SCI-Technikschule II: Fahrzeugkonzepte im Vergleich

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In der Sportwagenszene herrscht eine Vielfalt an Fahrzeugkonzepten. Darum unterscheiden sich nicht nur die Motoren voneinander. Nein, selbst die Fahrzeuge innerhalb einer Kategorie unterscheiden sich grundlegend. Im zweiten Teil der SCI-Technikschule werden Vor- und Nachteile diametraler Konzepte beleuchtet.

Im ersten Teil der SportsCar-Info-Technikserie wurden die Unterschiede zwischen Prototypen und GT sowie die einzelnen Klassen genauer beleuchtet. Aber insbesondere bei den GT-Vehikeln tummeln sich die verschiedensten Fahrzeuge. Besagte Unterschiede betreffen vor allem die Motoranordnung, aber auch grundlegendes wie die Fahrzeughöhe. Doch Prototypen weisen klassenintern ebenfalls eklatante Unterschiede auf. So fahren in Le Mans teilweise immer noch Roadster und Coupés gegeneinander.

Die Motorposition: vorne, hinten oder in der Mitte?

Die Frage nach der Motorenposition stellt sich vor allem bei GT-Fahrzeugen. Bei den Prototypen hat sich während der letzten zehn Jahre die mittige Motoranordnung, das so genannte Mittelmotor-Konzept weitgehend durchgesetzt. Fragt man einen Rennsportingenieur, welches Konzept er für seinen eigenen Sportwagen einsetzten würde, kann man davon ausgehen, dass er einen Mittelmotor bevorzugt. Da aber die GT-Automobile von Serienfahrzeugen abgeleitet werden, welche wiederum gewisse Vorgaben aus dem Markenimage bekommen, lässt sich das nicht immer realisieren. Ein Aston Martin mit Mittelmotor erscheint doch eher unwahrscheinlich, da die Marke seit vielen Jahren nur V8- und V12-Frontmotoren verbaut hat. Auch ein Porsche 911 mit vorne montiertem Motor wird vermutlich nie gebaut werden.

Mittelmotor, die Universallösung

Der große Vorteil des Mittelmotorkonzepts besteht allerdings darin, dass der meist großvolumige Motor mit all seinen Anbauteilen heute, allen Gewichtsreduzierungsanstrengungen zum Trotz, nach wie vor das größte Einzelgewicht des Fahrzeugs darstellt. Damit beeinflusst der Antrieb die Lage des Schwerpunkts des Fahrzeugs und damit das Handling ganz erheblich. Positioniert man den Motor hingegen in die Mitte, in die Nähe des Schwerpunktes, hat der Konstrukteur also eine Sorge weniger. Zudem ist ein weiterer Aspekt ist zu beachten, das so genannte Massenträgheitsmoment. Stark vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies: Je weiter die Massen vom Schwerpunkt eines Fahrzeugs entfernt ist, desto schwieriger lässt sich das Fahrzeug lenken. Mit der Anordnung in der Mitte wird auch dieses Problem beseitigt.

Das Konzept hat aber ebenso Nachteile. Denn es gibt Situationen, in denen man beispielsweise viel Gewicht, also nach unten wirkende Kraft (nicht zu verwechseln mit der Masse) an einer bestimmten Stelle haben will – zum Beispiel beim Beschleunigen auf den Hinterrädern.

Porsches Alleingang: der Heckmotor

Diese Positionierung entspricht wiederum dem von Porsche seit Jahr und Tag angewandten Heckmotorkonzept. Die Traktion auf der Hinterachse hilft dem Fahrzeug beim Beschleunigen auf gerader Strecke. Liegt nun der schwere Motor auf oder hinter der Hinterachse, verbessert sich die Traktion entsprechend. Allerdings kauft man sich damit auch viele Nachteile ein. Der nun weit hinten liegende Motor sorgt dafür, dass wenig Gewicht auf der Vorderachse ist, was das Einlenken nicht unbedingt erleichtert. Und wenn man das Auto einmal verloren hat, es sich also im Drift befindet, lässt sich ein Heckmotorfahrzeug auch wesentlich schwieriger wieder unter Kontrolle bringen, da das Heck vergleichsweise träge reagiert und der Motor dieses weiter in den Drift führen will.

Klassiker: der Frontmotor

Der Frontmotor hingegen entfaltet seine Stärken ausgerechnet beim Bremsen, wo bei richtiger Fahrwerkseinstellung und Reifenwahl der schwere Motorblock auf der Vorderachse zu mehr übertragbarer Kraft führt. Anders als beim Beschleunigen, ist beim Bremsen in der Regel die Vorderachse weitaus stärker belastet. Wie mehr Gewicht auf der Hinterachse zu einem Mehr an Traktion beim Beschleunigen hilft, führt mehr Traktion auf der Vorderachse logischerweise beim Bremsen. Nachteil des Konzepts ist aber ein etwas unwilligeres Einlenken des Fahrzeugs, da der Motor das Fahrzeug eigentlich geradeaus schieben will.

