Triumphzug in São Paulo: Toyotas erster Coup

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Toyota leistete in São Paulo ein Husarenstück und verblüffte die Sportwagen-Szene. Mit einem Null-Fehler-Ritt besiegten die Novizen aus Fernost die sieggewohnte Audi-Mannschaft. Beim dritten Aufeinandertreffen der Hybrid-Avantgarde spielte mitunter der Faktor Reifen eine Schlüsselrolle.

Toyotas erster Streich ist geglückt: Der japanische Konstrukteur bezwang den designierten Langstrecken-Weltmeister Audi im Sechs-Stunden-Rennen von São Paulo. Denn mit dem flinken Samba-Rhythmus, in dem der pazifische Rennhybrid um den lateinamerikanischen Traditionskurs hastete, konnten die Ingolstädter Prototypen nicht Schritt halten. Und das Kalkül, dem asiatischen Gegner abermals im treibstoffsparenden Schongang eine Finte zu schlagen, trug keine Früchte. 

Vor den Toren der brasilianischen Metropole zeichnete sich nämlich erneut der Vergleich zwischen der Effizienz der Audianer und dem eminenten Tempo der Toyota-Neuankömmlinge ab. Doch im Autódromo José Carlos Pace entschied der fernöstliche Hersteller diesen Wettstreit zu seinen Gunsten, indem der TS030-Renner seinen immensen Spritverbrauch diesmal mit schnellen Rundenzeiten kompensieren konnte. 

Denn das zwittrige Hybridfahrzeug aus der Kölner Rennsportabteilung von Toyota wurde im Vergleich zu Silverstone nochmals verbessert. Bereits am Trainingsdonnerstag demonstrierten Nicolas Lapierre und Alexander Wurz das Potenzial ihres Dienstautos und erzielten die Sitzungsbestzeit. In der Qualifikation reservierte der Österreicher schließlich die Poleposition für die Herausforderer aus Asien.

Dennoch gestand Wurz nach dem Husarenritt in Interlagos: „Um ehrlich zu sein, waren wir uns über die Tankstrategie nicht im Klaren, aber das Safety-Car spielte uns in die Karten, denn wir mussten auf jeden Fall noch einen Splash-and-Dash absolvieren.“ Stattdessen habe der Faktor Reifen eine entscheidende Rolle gespielt. „Heute war der Reifenverschleiß der Schlüssel zum Erfolg – insbesondere während des zweiten Stints, als wir die Oberhand über unsere Konkurrenten gewannen.“

Audis Problemzone: die Reifentemperatur

Währenddes haderten die Herren der Ringe dagegen mit den Pneus, wodurch die Seriensieger aus Bayern ins Hintertreffen gerieten. „Mein erster Stint war gut, doch im zweiten waren die Reifentemperaturen zu hoch“, rapportiert Audi-Schützling Benoît Tréluyer. „Dadurch haben wir Zeit verloren. Die Safety-Car-Phase hat uns weitere Sekunden gekostet.“ Ralf Jüttner, Audis Technischer Direktor, stimmt der Auswertung zu: „Unsere Autos kamen zwar mit einer Tankfüllung weiter, aber Toyota war im Schnitt schneller unterwegs und beherrschte den Umgang mit den Reifen besser.“ 

Somit feierte Toyota einen regelrechten Kantersieg, als Lapierre und Wurz den Zielstrich mit einem einminütigen Vorsprung kreuzten. Zugleich verbuchte das eurasische Gespann in São Paulo einen historischen Erfolg. Mit dem ersten Sieg im gerade einmal dritten Anlauf ist der TS030 bereits zum jetzigen Zeitpunkt erfolgreicher als sein Vorgänger, der TS020 – landläufig bekannt als GT-One. Dem Toyota-Hoffnungsträger der neunziger Jahre blieb ein Rennsieg sowohl bei seinen Auftritten in Le Mans als auch beim 1.000-Kilometer-Rennen am Fuße des Vulkans Fuji verwehrt. 

„Es ist fantastisch für die Mannschaft“, jubilierte Lapierre nach dem Bravourstück. „Seit dem Beginn des Jahres wussten wir, dass das Fahrzeug schnell ist, aber wir kämpften in Le Mans mit der Zuverlässigkeit. In Silverstone zeigten wir unser Potenzial und kehrten mit einem zweiten Platz heim. Uns ist es gelungen, die Reifenabnutzung gut zu handhaben, und wir fuhren ein fehlerfreies Rennen, was uns den ersten Sieg beim dritten Versuch ermöglichte.“ 

Geschwindigkeitsdefizit im Vergleich zu Toyota 

Im Hause Audi widmen sich die Verantwortlichen wiederum der Fehleranalyse. Obwohl die Strategen noch während des Rennens taktierten und den zweiten Boxenstopp des Hybrid-Prototyps vorzogen, rangen Tréluyer, Marcel Fässler und André Lotterer um den Anschluss. Und trotz aller Bemühungen verloren die Le-Mans-Gewinner den roten Faden. Im Schnitt meisterten die Toyota-Kontrahenten einen Umlauf bis zu einer Sekunde flotter. 

„Das Ergebnis war das Beste, das wir heute erreichen konnten“, räumt Lotterer ein. „Wir sind ein fehlerfreies Rennen gefahren, aber Toyota war einfach schneller.“ Ferner verlor das Trio nicht die Meisterschaftswertung aus den Augen und weiß die Punkteausbeute zu schätzen. „Für uns war es wichtig, die Führung in der Fahrer-Meisterschaft auszubauen“, bestätigt Fässler. „Das ist uns gelungen.“ 

„Aber es war kein einfaches Rennen, denn unser Tempo war nicht gut genug, um zu gewinnen“, honorierte der Schweizer nichtsdestoweniger die Leistung der Antagonisten aus dem Toyota-Lager. „Wir haben versucht, unser Bestes zu geben. Aber wir müssen auch nicht traurig sein nach dem heutigen Tag. Wir blicken sehr positiv nach vorne. Die Situation in der Meisterschaft sieht ganz gut aus für uns.“ 

Somit errangen Tréluyer, Fässler und Lotterer den Silberrang beim fünfen Wertungslauf der Langstrecken-WM. Dritte wurden Tom Kristensen, Allan McNish und Lokalmatador Lucas di Grassi im konventionellen Selbstzünder. Zumal sich die dänische Sarthe-Ikone zwei Schnitzer im Überrundungsverkehr leistete und auf den Grünstreifen ausweichen musste. Damit verspielte das Ensemble die Chance, den zweiten Platz zu erkämpfen, denn der herkömmlich Heizölrenner war zeitweise schneller als sein progressives Pendant. 

„Ich hatte zwei Zwischenfälle mit GT-Fahrzeugen“, gab Kristensen nach dem Ausdauerlauf zu Protokoll. „Beim ersten musste ich einem Auto ausweichen und habe mich gedreht, beim zweiten bin ich auf das Gras gedrückt worden. Leider passiert so etwas manchmal. Davon abgesehen hatten Lucas, Allan und ich ein gutes Rennen.“ Schlussendlich schaffte das Dreigestirn dennoch den Sprung aufs Treppchen.