BES-Saison 2012: Masse und Klasse

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Wie muss eine Grand-Tourisme-Serie sein? Wie die Blancpain Endurance Series – sagen viele: Traumsportwagen, Traditionsrennstrecken, Profis und Amateure, drei Rennstunden und jede Menge Action auf der Strecke. Auch in ihrer zweiten Saison konnte die Serie überzeugen.

Es gibt sie erst seit zwei Jahren. Diese GT-Serie mit dem leicht sperrigen Titel Blancpain Endurance Series (BES). Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Die Person, die genau dies tat, war Promoter Stéphane Ratel. 2011 etablierte er die BES neben der nun eingestampften GT1-Weltmeisterschaft als zweites Standbein. Der schweizerische Uhrenhersteller Blancpain mit Rennenthusiast Marc Hayek an der Spitze wurde Hauptsponsor und die Rahmenbedingungen waren gegeben.

Das Rezept war und ist so altmodisch wie erfolgreich: Fokussierung auf spektakuläre Sportwagen, knackige Rennwochenenden auf Traditionsrennstrecken, drei Stunden Renndauer mit Nachtanken und Boxenstopps sowie eigene Wertungen für Profis und Amateure. Oben drauf gibt es noch das 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps als Saisonhöhepunkt.

Viel Licht …

Enormes Starterfeld

Die Vorraussetzungen der BES stimmen. Schließlich waren vor Saisonbeginn beeindruckende 50 Fahrzeuge gemeldet. Noch beeindruckender war jedoch, dass sich diese Zahl im Durchschnitt sogar halten ließ: Spa-Francorchamps glich mit 66 Wagen einer Innenstadt zur Rushhour und auch die Zahl von 39 Startern beim Saisonfinale in Navarra war als Tiefstand noch immer imposant. Die von der FIA unabhängige Einstufung der Fahrzeuge über die Balance of Performance sorgte für erheblich weniger böses Blut als etwa beim ADAC GT Masters.

Markenvielfalt mit Topteams

Audi R8 LMS, BMW Z4, Ferrari 458 Italia, McLaren MP4-12C, Lamborghini Gallardo, Mercedes-Benz SLS, Porsche 911 GT R, Nissan GT-R, … das Sportwagenschaulaufen der BES bot Abwechselung und Markenreichtum. Außer der Corvette Z06R waren alle aktuellen GT3-Modelle vertreten. Dass diese auch am Limit bewegt wurden garantierten Top-Teams der belgische Fraktion mit Marc VDS (BMW), ProSpeed (Porsche) und WRT (Audi) und die deutschen Mannschaften von Black Falcon (Mercedes), Phoenix Racing (Audi) und Vita4One (BMW).

Titelentscheidung auf den letzten Metern

Die enorme Qualität bei Fahrern, Fahrzeugen und Teams sorgte für einen engen Kampf um die Meisterschaft. In der ersten Saisonhälfte sah es so aus, als ob niemand das Marc-VDS-Trio Bas Leinders, Markus Palttala und Maxime Martin mit ihrem BMW Z4 stoppen könnte: Zwei Siege in Folge, ein zweiter Platz und Schadensbegrenzung in Spa-Francorchamps mit dem vierten Gesamtrang nach 24 Stunden. Doch ein Unfall Palttalas auf dem Nürburgring sorgte für einen Nuller, sodass die WRT-Audi-Profis Stépahen Ortelli, Christopher Mies und Christopher Haase beim Saisonfinale noch den Titel einfahren konnten. Sowohl in Fahrer als auch in der Teamwertung verlor Marc VDS Racing beide Titel fast sprichwörtlich auf der Zielgeraden.

… wirft auch Schatten

Titelentscheidung am grünen Tisch?

Da das Saisonfinale in Navarra wegen eines schweren Gewitters vorzeitig beendet wurde, konnten Leinders, Palttala und Martin nicht mehr auf der Strecke um den Titel kämpfen. Daraufhin legte das Team Protest ein, der abgewiesen wurde. Seitdem geht das belgische Team durch die juristischen Instanzen, um sich den Titel zu erstreiten. Selbst bei einem Erfolg dieser Anstrengungen bliebe ein fader Beigeschmack …

Die schwachbrüstige Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

Die Gentleman-Trophy litt unter niedrigen Starterzahlen. Spa-Francorchamps ausgenommen waren es im Schnitt keine vier Fahrzeuge. Dabei hätten hier gerade ältere GT3-Modelle noch ihr Renngnadenbrot in den Händen betuchter Amateure bekommen können. Da die Profiklasse gut und die Profi-Amateur-Klasse bis zum Bersten gefüllt war, fiel dies allerdings nicht sonderlich stark ins Gewicht.

McUnzuverlässig: der McLaren MP4-12C

Der Finalsieg von Hexis-Racing war Balsam auf der britischen Sportwagen-Seele. Beim Saisonauftakt in Monza waren unter den letzten zehn Fahrzeugen sieben McLaren gewesen. Die technische Anfälligkeit war umso auffälliger, da GT3-Fahrzeuge sich gerade durch ihre Haltbarkeit auszeichnen. Das ART-GP-Duo Duncan Tappy und Grégoire Démoustier schlug sich in der Pro-Am-Wertung wacker, aber erst das GT1-WM-Trio Fréd Makowiecki, Stef Dusseldorp und Álvaro Parente schaffte den lang ersehnten McLaren-Sieg.

Die Spielverderber aus Ingolstadt

Das 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps ist der unbestrittene Saisonhöhepunkt. Da verwundert es nicht, dass das Beste vom Besten aufgefahren wird. Die involvierten Werke entsendeten also Unterstützung an ihre Einsatzteams. Im Falle von Audi konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, dass es sich um einen reinen Werkseinsatz handelt. Die Bezeichnung „Audi Sport“ vor dem Teamnamen Phoenix Racing ließ wenig Interpretationsspielraum. Zwar mussten Andrea Piccini, René Rast und Frank Stippler um ihren Sieg kämpfen, aber der Audi-Doppelsieg kam wenig überraschend. Im Lager von Porsche (Prospeed) und BMW (Marc VDS und Vita4One) erhielt man wenig Unterstützung. So rückte nicht nur der prestigeträchtige Siege außer Reichweite, sondern man büßte auch wichtige Punkte in der Meisterschaft ein.

Was sonst noch aufgefallen ist

All eyes on me

Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi absolvierte zwei Gaststarts und wurde zweimal in der Pro-Am-Klasse Neunter. Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit dazu in keinem Verhältnis stand, so wurde doch Interesse für die BES geweckt.

Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten

In der BES gab es auch zwei Fahrzeuge zu bestaunen, die zu der Rubrik „Kuriose Unikate“ gehören. Emil Frey teste seinen privat entwickelten Jaguar XK bei einigen Rennen und plant auch in der kommenden Saison Einsätze. An anderen Ende der Entwicklung befindet sich die Dodge Viper von GCR Racing. Unabhängig von der Leistung auf der Strecke ist der Sound des in die Jahre gekommenen US-V10 noch immer eine Ohrenweide.

Close but no cigar

Bei der diesjährigen Professional Motorsport Expo in Köln musste sich die BES der DTM in der Kategorie „Beste Europäische Rennserie“ geschlagen geben. Nimmt man die Professionalität der Teilnehmenden Teams (beziehungsweise Werke) als Gradmesser, kann man die Entscheidung nachvollziehen. In Sachen Spannung, Markenvielfalt und Rennaktion stand die BES der DTM jedenfalls in nichts nach …