Zusammengefasst stellt der Mittelmotor sicher das Konzept mit den meisten Vorteilen dar, weshalb dies auch im Bereich der Prototypen mittlerweile die einzige Bauart ist. Da aber bei GT-Rennern auch Gründe wie die Markenidentität eine Rolle spielen, sind den Herstellern oft die Hände gebunden. Eine Mittelmotor-Corvette würde sicherlich im Motorsport Vorteile bringen, ob sie sich aber bei den Kunden durchsetzen würde, darf bezweifelt werden. Denn Corvette hat, anders als zum Beispiel Ferrari oder Lamborghini, traditionell seit jeher Frontmotorfahrzeuge konstuiert.

Im Verlauf unserer Technikschule werden wir uns in Teil drei noch mit dem Fahrwerk und dem Chassis beschäftige. Dabei werden wir aufzeigen, wie man die Nachteile der Konzepte wenigstens zum Teil kompensieren kann.

Offen oder geschlossen

Während GT reglementbedingt geschlossene Fahrzeuge sind, finden sich im Prototypenbereich immer noch beide Konzepte – die offenen und die geschlossenen Fahrzeuge. Beide haben ihre Vor-und Nachteile.

Der Roadster: Vorteil im Regen

Der erste Vorteil des offenen Konzepts erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Gegenüber Coupés haben die Roadster nämlich oft Vorteile im Regen. Zwar wird der Fahrer im Regen nass, was jedoch durch eine geschickte Bauweise und ausreichender Geschwindigkeit teilweise verhindert werden kann. Was allerdings im offenen Fahrzeug ein Vorteil birgt, ist die freie Sicht, da vor den Augen des Fahrers eine Scheibe weniger ist (auch in geschlossenen Fahrzeugen müssen die Fahrer einen Helm mit geschlossenem Visier tragen).

Neben der Scheibe weniger gewinnt der Fahrer beim offenen Konzept auch Eingriffsmöglichkeiten, da er zur Not mit der Hand Wasser vom Helmvisier schieben kann, während er beim Coupé nur den Scheibenwischer zur Verfügung hat, der allerdings bedingt durch die Form der Scheibe nur mäßig effektiv ist. Auch ist sein Einsatz bei 300 km/h mit einigem Verlustrisiko behaftet.

Der Hauptvorteil des offenen Fahrzeugs hat aber in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Da keine Türen und kein enger Einstieg erforderlich sind, kann bei einem offenen Fahrzeug der Fahrerwechsel wesentlich schneller vonstattengehen. Auf diese Art hat Audi sogar mit langsameren Fahrzeugen Rennen gewonnen, da die Fahrerwechsel im Vergleich zu Peugeot schneller durchgeführt werden konnten und die Boxenstandzeit verkürzt wurde.

Die seit 2009 eingeführten Regeländerungen, welche die Anzahl der am Fahrzeug arbeitenden Mechaniker verringerten, haben diesen Vorteil aber zunichte gemacht. Nun bestimmt nicht mehr der Fahrerwechsel die Länge des Boxenstopps, sondern der Reifenwechsel, der nun wesentlich länger dauert und nicht mehr parallel zum Tanken stattfinden darf.

Coupés: aerodynamisch im Vorteil

Ein kleiner Reglementsvorteil, den offene Prototypen genießen, haben Audi und Toyota allerdings clever umgangen. Denn Roadster haben logischerweise keinerlei Vorschriften hinsichtlich der Cockpittemperatur, während für geschlossene Fahrzeuge in Le Mans zumindest, Höchsttemperaturen gelten, welche nicht überschritten werden dürfen. Die meisten GT-Teams und auch Peugeot sowie die Teams die Lola-Coupés setzten nämlich auf eine Klimaanlage. Audi und Toyota hingegen haben das Problem durch eine geschickte Durchlüftung des Innenraums gelöst. Wobei Toyota, anders als Audi, dies sogar rein aerodynamisch, ohne Lüfter schafft.

Der Vorteil der geschlossenen Fahrzeuge liegt in den Bereichen Aerodynamik und Sicherheit. Die offenen Fahrzeuge verursachen durch ihre beiden vom aktuellen Reglement verlangten Überrollstrukturen wesentlich mehr Wirbel als ihre geschlossenen Pendants, die eine aerodynamisch vergleichsweise günstige Kuppel als Cockpit nutzen. Dies macht sich durch eine höhere Höchstgeschwindigkeit des Coupés oder aber ein Mehr an benötigter Motorleistung für die offenen Fahrzeuge bemerkbar.

Der Sicherheitsaspekt macht sich vor allem bei umherfliegenden Teile und bei Überschlägen bemerkbar. Zwar sind die Vorschriften auch für offene Fahrzeuge, was die Festigkeit der Chassis- und Cockpit-Strukturen angeht, enorm streng. Trotzdem muss man sich nur die massiven A-Säulen von Audi und Toyota ansehen, damit man sich vorstellen kann, dass diese im Falle eines Überschlags bei dem das Fahrzeug auf dem Dach landet ein deutliches Plus an Sicherheit bieten. Anthony Davidson dürfte froh sein, dass er in Le Mans ein Dach über dem Kopf hatte, auch wenn Beispiele wie der Crash von Mark Weber 2010 im Formel-1-Grand-Prix von Valencia zeigen, dass derartige Unfälle auch von offenen Fahrzeugen vergleichsweise gut weggesteckt werden.