SCI-Technikschule I: Fahrzeuge und Fahrzeugkonzepte

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Die Welt des Motorsports steckt voller interessanter Technologien. SportsCar-Info nutzt die rennfreie Winterzeit, um jeden zweiten Mittwoch in einer kleinen Technikschule verschiedene Aspkete im Sportwagensektor unter die Lupe zu nehmen. Heute: die verschiedenen Fahrzeugkonzepte vom LMP bis zum GT.

In der Sportwagenwelt sind unterschiedliche Fahrzeugarten unterwegs, die alle aufgrund verschiedener Regelwerke und Anforderungen entstanden sind. Leicht verliert man den Überblick, welches Fahrzeug denn wo startberechtigt ist. Im ersten Teil unserer Technikschule versuchen wir, das Chaos zu lichten.

Sie heißen Le-Mans- oder Daytona-Prototyp, GT1, GT2, GT3, GT4, GTE, GT500 oder GT300. Die Fahrzeuge im Sportwagenbereich sind weit verzweigt. Um die Sache dabei noch verwirrender zu gestalten, ist manches Fahrzeug, das die Bezeichnung „GT“ trägt, de facto ein Prototyp. Und was unterscheidet denn nun eigentlich einen Prototypen von einem GT? Auf all diese Fragen wird im Folgenden eingegangen

Eine Frage der Definition: GT oder Prototyp?

Die Kurzvariante ist: Wenn ein Vehikel auf einem Seriensportwagen basiert, ist es ein GT. Der Begriff leitet sich von dem italienischen Wort „Gran Turismo“ ab; beziehungsweise dem französichen Pendant „Grande Touring“. Was nichts anderes bedeutet als „große Reise“. Wurde das Fahrzeug wiederum von Grund auf nur für den Rennbetrieb entwickelt, handelt es sich um einen Prototypen.

Allerdings lohnt es sich hierbei, zweimal hinzuschauen. So verlief beispielsweise beim Maserati MC 12 die Entwicklung umgekehrt. Es wurde ein Auto auf die Räder gestellt, dass die FIA-GT-Serie dominieren sollte und erst im Anschluss wurde die Straßenvariante in einer sehr kleinen Serie entwickelt und verkauft. Einen Weg, den zuvor schon Porsche und Mercedes-Benz bestritten hatten und die Serie damit in den neunziger Jahren beinahe zugrunde gerichtet hatten.

Ferner passte der Maserati, obwohl nach dem damals gültigen FIA-GT1-Reglement aufgebaut, nicht in das ACO-GT1-Reglement, da der Renner in seinen Abmessungen zu groß war. Somit hätte der Dreizack in Le Mans höchstens als Prototyp starten können, womit Maserati chancenlos gewesen wäre. Ergo hängt die Einstufung, ob Prototyp oder GT, in einigen Fällen vom Reglement ab.

Diese Notlösung nutzen auch Hersteller, die neue GT-Autos auf den Markt bringen wollen, oftmals aus. Darum ließ zum Beispiel Mercedes-Benz den SLS auf der Nordschleife zunächst in der EXP1-Prototypenklasse starten, da noch keine Homologation nach GT3-Reglement vorlag.

Man darf sich aber auch nicht von der Namensgebung diverser Meisterschaften und Fahrzeugen täuschen lassen. Beispielsweise sind die Fahrzeuge der japanischen Super-GT-Serie zu einem guten Teil Prototypen. Das gesamte GT500-Feld setzt sich aus Fahrzeugen zusammen, die zwar im Großen und Ganzen an Serienfahrzeuge erinnernde Silhouetten und Typbezeichnungen haben, aber mit diesen Serienvertretern nichts gemein haben. Und auch im GT300-Feld finden sich neben nach FIA-GT3-Reglement aufgebauten „echten“ GT noch etliche Prototypen. Ein Prototyp muss also nicht zwingend schneller als ein GT sein.

Die Prototypen: Le Mans oder Daytona?

