Elkhart Lake: Nervenkrieg und Millimeterentscheidungen

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Nach den Rennen in Lime Rock, Mosport und Mid-Ohio folgt der nächste Klassiker im ALMS-Kalender: das „Roadrace Showcase“ auf der Road America. 36 Wagen haben sich zum vierstündigen Traditionsrennen angekündigt, das seit jeher von engen Kämpfen geprägt ist.

Es ist der Ort der engsten Entscheidungen in der ALMS – und wohl auch im weltweiten Vergleich: die Road America. Diese, schon 1955 eröffnete, Strecke assoziiert jeder Motorsportfan nur mit Einem: langen Geraden. Dazwischen gesellen sich schwierige Kurven, die man mit starken Nerven und viel Vertrauen in den eigenen Boliden durchfahren muss.

Davon zeigte sich in der Vergangenheit jedoch so mancher Fahrer überfordert, weshalb nicht selten einer der Renner in der Streckenbegrenzung landet und so das Safety-Car auf den Plan ruft. Hat man sein Auto aber im Griff, kann man sogar zwischen zwei Konkurrenten hindurch fahren – Wolf Henzler zeigte es in der vergangenen Saison.

Am Ende liegt das gesamte Feld dennoch eng beisammen. Erst im vergangenen Jahr stellten Klaus Graf (Muscle Milk Racing) und Guy Smith (Dyson Racing) einen Rekord in der engsten Zieldurchfahrt der ALMS-Geschichte auf: 0,112 Sekunden – nach vier Stunden packender Rennaction. Auch in den weiteren Klassen liefen die Duelle bis in die letzte Runde, so bei den LMPC, wo sich Butch Leitzinger erst in den letzten Kurven die Führung schnappte. Doch zurück in das Jahr 2012.

Kann sich Dyson Racing wieder aufraffen?

Sieht man sich die Rennstatistik aus den bisherigen Rennen an, müsste die Antwort ganz klar „Nein“ lauten. In Mid-Ohio, beim letzten Aufeinandertreffen der beiden LMP1-Teams Muscle Milk und Dyson Racing, schafften es die Mannen um Greg Pickett, die Siegesserie von fünf Erfolgen nacheinander zu komplettieren.

Noch eindrucksvoller war da nur noch die Leistung der beiden Piloten Klaus Graf und Lucas Luhr im Lime Rock Park, als sie einen Rückstand von fünf Runden wett machten und den Lola-Mazda von Guy Smith und Chris Dyson rund 20 Minuten vor Rennende abfingen.

Doch all diese Statistiken sind hinfällig, wenn es auf die Road America geht. In vier Stunden kann einiges passieren und vor allem gilt auf solch einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in einem Feld von 36 Fahrzeugen höchste Vorsicht beim Überrunden. Da reicht eine Unachtsamkeit eines LMPC-, GT- oder GTC-Fahrers in den charakteristischen Kurven „Carousel“, „Kink“ oder „Bill Mitchell Bend“ aus, und das Rennen ist für die Beteiligten vorbei. Selbst auf den Geraden ist das Überrunden schwer, da diese nicht zu den Breitesten zählen.

Am Ende wird die Entscheidung um den Rennsieg allerdings zwischen Graf und Luhr im Muscle-Milk-HPD sowie Smith und Dyson im Lola-Mazda fallen. Dem zweiten Dyson-Gespann um Michael Marsal, Eric Lux und Tony Burgess kann man – wenn überhaupt – nur Außenseiterchancen zurechnen.

Kann BMW auf die Siegerstraße zurückkehren?

Zieht man auch hier wieder die Statistik zurate, sieht es für die Mannschaft von Bobby Rahal nicht schlecht aus. In den Jahren 2009 und 2010 gelang dem BMW-Werksteam der Rennsieg, in der vergangenen Saison wurde es der Silberrang. Doch die begonnene Saison läuft eher entgegen der Vorstellungen der in Hilliard, Ohio ansässigen Truppe.

Nach dem Triumph beim Auftaktrennen in Sebring, musste sich die Equipe der Teilhaber Bobby Rahal, David Letterman und Mike Lanigan zunehmend mit Mittelfeldpositionen begnügen. Durch Rennpech der anderen Teilnehmer reichte es dennoch – außer in Lakeville – auf die dritte Position. Somit liegt man auch in der Teamwertung noch immer an zweiter Stelle, muss sich aber zunehmend nach hinten, in Richtung von Extreme Speed Motorsports und Flying Lizard Motorsports, absichern.

Bestimmend sind anno 2012 andere. Es sind die US-Renner schlechthin: Pratt & Miller mit ihren Corvette C6.R – dem allseits bekannten V8-Dampfhammer. Mit inzwischen drei Rennsiegen liegen Oliver Gavin und Tommy Milner an der Tabellenspitze, verfolgt von den Teamkollegen Jan Magnussen und Antonio García.

Zunehmend Gegenwind kam in den letzten Rennen allerdings aus den Lagern von Porsche und Ferrari. Im Lime Rock Park wehrte sich Jörg Bergmeister (FLM-Porsche) erfolgreich gegen beide „Vetten“, beim kanadischen Gastspiel entriss Johannes van Overbeek (ESM-Ferrari) im Dreikampf um die Spitze Corvette-Kutscher Magnussen den zweiten Platz – durch die Disqualifikation des Bergmeister-Porsche wurde der Ferrari zum Sieger erklärt.

Es gibt also auch auf der Road America genügend schnelle Gespanne, die Einwände gegen einen BMW-Sieg haben. Des Weiteren darf man die „kleineren“ Mannschaften Paul Miller Racing und das Team Falken Tire (beide Porsche), das in den vergangenen Rennen auf Rang vier die Lauerstellung eingenommen, hat nicht vergessen. Dazu kommen wieder der Lotus und die beiden neuen Vipern. Können diese Teams vielleicht die Etablierten überraschen?