremsen höchste Bedeutung zu. Während bei Stahlbremsen darauf geachtet werden muss, dass immer ausrechend gekühlt wird, gilt es bei Carbon-Bremsen im richtigen Temperaturfenster zu bleiben, sprich weder zu kalt, da ansonsten der Reibwert sinkt, noch zu warm, da sonst die Scheibe überhitzt und zerstört wird. Besonders kritisch kann dies im Zusammenhang mit Safety-Car-Phasen werden.

Bei richtiger Auslegung halten die Scheiben dann ein komplettes Rennen durch, wobei zum Beispiel in Daytona ein Bremsscheibenwechsel während des Rennens durchaus noch üblich ist. In Le Mans hat man diese jedoch schon einige Jahre nicht mehr gesehen. Seit Audi es schafft auch mit entsprechend dimensionierten Carbon-Bremsen die ganze Zeit durchzufahren. Der Schlüssel hierzu ist allerdings mit Sicherheit, dass weniger gebremst werden muss, was das Temperaturmanagement ein wenig erleichtert. Ein weiterer Faktor ist der, dass die Daytona Prototypen weitestgehend gleich sind und entsprechend alle zum Scheibenwechsel müssen, während in Le Mans dadurch ein echter Wettbewerbsnachteil entstände.

Wer meint, dass die Bremse ein eher unwichtiges Bauteil ist, der irrt gewaltig. Immer wieder sieht man im Motorsport Überholmanöver „auf der Bremse“, Situationen also, in denen der Überholende später und stärker zu Bremsen versucht als der Überholte. Auch für Qualifikationsrunden oder Aufholjagden lassen sich hier oft die entscheidenden Zehntelsekunden finden. Die Überwachung der Bremsentemperatur ist darum auch einer der wichtigsten Aufgaben des Renningenieurs am Kommandostand. Und auch wenn der Grundaufbau einer Bremse vergleichsweise einfach ist, so geben sich Ingenieure und Werkstoffkundler immer wieder Mühe, noch bessere Materialkombinationen für Haltbarkeit und Reibwert zu finden oder die hydraulischen Verluste im Bremssystem so gering wie möglich zu halten.