Innerhalb der Fahrzeugklassen gibt es ebenfalls enorme Unterschiede. Schließlich ist, wie bereits festgestellt, Prototyp nicht gleich Prototyp. Würde man ein GT500-Fahrzeug in Le Mans gegen einen Audi R18 antreten lassen, hätte der Japaner erwartungsgemäß keine Chance.

Die LMP1 gilt inoffiziell als Topklasse. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die nach Reglement von ACO und FIA für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und die Sportwagen-WM aufgebaut wurden (Le-Mans-Prototyp 1). Die Fahrzeuge verfügen heutzutage alle über einen Mittelmotor mit rund 600 PS. Es existierten aber in der Vergangenheit auch schon Fahrzeuge mit Frontmotor, die sich erstaunlich gut schlugen. Als Antrieb sind nach aktuellem Reglement zulässig:

  • Dieselmotoren mit bis zu 2,8 bar Ladedruck und 3,7 Litern Hubraum
  • Benzinmotoren ohne Turbo bis 3,4 Liter Hubraum
  • Turbobenziner mit 3 bar Ladedruck und bis zu 2 Litern Hubraum

All diese Antriebskonzepte können mit einem Hybridsystem gekoppelt werden.

Die Fahrzeuge an sich dürfen bis zu fünf Meter lang sowie zwei Metern breit sein und haben in der Regel keinen Bezug zur Serie. Siegfähig sind zurzeit jedoch nur die Fahrzeuge der Automobilhersteller Audi, Toyota und bis letztes Jahr auch Peugeot. Für Privatiers wird die Klasse zunehmend unattraktiver, da sie gegen die Werke kaum einen Stich mehr machen können und ein Sieg nur in der American Le Mans Serie möglich ist, da deren europäisches Pendant keine LMP1 mehr zulässt und in der Sportwagen-WM die Werke aktiv sind.

Die kleinere Klasse der Le-Mans-Prototypen stellt die LMP2 dar. Hier gelten im Großen und Ganzen dieselben Außenabmaße, die Motoren dürfen jedoch nur bis zu fünf Litern Hubraum aufweisen und müssen von Serienmotoren abgeleitet sein. Die Kosten für Chassis und Motor sind gedeckelt. Selbst diese Klasse wurde für Hersteller interessant, die vor allem ihre Motoren absetzen können, während mit Ausnahme von HPD die Überstülpungen von spezialisierten Chassis-Herstellern wie Oreca oder bis zu diesem Jahr noch Lola bereitgestellt werden.

Oreca liefert auch das Einheitschassis für die LMPC respektive Formula Le Mans. Dieses Fahrzeug ist neben einem auf dem Oreca 01 basierenden Chassis mit einem Corvette-V8-Motor ausgestattet. Der vergleichsweise simple und robuste Motor hilft dabei, die Kosten im Griff zu halten. Während das von einem LMP1 entlehnte Chassis dem Nachwuchs, für den diese Klasse gedacht ist, dabei hilft, Erfahrung auf den großen Prototypen zu sammeln, um später in die LMP1 oder LMP2 aufzusteigen. Aber auch manche Teams nehmen diese Klasse als Trainingsjahr vor einem LMP2-Einstieg.

Gemein ist allen Klassen ein Mindestgewicht von 900 Kilogramm und die Konstruktion des Chassis als Carbon-Monocoque. In den beiden größeren beiden Klassen dürfen sowohl offene Fahrzeuge als auch solche mit Dach eingesetzt werden. Der Oreca-FLM ist als Roadster gebaut. Durch das relativ freie Reglement kommen aber gerade in der LMP1 hohe Kosten hinzu. Deshalb wird gemunkelt, dass mit den Budgets von Audi, Peugeot oder Toyota problemlos auch ein gutes Formel-1-Team ausgestattet werden könnte.

Ähnlich wie die LMP vom ACO, den Organisatoren des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, reglementiert werden, so hat die Grand-Am für ihre Langstreckenserie in den USA eigene Regularien für Prototypen. Namensgebend ist auch hier wieder der Saisonhöhepunkt: die 24 Stunden von Daytona.

DP als Gegenpol zur LMP

Stellen die LMP die vermutlich am höchsten entwickelten Sportwagen dar, sind die DP beinahe das Gegenteil. Die Chassis basieren auf einem Stahl-Gitterrohrrahmen. Eine Konstruktion die in Europa schon seit 30 Jahren kaum noch benutzt wird. Auch werden hier noch Stahlbremsen gefahren. Eine Alternative, die man andernfalls nur noch bei GT- oder Tourenwagen kennt. Die Motoren müssen auf Serienblöcken aufgebaut sein. Entwicklungen, sowohl beim Chassis als auch beim Motor, sind eigentlich nicht vorgesehen beziehungsweise werden nur beim neuen Fahrzeug alle fünf Jahre eingeführt.

Die Fahrzeuge haben alle ein Dach, eine vergleichsweise kurze Nase und steile Frontscheiben, die erst seit der 2012er Generation minimal schmäler sein darf wie das Gesamtfahrzeug. Dies soll die Geschwindigkeiten und den Abtrieb der Fahrzeuge begrenzen, da die zuvor in Daytona eingesetzten, von LMP abgeleiteten Fahrzeugen auf den überhöhten Kurven des Ovals zu schnell wurden.

Der Vorteil in der Grand-Am sind die Kosten, da die Rennställe ihr Chassis relativ lange einsetzen können und die vergleichsweise alte Technik auch vergleichsweise kostengünstig ist. Allerdings mangelt es den Prototypen doch an Tempo. Daher wurde die frühere GT-Klasse auf kleinere Fahrzeuge umgestellt. Da die GT2-Fahrzeuge den Prototypen überlegen waren. Dafür sind die Fahrzeuge gut ausbalanciert und selbst bei den 24 Stunden von Daytona wird in der Regel bis zum Schluss um den Sieg gekämpft.

Unter den großen Prototypenklassen gibt es, bevorzugt für nationale Serien und den Bergsport, noch die Prototypen der Gruppen CN und C3. Bekannteste Vertreter sind hierbei wohl die Fahrzeuge aus dem Hause Radical. Aber auch Norma aus Frankreich sowie Wolf aus Italien nutzen diese Bühne. Die Fahrzeuge haben mittlerweile ebenfalls meist ein Monocoque und sind mit aufgewerteten Serienmotoren ausgerüstet. Aufgrund der recht robusten Bauweise sind sie für verhältnismäßig kleines Geld zu haben und einzusetzen. Die Fahrzeuge werden in den Serien meist von ambitionierten Privatfahrern mit großem Portemonnaie gefahren, teilweise mit dem Hintergedanken, später in die großen Prototypen aufzusteigen.

DTM und Super GT: Die kaschierten Prototpen

Im technischen Sinne ebenfalls Prototypen sind die Fahrzeuge der DTM. Obwohl den Boliden eine Tourenwagensilhouette übergestülpt wurde. Die Fahrzeuge verfügen über eine Verbundkonstruktion aus einem Carbon-Monocoque mit einem Stahl-Überrollkäfig. Als Motor kommt einheitlich ein 4,0-Liter V8 zum Einsatz, der jedoch von jedem Hersteller selbst entwickelt wird. Die Sicherheitszelle sowie weitere Komponenten des Fahrzeugs sind Einheitsteile, um Entwicklungskosten und Herstellkosten zu sparen.

Ähnlich verhält es sich in der japanischen Super GT. In der GT500 sind durchgehend Fahrzeuge am Start, die zwar (außer bei Honda) den Namen eines Serienfahrzeugs tragen, deren Karosserie aber nur noch bedingt an die Geschwister im Straßenverkehr erinnert. Wie bei der DTM kommt auch hier ein V8-Motor, diesmal mit 3,4 Litern Hubraum zum Einsatz, der, anders als früher, mittlerweile vorne verbaut sein muss. Auch in der kleineren GT300-Klasse sind einige Fahrzeuge eigentlich Prototypen. Dabei weisen diese eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit auf. So war das in dieser Saison als Mittelmotor-Prius startende Fahrzeug in der Vergangenheit schon als MR-2 unterwegs.

GT1-4: Die Seriennähe macht den Unterschied

Auch bei den GT gibt es eine Klasseneinteilung, welche seitens FIA und SRO der Einfachheit halber einfach mit den Zahlen eins bis vier durchnummeriert wurde. Je höher die Klasse, desto weiter entfernt sich das Fahrzeug von der Serie, wobei aktuell keine Serie für GT1-Fahrzeuge existiert.

Die Klasse GT1 bezeichnet deutlich für den Renneinsatz modifizierte Fahrzeuge, die von einem Seriensportwagen abstammen müssen. In der Regel haben diese Autos aber mit dem Namensgeber nur noch die Grundzelle des Rahmens und den Motorblock gemein. Die Leistung wird immens gesteigert. Der Rahmen wird durch einen Zusätzlich eingebauten Überrollkäfig erheblich verstärkt, die Fahrwerksanbindungen geändert und das Fahrwerk deutlich verstärkt. Oftmals kamen auch Carbonbremsen und ein umfangreiches Telemetriesystem zum Einsatz.

In der GT2-Klasse war das Telemetriesystem dagegen eingeschränkt und Carbonbremsen verboten. Außerdem gibt es gegenüber der GT1 Beschränkungen beim Motortuning und den erlaubten Modifikationen am Fahrwerk. Eng verwandt sind die GTE-Fahrzeuge für die vom ACO reglementierten Serien. Die Regularien unterscheiden sich nur in einigen Punkten, was zum Beispiel die Aerodynamik am Unterboden angeht. Neben den ACO-Serien werden die GT2 mittlerweile fast nur in der GT Open und punktuell in Breitensportserien eingesetzt, da die Fahrzeugauswahl doch relativ beschränkt und der Unterhalt verglichen mit der GT3 recht teuer ist.

Die GT3-Klasse wiederum bezeichnet gemäß Reglement zum Renneinsatz modifizierte Serienfahrzeuge. In der Praxis werden diese Fahrzeuge heute auch vielfach von den Herstellern selbst auf der Basis spezieller Homologationsserien aufgebaut. Anders als in der GT2 und GTE existieren keine speziellen Regeln, was verändert werden darf und was nicht. Stattdessen wird eine sehr genaue Balance of Performance durchgeführt, die das Leistungsniveau, unabhängig vom Entwicklungsstand, austarieren soll. In der Regel sind diese Fahrzeug jedoch sehr viel näher an der Serie orientiert als die GT2.

Haupteinsatzgebiet für GT3-Fahrzeuge sind neben diversen nationalen Serien wie dem ADAC GT Masters auch Breitensportserien wie die VLN. In diesem Jahr wurde, aus Mangel an verfügbaren Alternativen, sogar die GT-WM mit GT3-Fahrzeugen ausgetragen. Gegenwärtig sind die GT3, wohl auch aufgrund des verstärkten Engagements der Hersteller, die vermutlich am weitesten verbreitete Fahrzeugklasse im Motorsport.

Dabei kommen die unterschiedlichsten Fahrzeuge heraus. Von Fahrzeugen wie dem BMW Z4 bis hin zu Exoten wie Ascari oder McLaren gibt es eine Menge nach diesem Reglement aufgebauter Fahrzeuge. Aber auch als Tuner hat man Chancen ein gutes Fahrzeug auf die Räder zu stellen, wie Reiter mit den Lamborghini und dem Camaro, aber auch Callaway mit der Corvette immer wieder bewiesen haben.

Ganz auf die Aerodynamik verzichten müssen dann die Fahrzeuge der GT4. Lediglich kleine, fest montierte und am Serienfahrzeug ebenfalls vorhandene Heckflügel sind in der kleinsten Division zulässig. Dieser Aspekt schlägt sich in den Rundenzeiten augenfällig nieder, die spürbar langsamer sind als jene der GT3-Fahrzeuge. Diese Fahrzeuge kommen eigentlich fast ausschließlich im Breitensportbereich zum Einsatz. Sie sind dabei derart seriennah, dass in Einzelfällen und je nach Land durchaus eine Straßenzulassung und eine Anreise auf eigener Achse möglich wäre.